Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

welcher nicht nur mit den geschichtlichen Verhältnissen, sondern auch mit der
Technik derselben vertraut und vorzüglich ein feiner Kunstkenner ist. Von
einem solchen Mann kann man also mit Recht nicht nur ein vollgültiges
Urtheil erwarten, sondern derselbe kann bei etwaigen Restaurationen auch die
Art und Weise derselben angeben und die Ausführung überwachen.

Kommt nun an irgend einem Orte ein altes Bauwerk mit den Interes¬
sen und Bedürfnissen der Neuzeit in Conflict, so daß die gänzliche oder theil¬
weise Beseitigung oder eine wesentliche Veränderung desselben wünschenswert!),
oder eine Restauration für Erhaltung desselben nothwendig erscheint, so be¬
richtet die betreffende Gemeinde unter Darlegung ihrer Gründe für ihr Vor¬
haben an den Minister. Derselbe fordert ein Gutachten von dem dafür an¬
gestellten Conservator ein, welches natürlich nur an Ort und Stelle, vor dem
fraglichen Denkmal selbst und in Gemeinschaft mit den Besitzern concivirt
werden kann, und entscheidet dann als höchster Richter, je nachdem das
Interesse der einen oder andern Partei, hier Besitzer und Conservator, wich¬
tiger erscheint.

Daß trotzdem nicht überall und zu allen Zeiten das Richtige getroffen
wird, und nicht immer getroffen werden kann, ist in der Schwäche der mensch¬
lichen Natur begründet. Die Ansichten über Recht oder Unrecht wechseln
nicht uur nach dem Grade der Bildung und des' Wissens der Menschen, son¬
dern auch mit der Zeit.

Aber wenn auf die angegebene Weise bei Gegenständen öffentlichen Be¬
sitzes ein Conservator, bei Gegenständen des Privatbesitzes ein Verein von
Alterthumsfreunden, an dessen Spitze ein Sachverständiger, d. h. ein Archäo-
loge von Fach steht, zu Rathe gezogen und in Folge einer Berathung mit
ihnen gehandelt wird, so werden gewiß sehr viele und besonders die wichtig¬
sten historischen Denkmale zum Nutzen und zur Freude unserer Mitmenschen
und zur Ehre des Vaterlandes erhalten bleiben und auf die kommenden Ge¬
schlechter überliefert werden, ohne daß das materielle Wohlergehen und der
Fortschritt in Handel und Wandel merklicher Weise gestört werden.


R. Bergan.'

Der öffentliche Schulunterricht unter der päpstlichen
Kegierung.
Ein Actenstück zur Culturgeschichte unserer Zeit.

Auf der katholischen Generalversammlung, welche i. I. 1862 zu Aachen
im Kaisersaale stattfand, hatte einer der gefeiertsten Redner dieser Reunionen


welcher nicht nur mit den geschichtlichen Verhältnissen, sondern auch mit der
Technik derselben vertraut und vorzüglich ein feiner Kunstkenner ist. Von
einem solchen Mann kann man also mit Recht nicht nur ein vollgültiges
Urtheil erwarten, sondern derselbe kann bei etwaigen Restaurationen auch die
Art und Weise derselben angeben und die Ausführung überwachen.

Kommt nun an irgend einem Orte ein altes Bauwerk mit den Interes¬
sen und Bedürfnissen der Neuzeit in Conflict, so daß die gänzliche oder theil¬
weise Beseitigung oder eine wesentliche Veränderung desselben wünschenswert!),
oder eine Restauration für Erhaltung desselben nothwendig erscheint, so be¬
richtet die betreffende Gemeinde unter Darlegung ihrer Gründe für ihr Vor¬
haben an den Minister. Derselbe fordert ein Gutachten von dem dafür an¬
gestellten Conservator ein, welches natürlich nur an Ort und Stelle, vor dem
fraglichen Denkmal selbst und in Gemeinschaft mit den Besitzern concivirt
werden kann, und entscheidet dann als höchster Richter, je nachdem das
Interesse der einen oder andern Partei, hier Besitzer und Conservator, wich¬
tiger erscheint.

Daß trotzdem nicht überall und zu allen Zeiten das Richtige getroffen
wird, und nicht immer getroffen werden kann, ist in der Schwäche der mensch¬
lichen Natur begründet. Die Ansichten über Recht oder Unrecht wechseln
nicht uur nach dem Grade der Bildung und des' Wissens der Menschen, son¬
dern auch mit der Zeit.

Aber wenn auf die angegebene Weise bei Gegenständen öffentlichen Be¬
sitzes ein Conservator, bei Gegenständen des Privatbesitzes ein Verein von
Alterthumsfreunden, an dessen Spitze ein Sachverständiger, d. h. ein Archäo-
loge von Fach steht, zu Rathe gezogen und in Folge einer Berathung mit
ihnen gehandelt wird, so werden gewiß sehr viele und besonders die wichtig¬
sten historischen Denkmale zum Nutzen und zur Freude unserer Mitmenschen
und zur Ehre des Vaterlandes erhalten bleiben und auf die kommenden Ge¬
schlechter überliefert werden, ohne daß das materielle Wohlergehen und der
Fortschritt in Handel und Wandel merklicher Weise gestört werden.


R. Bergan.'

Der öffentliche Schulunterricht unter der päpstlichen
Kegierung.
Ein Actenstück zur Culturgeschichte unserer Zeit.

Auf der katholischen Generalversammlung, welche i. I. 1862 zu Aachen
im Kaisersaale stattfand, hatte einer der gefeiertsten Redner dieser Reunionen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126040"/>
          <p xml:id="ID_809" prev="#ID_808"> welcher nicht nur mit den geschichtlichen Verhältnissen, sondern auch mit der<lb/>
Technik derselben vertraut und vorzüglich ein feiner Kunstkenner ist. Von<lb/>
einem solchen Mann kann man also mit Recht nicht nur ein vollgültiges<lb/>
Urtheil erwarten, sondern derselbe kann bei etwaigen Restaurationen auch die<lb/>
Art und Weise derselben angeben und die Ausführung überwachen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_810"> Kommt nun an irgend einem Orte ein altes Bauwerk mit den Interes¬<lb/>
sen und Bedürfnissen der Neuzeit in Conflict, so daß die gänzliche oder theil¬<lb/>
weise Beseitigung oder eine wesentliche Veränderung desselben wünschenswert!),<lb/>
oder eine Restauration für Erhaltung desselben nothwendig erscheint, so be¬<lb/>
richtet die betreffende Gemeinde unter Darlegung ihrer Gründe für ihr Vor¬<lb/>
haben an den Minister. Derselbe fordert ein Gutachten von dem dafür an¬<lb/>
gestellten Conservator ein, welches natürlich nur an Ort und Stelle, vor dem<lb/>
fraglichen Denkmal selbst und in Gemeinschaft mit den Besitzern concivirt<lb/>
werden kann, und entscheidet dann als höchster Richter, je nachdem das<lb/>
Interesse der einen oder andern Partei, hier Besitzer und Conservator, wich¬<lb/>
tiger erscheint.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_811"> Daß trotzdem nicht überall und zu allen Zeiten das Richtige getroffen<lb/>
wird, und nicht immer getroffen werden kann, ist in der Schwäche der mensch¬<lb/>
lichen Natur begründet. Die Ansichten über Recht oder Unrecht wechseln<lb/>
nicht uur nach dem Grade der Bildung und des' Wissens der Menschen, son¬<lb/>
dern auch mit der Zeit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_812"> Aber wenn auf die angegebene Weise bei Gegenständen öffentlichen Be¬<lb/>
sitzes ein Conservator, bei Gegenständen des Privatbesitzes ein Verein von<lb/>
Alterthumsfreunden, an dessen Spitze ein Sachverständiger, d. h. ein Archäo-<lb/>
loge von Fach steht, zu Rathe gezogen und in Folge einer Berathung mit<lb/>
ihnen gehandelt wird, so werden gewiß sehr viele und besonders die wichtig¬<lb/>
sten historischen Denkmale zum Nutzen und zur Freude unserer Mitmenschen<lb/>
und zur Ehre des Vaterlandes erhalten bleiben und auf die kommenden Ge¬<lb/>
schlechter überliefert werden, ohne daß das materielle Wohlergehen und der<lb/>
Fortschritt in Handel und Wandel merklicher Weise gestört werden.</p><lb/>
          <note type="byline"> R. Bergan.'</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der öffentliche Schulunterricht unter der päpstlichen<lb/>
Kegierung.<lb/>
Ein Actenstück zur Culturgeschichte unserer Zeit.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_813" next="#ID_814"> Auf der katholischen Generalversammlung, welche i. I. 1862 zu Aachen<lb/>
im Kaisersaale stattfand, hatte einer der gefeiertsten Redner dieser Reunionen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0258] welcher nicht nur mit den geschichtlichen Verhältnissen, sondern auch mit der Technik derselben vertraut und vorzüglich ein feiner Kunstkenner ist. Von einem solchen Mann kann man also mit Recht nicht nur ein vollgültiges Urtheil erwarten, sondern derselbe kann bei etwaigen Restaurationen auch die Art und Weise derselben angeben und die Ausführung überwachen. Kommt nun an irgend einem Orte ein altes Bauwerk mit den Interes¬ sen und Bedürfnissen der Neuzeit in Conflict, so daß die gänzliche oder theil¬ weise Beseitigung oder eine wesentliche Veränderung desselben wünschenswert!), oder eine Restauration für Erhaltung desselben nothwendig erscheint, so be¬ richtet die betreffende Gemeinde unter Darlegung ihrer Gründe für ihr Vor¬ haben an den Minister. Derselbe fordert ein Gutachten von dem dafür an¬ gestellten Conservator ein, welches natürlich nur an Ort und Stelle, vor dem fraglichen Denkmal selbst und in Gemeinschaft mit den Besitzern concivirt werden kann, und entscheidet dann als höchster Richter, je nachdem das Interesse der einen oder andern Partei, hier Besitzer und Conservator, wich¬ tiger erscheint. Daß trotzdem nicht überall und zu allen Zeiten das Richtige getroffen wird, und nicht immer getroffen werden kann, ist in der Schwäche der mensch¬ lichen Natur begründet. Die Ansichten über Recht oder Unrecht wechseln nicht uur nach dem Grade der Bildung und des' Wissens der Menschen, son¬ dern auch mit der Zeit. Aber wenn auf die angegebene Weise bei Gegenständen öffentlichen Be¬ sitzes ein Conservator, bei Gegenständen des Privatbesitzes ein Verein von Alterthumsfreunden, an dessen Spitze ein Sachverständiger, d. h. ein Archäo- loge von Fach steht, zu Rathe gezogen und in Folge einer Berathung mit ihnen gehandelt wird, so werden gewiß sehr viele und besonders die wichtig¬ sten historischen Denkmale zum Nutzen und zur Freude unserer Mitmenschen und zur Ehre des Vaterlandes erhalten bleiben und auf die kommenden Ge¬ schlechter überliefert werden, ohne daß das materielle Wohlergehen und der Fortschritt in Handel und Wandel merklicher Weise gestört werden. R. Bergan.' Der öffentliche Schulunterricht unter der päpstlichen Kegierung. Ein Actenstück zur Culturgeschichte unserer Zeit. Auf der katholischen Generalversammlung, welche i. I. 1862 zu Aachen im Kaisersaale stattfand, hatte einer der gefeiertsten Redner dieser Reunionen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/258
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/258>, abgerufen am 27.12.2024.