Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.Ueber Erhaltung und Zerstörung historischer JauoenKmale. In unserer mit Dampfeskraft und Blitzesschnelle vorwärts eilenden Zeit Die Frage der Erhaltung und Zerstörung alterthümlicher Baudenkmale Grenzboten I. 1871. 97
Ueber Erhaltung und Zerstörung historischer JauoenKmale. In unserer mit Dampfeskraft und Blitzesschnelle vorwärts eilenden Zeit Die Frage der Erhaltung und Zerstörung alterthümlicher Baudenkmale Grenzboten I. 1871. 97
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0249" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126031"/> </div> <div n="1"> <head> Ueber Erhaltung und Zerstörung historischer<lb/> JauoenKmale.</head><lb/> <p xml:id="ID_777"> In unserer mit Dampfeskraft und Blitzesschnelle vorwärts eilenden Zeit<lb/> herrscht auf allen Gebieten ein so reges Leben und Treiben, wie wohl noch nie<lb/> zuvor. Ueberall strebt man, und zwar mit bestem Erfolg, nach Fortschritt und<lb/> Freiheit, die aber nicht erreichbar sind ohne ernstlichen Kampf gegen jene<lb/> Schranken, welche der freien Entwickelung des Einzelnen wie des Ganzen aus<lb/> alter Zeit noch hemmend entgegen stehen. So berechtigt und erfreulich dieser<lb/> große Kampf gegen Vorurtheil und hergebrachtes Wesen und die dadurch er¬<lb/> zielten Fortschritte sind, so sehr er uns Allen unberechenbare Vortheile bietet und<lb/> zu ganz neuen, bisher ungeahnten Resultaten führt, so stehen mit demselben,<lb/> wie mit jedem Kampf, doch auch mancherlei Ungerechtigkeiten im Zusammen¬<lb/> hange. Er beseitigt nicht nur viele aus alter Zeit überlieferte, uns nicht<lb/> mehr passende politische und sociale Einrichtungen, sondern er zerstört auch<lb/> viele aus frühern Jahrhunderten noch erhaltene Denkmale der Architektur<lb/> und Kunst und vernichtet dadurch manches Gute und Schöne, das zum<lb/> Nutzen unserer und der kommenden Geschlechter erhalten werden sollte. Hof¬<lb/> fentlich wird diese Zerstörungslust, welche am Anfange einer neuen Geistes¬<lb/> strömung stets besonders lebhaft ist — man denke nur an die Stürme der<lb/> ersten französischen Revolution — mit der Zeit, wenn die Ansichten der vor¬<lb/> wärts Drängenden mehr und mehr sich geläutert haben und zu einer klaren<lb/> Erkenntniß des wahren Werthes der alten Baudenkmale gekommen sein wer¬<lb/> den, nach und nach abnehmen. Zur Zeit ist der Streit noch neu, die Gründe<lb/> für und wieder sind noch nicht genug erörtert und die sich gegenüber stehen¬<lb/> den Parteien noch zu leidenschaftlich. Versuchen wir, die Lage der Verhält¬<lb/> nisse in möglichst unparteiischer Weise zu überschauen und die Mittel zu<lb/> finden, welche gegenwärtig zum Schutz der historischen Denkmale angewendet<lb/> werden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_778" next="#ID_779"> Die Frage der Erhaltung und Zerstörung alterthümlicher Baudenkmale<lb/> ist besonders in Städten wie Rom, Venedig, Cöln, Nürnberg, Danzig ze.,<lb/> welche noch eine größere Anzahl sichtbarer Erinnerungen an ihre große Vor¬<lb/> zeit sich erhalten haben, von besonderer weittragender Wichtigkeit. Daher ist</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1871. 97</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0249]
Ueber Erhaltung und Zerstörung historischer
JauoenKmale.
In unserer mit Dampfeskraft und Blitzesschnelle vorwärts eilenden Zeit
herrscht auf allen Gebieten ein so reges Leben und Treiben, wie wohl noch nie
zuvor. Ueberall strebt man, und zwar mit bestem Erfolg, nach Fortschritt und
Freiheit, die aber nicht erreichbar sind ohne ernstlichen Kampf gegen jene
Schranken, welche der freien Entwickelung des Einzelnen wie des Ganzen aus
alter Zeit noch hemmend entgegen stehen. So berechtigt und erfreulich dieser
große Kampf gegen Vorurtheil und hergebrachtes Wesen und die dadurch er¬
zielten Fortschritte sind, so sehr er uns Allen unberechenbare Vortheile bietet und
zu ganz neuen, bisher ungeahnten Resultaten führt, so stehen mit demselben,
wie mit jedem Kampf, doch auch mancherlei Ungerechtigkeiten im Zusammen¬
hange. Er beseitigt nicht nur viele aus alter Zeit überlieferte, uns nicht
mehr passende politische und sociale Einrichtungen, sondern er zerstört auch
viele aus frühern Jahrhunderten noch erhaltene Denkmale der Architektur
und Kunst und vernichtet dadurch manches Gute und Schöne, das zum
Nutzen unserer und der kommenden Geschlechter erhalten werden sollte. Hof¬
fentlich wird diese Zerstörungslust, welche am Anfange einer neuen Geistes¬
strömung stets besonders lebhaft ist — man denke nur an die Stürme der
ersten französischen Revolution — mit der Zeit, wenn die Ansichten der vor¬
wärts Drängenden mehr und mehr sich geläutert haben und zu einer klaren
Erkenntniß des wahren Werthes der alten Baudenkmale gekommen sein wer¬
den, nach und nach abnehmen. Zur Zeit ist der Streit noch neu, die Gründe
für und wieder sind noch nicht genug erörtert und die sich gegenüber stehen¬
den Parteien noch zu leidenschaftlich. Versuchen wir, die Lage der Verhält¬
nisse in möglichst unparteiischer Weise zu überschauen und die Mittel zu
finden, welche gegenwärtig zum Schutz der historischen Denkmale angewendet
werden können.
Die Frage der Erhaltung und Zerstörung alterthümlicher Baudenkmale
ist besonders in Städten wie Rom, Venedig, Cöln, Nürnberg, Danzig ze.,
welche noch eine größere Anzahl sichtbarer Erinnerungen an ihre große Vor¬
zeit sich erhalten haben, von besonderer weittragender Wichtigkeit. Daher ist
Grenzboten I. 1871. 97
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |