Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.daß er nicht gerne abermals eine "Solidarität" übernehmen wolle, die.im Das Gerücht, welches wir wiedergeben, ist allerdings unter officiösen Dom deutschen Aeichstag. In meinem letzten Briefe suchte ich den Grund zum Verständniß So klar dieses Verhältniß ist, so könnte man doch zu der Frage versucht daß er nicht gerne abermals eine „Solidarität" übernehmen wolle, die.im Das Gerücht, welches wir wiedergeben, ist allerdings unter officiösen Dom deutschen Aeichstag. In meinem letzten Briefe suchte ich den Grund zum Verständniß So klar dieses Verhältniß ist, so könnte man doch zu der Frage versucht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0162" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125944"/> <p xml:id="ID_524" prev="#ID_523"> daß er nicht gerne abermals eine „Solidarität" übernehmen wolle, die.im<lb/> vorvergangenen Winter so wenig Stich gehalten, während der König Herrn<lb/> von Lutz unter keiner Bedingung missen möchte. Zieles, reksro.</p><lb/> <p xml:id="ID_525"> Das Gerücht, welches wir wiedergeben, ist allerdings unter officiösen<lb/> Zeichen dementirt worden; allein wir haben zu öfteren Malen den Fall er¬<lb/> lebt, daß solche Dementi's der Verwirklichung keinen Abbruch thun. Im<lb/> übrigen sind die positiven Thatsachen, welche die Gegenwart uns vorlegt, so<lb/><note type="byline"> ^.</note> reichhaltig, daß wir die Zukunft ohne Ungeduld erwarten können. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Dom deutschen Aeichstag.</head><lb/> <p xml:id="ID_526"> In meinem letzten Briefe suchte ich den Grund zum Verständniß<lb/> zu bringen, welcher die Ultramontanen dazu treibt, die Selbständigkeit<lb/> der päpstlichen Kirche im deutschen Reiche dringender zu fordern, als<lb/> in irgend einem Staate der Welt. Dieser Grund war aber, um noch<lb/> einmal daran zu erinnern, kein anderer als der, daß in keinem Lande so wie<lb/> in Deutschland der Staat von einer Nationalbildung getragen wird, die in<lb/> ihrem Wesen dem kirchlichen Romanismus entgegengesetzt ist. Auf diesem<lb/> deutschen Boden hat der Ultramontanismus das zweifache Interesse: erstens,<lb/> jeden Einfluß des Staates auf die Organe des Kirchenthums abzuwehren,<lb/> weil mit diesem Staatseinfluß eine den Romanismus aufhebende Bildung in<lb/> die katholische Kirche eindringen könnte; zweitens aber, den deutschen Staat<lb/> überhaupt nicht erstarken zu lassen, weil er, einmal erstarkt, dem Romanis¬<lb/> mus am schwersten zu unterwerfen ist. Zu dem Zweck, die Erstarkung des<lb/> deutschen Staates zu verhindern, bedarf der Ultramontanismus der ungehemm¬<lb/> testen Bewegung seiner Kirche auf dem Boden der Gesellschaft.</p><lb/> <p xml:id="ID_527" next="#ID_528"> So klar dieses Verhältniß ist, so könnte man doch zu der Frage versucht<lb/> sein, weshalb die Ultramontanen gleich die ersten Tage der ersten Reichstags¬<lb/> session benutzt haben, ihre Anliegen ans Tageslicht zu bringen. Konnten sie<lb/> nicht klüglich abwarten, ob etwa die Fortschrittspartei in ihrem unbelehrbarer<lb/> Dogmatismus einen Antrag auf Herübernahme der Grundrechte in die Reichs-<lb/> verfassung stellen würde? In der Doctrin der Grundrechte spielt einmal die<lb/> sogenannte Freiheit des religiösen Bekenntnisses ihre unvermeidliche Rolle.<lb/> Mit herkömmlichen Unverstand wird diese Freiheit ausgelegt als die Souve-<lb/> ränetät der kirchlichen Organismen, unter denen der päpstliche die universellste</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0162]
daß er nicht gerne abermals eine „Solidarität" übernehmen wolle, die.im
vorvergangenen Winter so wenig Stich gehalten, während der König Herrn
von Lutz unter keiner Bedingung missen möchte. Zieles, reksro.
Das Gerücht, welches wir wiedergeben, ist allerdings unter officiösen
Zeichen dementirt worden; allein wir haben zu öfteren Malen den Fall er¬
lebt, daß solche Dementi's der Verwirklichung keinen Abbruch thun. Im
übrigen sind die positiven Thatsachen, welche die Gegenwart uns vorlegt, so
^. reichhaltig, daß wir die Zukunft ohne Ungeduld erwarten können.
Dom deutschen Aeichstag.
In meinem letzten Briefe suchte ich den Grund zum Verständniß
zu bringen, welcher die Ultramontanen dazu treibt, die Selbständigkeit
der päpstlichen Kirche im deutschen Reiche dringender zu fordern, als
in irgend einem Staate der Welt. Dieser Grund war aber, um noch
einmal daran zu erinnern, kein anderer als der, daß in keinem Lande so wie
in Deutschland der Staat von einer Nationalbildung getragen wird, die in
ihrem Wesen dem kirchlichen Romanismus entgegengesetzt ist. Auf diesem
deutschen Boden hat der Ultramontanismus das zweifache Interesse: erstens,
jeden Einfluß des Staates auf die Organe des Kirchenthums abzuwehren,
weil mit diesem Staatseinfluß eine den Romanismus aufhebende Bildung in
die katholische Kirche eindringen könnte; zweitens aber, den deutschen Staat
überhaupt nicht erstarken zu lassen, weil er, einmal erstarkt, dem Romanis¬
mus am schwersten zu unterwerfen ist. Zu dem Zweck, die Erstarkung des
deutschen Staates zu verhindern, bedarf der Ultramontanismus der ungehemm¬
testen Bewegung seiner Kirche auf dem Boden der Gesellschaft.
So klar dieses Verhältniß ist, so könnte man doch zu der Frage versucht
sein, weshalb die Ultramontanen gleich die ersten Tage der ersten Reichstags¬
session benutzt haben, ihre Anliegen ans Tageslicht zu bringen. Konnten sie
nicht klüglich abwarten, ob etwa die Fortschrittspartei in ihrem unbelehrbarer
Dogmatismus einen Antrag auf Herübernahme der Grundrechte in die Reichs-
verfassung stellen würde? In der Doctrin der Grundrechte spielt einmal die
sogenannte Freiheit des religiösen Bekenntnisses ihre unvermeidliche Rolle.
Mit herkömmlichen Unverstand wird diese Freiheit ausgelegt als die Souve-
ränetät der kirchlichen Organismen, unter denen der päpstliche die universellste
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