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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Mann aus dem Volke, dieser wirkliche Repräsentant des berühmten Typus
des "Jedermann aus dem Volke", dieser edele Proletarier mit seinem ein¬
fachen, wahren und patriotischen Herzen, ist Dir nichts als ein "Kerl". Du
sprichst heute von ihm, wie der richtige Vollblut-Junker. Ja freilich, heute
sind die Wahlen vorbei. Vor den Wahlen, da war er Dir wichtig genug,
ihm die schwarz-roth-goldenen Lappen unter der Nase zu schwenken und ihm
damit eine angenehme und kräftige Emotion zu verschaffen, um damit einen
Wellenschlag zu erzeugen, der Dich wieder auf den Sitz des Abgeordneten
schleudert.

Damals war er der "Herr". Jetzt ist er der "Kerl". Braten¬
riecher, Du hältst immer so schöne Reden wider die Jesuiten, Bratenriecher,
ich will Dir was sagen: Du bist selbst Einer!




Aus dem Jelde.

> Der Anfang vom Ende ist gekommen. Paris wird aus unsern Riesen¬
mörsern beschossen. Die Loirearmee ist bei Le Mans auf's Haupt geschlagen.
Faidherbe fährt fort, rückwärts zu siegen. Die Versuche Bourbacki's und Ga-
ribaldi's, Belfort zu entsetzen, und Elsaß und Lothringen bis gegen Nanzig
hin aufzuwiegeln, sind nach dem Tage von Villersexel hoffnungslos. Außerdem
aber ziehen sich dort unten im Südosten des großen Kriegstheaters die letzten
Reste französischer Widerstandsfähigkeit in erwünschter Vollzähligkeit zusammen.
Der General Manteuffel. der in den jüngsten Tagen den Oberbefehl gegen
Bourbacki übernommen hat, wird nicht versäumen, seinen Gegnern Gelegen¬
heit zu Kriegstelegrammen ü Ja Faidherbe, und zur Erfüllung jener heiligen
Gelübde zu geben, die sich in den herben Beinamen jener südöstlichen Vater¬
landsvertheidiger, der "VvnZöurs", ,,Lud"mes percius" u. s. w., spiegeln. Diese
Gelübde sollten dem Corps der Rache von Rechtswegen nicht gestalten, un¬
verwundet in unsre Hände zu fallen oder anders als auf dem Schilde nach
Hause zurückzukehren. Sie werden ihr Wort, dessen Bruch uns gegenüber für
?me Ehre gilt, doch hoffentlich ihren französischen Landsleuten halten. Dann
liegt uns der Weg bis Lyon und Marseille offen, ohne erheblichen Widerstand.

Diese militairischen Mißgeschicke der französischen Republik bedeuten dies¬
mal mehr, als so schwere, gleichzeitige Niederlagen auf allen Operationspunkten
an sich schon besagen wollen. Ein bedenkliches Zeichen, wenn eine im Ver¬
zweiflungskampf ringende Nation nur komische Personen zu Führern findet.
Und soweit ist es mit den Franzosen gekommen. Kein französischer General


Mann aus dem Volke, dieser wirkliche Repräsentant des berühmten Typus
des „Jedermann aus dem Volke", dieser edele Proletarier mit seinem ein¬
fachen, wahren und patriotischen Herzen, ist Dir nichts als ein „Kerl". Du
sprichst heute von ihm, wie der richtige Vollblut-Junker. Ja freilich, heute
sind die Wahlen vorbei. Vor den Wahlen, da war er Dir wichtig genug,
ihm die schwarz-roth-goldenen Lappen unter der Nase zu schwenken und ihm
damit eine angenehme und kräftige Emotion zu verschaffen, um damit einen
Wellenschlag zu erzeugen, der Dich wieder auf den Sitz des Abgeordneten
schleudert.

Damals war er der „Herr". Jetzt ist er der „Kerl". Braten¬
riecher, Du hältst immer so schöne Reden wider die Jesuiten, Bratenriecher,
ich will Dir was sagen: Du bist selbst Einer!




Aus dem Jelde.

> Der Anfang vom Ende ist gekommen. Paris wird aus unsern Riesen¬
mörsern beschossen. Die Loirearmee ist bei Le Mans auf's Haupt geschlagen.
Faidherbe fährt fort, rückwärts zu siegen. Die Versuche Bourbacki's und Ga-
ribaldi's, Belfort zu entsetzen, und Elsaß und Lothringen bis gegen Nanzig
hin aufzuwiegeln, sind nach dem Tage von Villersexel hoffnungslos. Außerdem
aber ziehen sich dort unten im Südosten des großen Kriegstheaters die letzten
Reste französischer Widerstandsfähigkeit in erwünschter Vollzähligkeit zusammen.
Der General Manteuffel. der in den jüngsten Tagen den Oberbefehl gegen
Bourbacki übernommen hat, wird nicht versäumen, seinen Gegnern Gelegen¬
heit zu Kriegstelegrammen ü Ja Faidherbe, und zur Erfüllung jener heiligen
Gelübde zu geben, die sich in den herben Beinamen jener südöstlichen Vater¬
landsvertheidiger, der „VvnZöurs", ,,Lud»mes percius" u. s. w., spiegeln. Diese
Gelübde sollten dem Corps der Rache von Rechtswegen nicht gestalten, un¬
verwundet in unsre Hände zu fallen oder anders als auf dem Schilde nach
Hause zurückzukehren. Sie werden ihr Wort, dessen Bruch uns gegenüber für
?me Ehre gilt, doch hoffentlich ihren französischen Landsleuten halten. Dann
liegt uns der Weg bis Lyon und Marseille offen, ohne erheblichen Widerstand.

Diese militairischen Mißgeschicke der französischen Republik bedeuten dies¬
mal mehr, als so schwere, gleichzeitige Niederlagen auf allen Operationspunkten
an sich schon besagen wollen. Ein bedenkliches Zeichen, wenn eine im Ver¬
zweiflungskampf ringende Nation nur komische Personen zu Führern findet.
Und soweit ist es mit den Franzosen gekommen. Kein französischer General


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[0159] Mann aus dem Volke, dieser wirkliche Repräsentant des berühmten Typus des „Jedermann aus dem Volke", dieser edele Proletarier mit seinem ein¬ fachen, wahren und patriotischen Herzen, ist Dir nichts als ein „Kerl". Du sprichst heute von ihm, wie der richtige Vollblut-Junker. Ja freilich, heute sind die Wahlen vorbei. Vor den Wahlen, da war er Dir wichtig genug, ihm die schwarz-roth-goldenen Lappen unter der Nase zu schwenken und ihm damit eine angenehme und kräftige Emotion zu verschaffen, um damit einen Wellenschlag zu erzeugen, der Dich wieder auf den Sitz des Abgeordneten schleudert. Damals war er der „Herr". Jetzt ist er der „Kerl". Braten¬ riecher, Du hältst immer so schöne Reden wider die Jesuiten, Bratenriecher, ich will Dir was sagen: Du bist selbst Einer! Aus dem Jelde. > Der Anfang vom Ende ist gekommen. Paris wird aus unsern Riesen¬ mörsern beschossen. Die Loirearmee ist bei Le Mans auf's Haupt geschlagen. Faidherbe fährt fort, rückwärts zu siegen. Die Versuche Bourbacki's und Ga- ribaldi's, Belfort zu entsetzen, und Elsaß und Lothringen bis gegen Nanzig hin aufzuwiegeln, sind nach dem Tage von Villersexel hoffnungslos. Außerdem aber ziehen sich dort unten im Südosten des großen Kriegstheaters die letzten Reste französischer Widerstandsfähigkeit in erwünschter Vollzähligkeit zusammen. Der General Manteuffel. der in den jüngsten Tagen den Oberbefehl gegen Bourbacki übernommen hat, wird nicht versäumen, seinen Gegnern Gelegen¬ heit zu Kriegstelegrammen ü Ja Faidherbe, und zur Erfüllung jener heiligen Gelübde zu geben, die sich in den herben Beinamen jener südöstlichen Vater¬ landsvertheidiger, der „VvnZöurs", ,,Lud»mes percius" u. s. w., spiegeln. Diese Gelübde sollten dem Corps der Rache von Rechtswegen nicht gestalten, un¬ verwundet in unsre Hände zu fallen oder anders als auf dem Schilde nach Hause zurückzukehren. Sie werden ihr Wort, dessen Bruch uns gegenüber für ?me Ehre gilt, doch hoffentlich ihren französischen Landsleuten halten. Dann liegt uns der Weg bis Lyon und Marseille offen, ohne erheblichen Widerstand. Diese militairischen Mißgeschicke der französischen Republik bedeuten dies¬ mal mehr, als so schwere, gleichzeitige Niederlagen auf allen Operationspunkten an sich schon besagen wollen. Ein bedenkliches Zeichen, wenn eine im Ver¬ zweiflungskampf ringende Nation nur komische Personen zu Führern findet. Und soweit ist es mit den Franzosen gekommen. Kein französischer General

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/159>, abgerufen am 28.06.2024.