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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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können, ob sie hierzu mit allem Material hinreichend versehen wäre? er
dieses nicht nur auf das Kräftigste bejahte, sondern auch mit seinem Ehren¬
worte betheuerte. --

Die öffentliche Meinung trat, namentlich in der Presse, mit harten An¬
klagen und Beschuldigungen gegen die Heerverwaltungen hervor, man beschul¬
digte sie geradezu des Betrugs und des Unterschleifs, als eine Goldgrube für
Alle, welche ungestraft hineingreifen konnten. Unter den Händen, die hierzu
das Privilegium gehabt, werden auch die hohen und höchsten Persönlichkeiten
genannt. In wie weit das begründet ist, kann hier nicht weiter remittelt
werden. Die nächste Zukunft wird auch diesen Schleier heben.

(Schluß folgt.)




Die Hardinen-Oredigten der Iran Joctor Kratenriecher..
Dritte und letzte Predigt.
Handelt von der Frauen-Emancipation, von der Farbenlehre und von der Metamor¬
phose aus "Herr" in "Kerl".

Nein, Bratenriecher, das ist doch zu arg. Ich liege jetzt schon
Stunden wach zu Bette und höre jedes Viertel schlagen. Und nun kommst
Du um halb Drei und verbreitest Odeurs um Dich, die wahrlich mehr nach
der Kneipe, als nach Braten riechen. Ich habe mich derweil halb zu Tode
geängstigt. Denn es soll ja jetzt so unsicher sein auf den Straßen von
Berlin, namentlich nach Mitternacht. Wo bist Du um Gotteswillen so
lange geblieben?

Also im Bezirks-Verein? "Es war gar zu herzerhebend da", sagst Du?
Ja, das wäre ja Alles gut, wenn ich mit dabei sein könnte. Es heißt ja
doch einmal: Zwei Seelen und ein Gedanke, zwei Herzen und ein Schlag.
Wenn aber die zwei Herzen einen Schlag haben und sich mit einander er¬
heben sollen, dann dürfen sie doch nicht immer räumlich von einander ge¬
trennt sein. Doch ich hoffe, das soll nicht mehr lange so dauern. Meine
Freundin Fanny ist bereit, einen körperlichen Eid darauf zu leisten, daß wir
am Vorabend der vollständigen Frauen-Emancipation stehen, und daß es
keine drei Jahre mehr dauern kann, bis daß auch wir mit wählen und mit
im deutschen Reichstag sitzen. Oh, es muß wirklich herzerhebend, es muß
himmlisch, -- es muß geradezu reizend sein!

Doch ich darf bei diesem entzückenden Gedanken nicht länger verweilen.


können, ob sie hierzu mit allem Material hinreichend versehen wäre? er
dieses nicht nur auf das Kräftigste bejahte, sondern auch mit seinem Ehren¬
worte betheuerte. —

Die öffentliche Meinung trat, namentlich in der Presse, mit harten An¬
klagen und Beschuldigungen gegen die Heerverwaltungen hervor, man beschul¬
digte sie geradezu des Betrugs und des Unterschleifs, als eine Goldgrube für
Alle, welche ungestraft hineingreifen konnten. Unter den Händen, die hierzu
das Privilegium gehabt, werden auch die hohen und höchsten Persönlichkeiten
genannt. In wie weit das begründet ist, kann hier nicht weiter remittelt
werden. Die nächste Zukunft wird auch diesen Schleier heben.

(Schluß folgt.)




Die Hardinen-Oredigten der Iran Joctor Kratenriecher..
Dritte und letzte Predigt.
Handelt von der Frauen-Emancipation, von der Farbenlehre und von der Metamor¬
phose aus „Herr" in „Kerl".

Nein, Bratenriecher, das ist doch zu arg. Ich liege jetzt schon
Stunden wach zu Bette und höre jedes Viertel schlagen. Und nun kommst
Du um halb Drei und verbreitest Odeurs um Dich, die wahrlich mehr nach
der Kneipe, als nach Braten riechen. Ich habe mich derweil halb zu Tode
geängstigt. Denn es soll ja jetzt so unsicher sein auf den Straßen von
Berlin, namentlich nach Mitternacht. Wo bist Du um Gotteswillen so
lange geblieben?

Also im Bezirks-Verein? „Es war gar zu herzerhebend da", sagst Du?
Ja, das wäre ja Alles gut, wenn ich mit dabei sein könnte. Es heißt ja
doch einmal: Zwei Seelen und ein Gedanke, zwei Herzen und ein Schlag.
Wenn aber die zwei Herzen einen Schlag haben und sich mit einander er¬
heben sollen, dann dürfen sie doch nicht immer räumlich von einander ge¬
trennt sein. Doch ich hoffe, das soll nicht mehr lange so dauern. Meine
Freundin Fanny ist bereit, einen körperlichen Eid darauf zu leisten, daß wir
am Vorabend der vollständigen Frauen-Emancipation stehen, und daß es
keine drei Jahre mehr dauern kann, bis daß auch wir mit wählen und mit
im deutschen Reichstag sitzen. Oh, es muß wirklich herzerhebend, es muß
himmlisch, — es muß geradezu reizend sein!

Doch ich darf bei diesem entzückenden Gedanken nicht länger verweilen.


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[0154] können, ob sie hierzu mit allem Material hinreichend versehen wäre? er dieses nicht nur auf das Kräftigste bejahte, sondern auch mit seinem Ehren¬ worte betheuerte. — Die öffentliche Meinung trat, namentlich in der Presse, mit harten An¬ klagen und Beschuldigungen gegen die Heerverwaltungen hervor, man beschul¬ digte sie geradezu des Betrugs und des Unterschleifs, als eine Goldgrube für Alle, welche ungestraft hineingreifen konnten. Unter den Händen, die hierzu das Privilegium gehabt, werden auch die hohen und höchsten Persönlichkeiten genannt. In wie weit das begründet ist, kann hier nicht weiter remittelt werden. Die nächste Zukunft wird auch diesen Schleier heben. (Schluß folgt.) Die Hardinen-Oredigten der Iran Joctor Kratenriecher.. Dritte und letzte Predigt. Handelt von der Frauen-Emancipation, von der Farbenlehre und von der Metamor¬ phose aus „Herr" in „Kerl". Nein, Bratenriecher, das ist doch zu arg. Ich liege jetzt schon Stunden wach zu Bette und höre jedes Viertel schlagen. Und nun kommst Du um halb Drei und verbreitest Odeurs um Dich, die wahrlich mehr nach der Kneipe, als nach Braten riechen. Ich habe mich derweil halb zu Tode geängstigt. Denn es soll ja jetzt so unsicher sein auf den Straßen von Berlin, namentlich nach Mitternacht. Wo bist Du um Gotteswillen so lange geblieben? Also im Bezirks-Verein? „Es war gar zu herzerhebend da", sagst Du? Ja, das wäre ja Alles gut, wenn ich mit dabei sein könnte. Es heißt ja doch einmal: Zwei Seelen und ein Gedanke, zwei Herzen und ein Schlag. Wenn aber die zwei Herzen einen Schlag haben und sich mit einander er¬ heben sollen, dann dürfen sie doch nicht immer räumlich von einander ge¬ trennt sein. Doch ich hoffe, das soll nicht mehr lange so dauern. Meine Freundin Fanny ist bereit, einen körperlichen Eid darauf zu leisten, daß wir am Vorabend der vollständigen Frauen-Emancipation stehen, und daß es keine drei Jahre mehr dauern kann, bis daß auch wir mit wählen und mit im deutschen Reichstag sitzen. Oh, es muß wirklich herzerhebend, es muß himmlisch, — es muß geradezu reizend sein! Doch ich darf bei diesem entzückenden Gedanken nicht länger verweilen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/154>, abgerufen am 22.07.2024.