Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den Kampf in der Wahlagitation wie im Ständesaal aufnehmen können.
Das wird ihnen nun nichts helfen, wenn die Regierung fest an ihrem
bisherigen Standpunkte hält und es ihr auch ferner gelingt, einflußreiche Ge-
genwirkungen im Schach zu halten. Die Frage ist nur, ob nicht die letzteren
an der Haltung Bayern's unerwartet wieder eine Stütze finden und einen
letzten Anlauf versuchen. Und für diesen Fall ist es wirklich ein Un¬
glück, wenn die nächste Kammer nicht eine charaktervolle nationale Mehrheit
aufweist.

Eine Lehre ist aus diesem zähen Widerstand, der noch mehr im Volke
seinen Sitz hat, als in der Regierung, unschwer zu entnehmen: im Frieden
wäre es uns nimmer gelungen, die Einheit zu vollenden, und wir haben den
Krieg zu preisen, auch wenn er uns nicht die volle Einheit schafft, wenn, er
sie auch nur um ein gutes Stück weiterführt. Unter diesen Umständen ist
das Unglück zu ertragen, wenn es nicht gelingen sollte, den ganzen Süden
auf einmal in die Bundesgemeinschaft hineinzuziehen. Bis der letzte wider¬
strebende Staat kommt, ist der übrige Süden um so gewisser in den Bund
eingewöhnt, und es vollzieht sich auch in diesem Stadium wieder das Gesetz
unsrer nationalen Entwicklung, das vom Kern des preußischen Staates aus,
je nach ihrer Reife, die übrigen deutschen Länder dem deutschen Staate
gewinnt.


7-


Kriegsbericht.
Die deutsche Verfassung und die Aussicht auf Frieden.

Nach längeren Verhandlungen ist es gelungen, zu Versailles den Ein¬
tritt der Südstaaten in den deutschen Bund zu sichern. Die Verträge mit Baden
und Hessen sind unterzeichnet und liegen bereits dem Bundesrath zu Berlin
vor, auch mit Württemberg ist abgeschlossen, mit Bayern verabredet, die
Unterzeichnung der Verträge soll demnächst zu Berlin stattfinden. Der Ab¬
schluß erfolgte in der Weise, daß den Verträgen mit Baden und Hessen ein Ver¬
fassungsentwurf zu Grunde gelegt wurde, welcher die vereinbarte Verfassung
des norddeutschen Bundes in wichtigen Punkten modi^cire, zugleich mit Rücksicht
auf Bayern und Württemberg. Ueber diesen neuen Verfassungsentwurf wurden
mit den einzelnen Staaten besondere Verträge geschlossen oder punctirt, welche
für die Großherzogthümer Baden und Hessen im Ganzen die Stellung schaffen,
welche die Großherzogthümer des Nordhundes haben: Disposition über das


den Kampf in der Wahlagitation wie im Ständesaal aufnehmen können.
Das wird ihnen nun nichts helfen, wenn die Regierung fest an ihrem
bisherigen Standpunkte hält und es ihr auch ferner gelingt, einflußreiche Ge-
genwirkungen im Schach zu halten. Die Frage ist nur, ob nicht die letzteren
an der Haltung Bayern's unerwartet wieder eine Stütze finden und einen
letzten Anlauf versuchen. Und für diesen Fall ist es wirklich ein Un¬
glück, wenn die nächste Kammer nicht eine charaktervolle nationale Mehrheit
aufweist.

Eine Lehre ist aus diesem zähen Widerstand, der noch mehr im Volke
seinen Sitz hat, als in der Regierung, unschwer zu entnehmen: im Frieden
wäre es uns nimmer gelungen, die Einheit zu vollenden, und wir haben den
Krieg zu preisen, auch wenn er uns nicht die volle Einheit schafft, wenn, er
sie auch nur um ein gutes Stück weiterführt. Unter diesen Umständen ist
das Unglück zu ertragen, wenn es nicht gelingen sollte, den ganzen Süden
auf einmal in die Bundesgemeinschaft hineinzuziehen. Bis der letzte wider¬
strebende Staat kommt, ist der übrige Süden um so gewisser in den Bund
eingewöhnt, und es vollzieht sich auch in diesem Stadium wieder das Gesetz
unsrer nationalen Entwicklung, das vom Kern des preußischen Staates aus,
je nach ihrer Reife, die übrigen deutschen Länder dem deutschen Staate
gewinnt.


7-


Kriegsbericht.
Die deutsche Verfassung und die Aussicht auf Frieden.

Nach längeren Verhandlungen ist es gelungen, zu Versailles den Ein¬
tritt der Südstaaten in den deutschen Bund zu sichern. Die Verträge mit Baden
und Hessen sind unterzeichnet und liegen bereits dem Bundesrath zu Berlin
vor, auch mit Württemberg ist abgeschlossen, mit Bayern verabredet, die
Unterzeichnung der Verträge soll demnächst zu Berlin stattfinden. Der Ab¬
schluß erfolgte in der Weise, daß den Verträgen mit Baden und Hessen ein Ver¬
fassungsentwurf zu Grunde gelegt wurde, welcher die vereinbarte Verfassung
des norddeutschen Bundes in wichtigen Punkten modi^cire, zugleich mit Rücksicht
auf Bayern und Württemberg. Ueber diesen neuen Verfassungsentwurf wurden
mit den einzelnen Staaten besondere Verträge geschlossen oder punctirt, welche
für die Großherzogthümer Baden und Hessen im Ganzen die Stellung schaffen,
welche die Großherzogthümer des Nordhundes haben: Disposition über das


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0365" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125071"/>
          <p xml:id="ID_1096" prev="#ID_1095"> den Kampf in der Wahlagitation wie im Ständesaal aufnehmen können.<lb/>
Das wird ihnen nun nichts helfen, wenn die Regierung fest an ihrem<lb/>
bisherigen Standpunkte hält und es ihr auch ferner gelingt, einflußreiche Ge-<lb/>
genwirkungen im Schach zu halten. Die Frage ist nur, ob nicht die letzteren<lb/>
an der Haltung Bayern's unerwartet wieder eine Stütze finden und einen<lb/>
letzten Anlauf versuchen. Und für diesen Fall ist es wirklich ein Un¬<lb/>
glück, wenn die nächste Kammer nicht eine charaktervolle nationale Mehrheit<lb/>
aufweist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1097"> Eine Lehre ist aus diesem zähen Widerstand, der noch mehr im Volke<lb/>
seinen Sitz hat, als in der Regierung, unschwer zu entnehmen: im Frieden<lb/>
wäre es uns nimmer gelungen, die Einheit zu vollenden, und wir haben den<lb/>
Krieg zu preisen, auch wenn er uns nicht die volle Einheit schafft, wenn, er<lb/>
sie auch nur um ein gutes Stück weiterführt. Unter diesen Umständen ist<lb/>
das Unglück zu ertragen, wenn es nicht gelingen sollte, den ganzen Süden<lb/>
auf einmal in die Bundesgemeinschaft hineinzuziehen. Bis der letzte wider¬<lb/>
strebende Staat kommt, ist der übrige Süden um so gewisser in den Bund<lb/>
eingewöhnt, und es vollzieht sich auch in diesem Stadium wieder das Gesetz<lb/>
unsrer nationalen Entwicklung, das vom Kern des preußischen Staates aus,<lb/>
je nach ihrer Reife, die übrigen deutschen Länder dem deutschen Staate<lb/>
gewinnt.</p><lb/>
          <note type="byline"> 7-</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Kriegsbericht.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Die deutsche Verfassung und die Aussicht auf Frieden.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1098" next="#ID_1099"> Nach längeren Verhandlungen ist es gelungen, zu Versailles den Ein¬<lb/>
tritt der Südstaaten in den deutschen Bund zu sichern. Die Verträge mit Baden<lb/>
und Hessen sind unterzeichnet und liegen bereits dem Bundesrath zu Berlin<lb/>
vor, auch mit Württemberg ist abgeschlossen, mit Bayern verabredet, die<lb/>
Unterzeichnung der Verträge soll demnächst zu Berlin stattfinden. Der Ab¬<lb/>
schluß erfolgte in der Weise, daß den Verträgen mit Baden und Hessen ein Ver¬<lb/>
fassungsentwurf zu Grunde gelegt wurde, welcher die vereinbarte Verfassung<lb/>
des norddeutschen Bundes in wichtigen Punkten modi^cire, zugleich mit Rücksicht<lb/>
auf Bayern und Württemberg. Ueber diesen neuen Verfassungsentwurf wurden<lb/>
mit den einzelnen Staaten besondere Verträge geschlossen oder punctirt, welche<lb/>
für die Großherzogthümer Baden und Hessen im Ganzen die Stellung schaffen,<lb/>
welche die Großherzogthümer des Nordhundes haben: Disposition über das</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0365] den Kampf in der Wahlagitation wie im Ständesaal aufnehmen können. Das wird ihnen nun nichts helfen, wenn die Regierung fest an ihrem bisherigen Standpunkte hält und es ihr auch ferner gelingt, einflußreiche Ge- genwirkungen im Schach zu halten. Die Frage ist nur, ob nicht die letzteren an der Haltung Bayern's unerwartet wieder eine Stütze finden und einen letzten Anlauf versuchen. Und für diesen Fall ist es wirklich ein Un¬ glück, wenn die nächste Kammer nicht eine charaktervolle nationale Mehrheit aufweist. Eine Lehre ist aus diesem zähen Widerstand, der noch mehr im Volke seinen Sitz hat, als in der Regierung, unschwer zu entnehmen: im Frieden wäre es uns nimmer gelungen, die Einheit zu vollenden, und wir haben den Krieg zu preisen, auch wenn er uns nicht die volle Einheit schafft, wenn, er sie auch nur um ein gutes Stück weiterführt. Unter diesen Umständen ist das Unglück zu ertragen, wenn es nicht gelingen sollte, den ganzen Süden auf einmal in die Bundesgemeinschaft hineinzuziehen. Bis der letzte wider¬ strebende Staat kommt, ist der übrige Süden um so gewisser in den Bund eingewöhnt, und es vollzieht sich auch in diesem Stadium wieder das Gesetz unsrer nationalen Entwicklung, das vom Kern des preußischen Staates aus, je nach ihrer Reife, die übrigen deutschen Länder dem deutschen Staate gewinnt. 7- Kriegsbericht. Die deutsche Verfassung und die Aussicht auf Frieden. Nach längeren Verhandlungen ist es gelungen, zu Versailles den Ein¬ tritt der Südstaaten in den deutschen Bund zu sichern. Die Verträge mit Baden und Hessen sind unterzeichnet und liegen bereits dem Bundesrath zu Berlin vor, auch mit Württemberg ist abgeschlossen, mit Bayern verabredet, die Unterzeichnung der Verträge soll demnächst zu Berlin stattfinden. Der Ab¬ schluß erfolgte in der Weise, daß den Verträgen mit Baden und Hessen ein Ver¬ fassungsentwurf zu Grunde gelegt wurde, welcher die vereinbarte Verfassung des norddeutschen Bundes in wichtigen Punkten modi^cire, zugleich mit Rücksicht auf Bayern und Württemberg. Ueber diesen neuen Verfassungsentwurf wurden mit den einzelnen Staaten besondere Verträge geschlossen oder punctirt, welche für die Großherzogthümer Baden und Hessen im Ganzen die Stellung schaffen, welche die Großherzogthümer des Nordhundes haben: Disposition über das

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/365
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/365>, abgerufen am 22.12.2024.