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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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dies Stück über 10 Jahre alt (op. 11) ist, und durchaus nicht in die Reihe
meiner jetzigen Sachen paßt. Können Sie die Ausführung noch verhindern,
so thun Sie mir einen Gefallen, können Sie es nicht, so wird es Ihnen ein
Leichtes sein auf eine oder die andere Art unter Ihren Bekannten es zu
sagen, daß diese Sinfonie ox. 11 ist, o. h. daß sie von einem Jungen ge¬
macht ist, der kaum 15 Jahr war, daß sie seit 6 Jahren beim Verleger lag,
daß Sie vor 7 Jahren schon einmal in Leipzig in den Concerten ausgeführt
worden ist "te- Es wäre mir lieb, wenn das im Publicum vor der Auf¬
führung bekannt würde, u. wenn Sie es veranlassen können, würden Sie mir
einen Gefallen damit thun, weil mir das Stück wirklich kindisch vorkommt.
Es wäre sehr schön und liebenswürdig von Ihnen, wenn Sie zum Musikfest
kämen, ich glaube es wird ein ausgezeichnet schönes Fest werden; aber auf
das Vergnügen mit Ihnen darauf in die Schweiz zu reisen muß ich doch
leider verzichten, da mich meine Verbindungen hier bis Mitte Juli auf jeden
Fall, vielleicht noch länger festhalten, und es sogar zu meinem großen Leid¬
wesen wieder unbestimmt ist ob ich überhaupt reisen kann. Ein Abstecher
nach Cöln zum Fest würde für Sie gewiß der Mühe werth sein, und ich
glaube kaum, daß Sie ihn bereuen würden. Der Händel in der ursprüng¬
lichen Gestalt mit Orgel durchgehends begleitet neben seinen 3 Trompeten,
Pauken ete. in Fülle, u. der neue Cherubini sind gewiß gute Belohnungen
für einen Umweg. -- Daß aber in Seb. Bachs Sonaten manche Stücke so
sind, als seien sie heut gemacht, darin bin ich durchaus nicht Ihrer Mei¬
nung. Ich wüßte nicht, von wem? Nun leben Sie wohl u. verzeihen Sie
die Eile und den kaum Brief zu nennenden Brief Ihres


ergebner
Felix Mendelssohn Bartholdy.

Düsseldorf den 10. April 35.


S.

Düsseldorf den 17. Juli 35.


Hochgeehrte Frau

Längst schon hätte ich Ihnen für Ihre freundlichen Zeilen und das mich
so ehrende und erfreuende Gedicht, das Sie mir geschenkt, meinen Dank ge¬
sagt, aber das unangenehmste Hinderniß hielt mich davon ab. Meine Ellern
waren Wie Sie wissen von Cöln aus mit hierher gereist, wir lebten hier sehr ver¬
gnügt, sahen uns in der Gegend um und alles ließ sich zu einem lustigen
Sommer an, da wurde meine Mutter in Folge der ihr ungewohnten An¬
strengungen, und namentlich aus Schreck über einen Fall des Wagens der
bei einer Landparthie umgeworfen wurde, so gefährlich krank, daß wir im
ersten Augenblick das Schlimmste fürchten mußten. Seitdem besserte sich es
aber, Gott sei Dank zusehends, und nun ist sie wieder so weit hergestellt,


dies Stück über 10 Jahre alt (op. 11) ist, und durchaus nicht in die Reihe
meiner jetzigen Sachen paßt. Können Sie die Ausführung noch verhindern,
so thun Sie mir einen Gefallen, können Sie es nicht, so wird es Ihnen ein
Leichtes sein auf eine oder die andere Art unter Ihren Bekannten es zu
sagen, daß diese Sinfonie ox. 11 ist, o. h. daß sie von einem Jungen ge¬
macht ist, der kaum 15 Jahr war, daß sie seit 6 Jahren beim Verleger lag,
daß Sie vor 7 Jahren schon einmal in Leipzig in den Concerten ausgeführt
worden ist «te- Es wäre mir lieb, wenn das im Publicum vor der Auf¬
führung bekannt würde, u. wenn Sie es veranlassen können, würden Sie mir
einen Gefallen damit thun, weil mir das Stück wirklich kindisch vorkommt.
Es wäre sehr schön und liebenswürdig von Ihnen, wenn Sie zum Musikfest
kämen, ich glaube es wird ein ausgezeichnet schönes Fest werden; aber auf
das Vergnügen mit Ihnen darauf in die Schweiz zu reisen muß ich doch
leider verzichten, da mich meine Verbindungen hier bis Mitte Juli auf jeden
Fall, vielleicht noch länger festhalten, und es sogar zu meinem großen Leid¬
wesen wieder unbestimmt ist ob ich überhaupt reisen kann. Ein Abstecher
nach Cöln zum Fest würde für Sie gewiß der Mühe werth sein, und ich
glaube kaum, daß Sie ihn bereuen würden. Der Händel in der ursprüng¬
lichen Gestalt mit Orgel durchgehends begleitet neben seinen 3 Trompeten,
Pauken ete. in Fülle, u. der neue Cherubini sind gewiß gute Belohnungen
für einen Umweg. — Daß aber in Seb. Bachs Sonaten manche Stücke so
sind, als seien sie heut gemacht, darin bin ich durchaus nicht Ihrer Mei¬
nung. Ich wüßte nicht, von wem? Nun leben Sie wohl u. verzeihen Sie
die Eile und den kaum Brief zu nennenden Brief Ihres


ergebner
Felix Mendelssohn Bartholdy.

Düsseldorf den 10. April 35.


S.

Düsseldorf den 17. Juli 35.


Hochgeehrte Frau

Längst schon hätte ich Ihnen für Ihre freundlichen Zeilen und das mich
so ehrende und erfreuende Gedicht, das Sie mir geschenkt, meinen Dank ge¬
sagt, aber das unangenehmste Hinderniß hielt mich davon ab. Meine Ellern
waren Wie Sie wissen von Cöln aus mit hierher gereist, wir lebten hier sehr ver¬
gnügt, sahen uns in der Gegend um und alles ließ sich zu einem lustigen
Sommer an, da wurde meine Mutter in Folge der ihr ungewohnten An¬
strengungen, und namentlich aus Schreck über einen Fall des Wagens der
bei einer Landparthie umgeworfen wurde, so gefährlich krank, daß wir im
ersten Augenblick das Schlimmste fürchten mußten. Seitdem besserte sich es
aber, Gott sei Dank zusehends, und nun ist sie wieder so weit hergestellt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/356>, abgerufen am 22.12.2024.