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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Händen, die fehlerhafte Politik in Zukunft zu vermeiden, deren bittre Früchte es
jetzt erntet. Das deutsche Volk wird keinen Augenblick zögern in der Entschei¬
dung, wenn es die Wahl hat zwischen einem Bündniß mit dem stammver¬
wandten Oestreich und dem halbaflatischen Czaarenreich, sobald nur die öst¬
reichische Regierung eine Politik einschlägt, welche ihm dafür bürgt, daß die
deutschfeindlichen Elementein Oestreich für immer ihres Einflusses beraubt sind.

Das Resultat unserer Betrachtung ist also, daß Oestreich den Verdruß
über Rußlands Auftreten sich selbst zuzuschreiben hat, da seine Fehler Preu¬
ßen mit unausweichlicher Nothwendigkeit in Rußlands Arme treiben mußten,
-- daß es aber keinen Grund hat. aus dieser an sich unbedrohlichen Ver¬
besserung in der Stellung Rußlands Besorgnisse sür die Zukunft zu schöpfen,
am allerwenigsten dann, wenn es künftig die Fehler seiner Vergangenheit ver¬
meidet, und in ehrlicher Weise Deutschland entgegenkommt, das von dem
Augenblick seiner Constituirung an nur darauf wartet, in die gebotene
Rechte einzuschlagen.


E. v. H.


Acht Briefe von Felix Mendelssohn-ÄartholdL.

Die nachstehenden Briefe Mendelssohn's, in den Jahren 1834--39 an
die kunstsinnige Gattin eines Leipziger Kaufmanns gerichtet, dessen Haus den
in Leipzig wohnenden wie durchreisenden Musikern gastfreundlich offen stand,
geben noch einige wohlthuend frische und warme Töne zu dem lebensvollen
Bilde des liebenswürdigen Meisters, welches den Nachlebenden in den von
Paul Mendelssohn-Bartholdy herausgegebenen Briefen und in Eduard
Devrient's "Erinnerungen" überliefert ist. Weshalb in der Sammlung der
Briefe, deren Herausgeber sie seiner Zeit eingesandt worden, keiner von ihnen
Aufnahme gefunden hat, ist uns nicht bekannt. Wir möchten aber glauben,
daß die fast zu peinliche Zurückhaltung, welche bei der Auswahl beobachtet
worden zu sein scheint, überhaupt für eine Nachlese noch reiflicher Stoff
übrig gelassen habe. Jedenfalls dürfen wir hoffen, mit der nachstehenden
Veröffentlichung unsern Lesern eine willkommene Gabe zu bieten.

1.

Düsseldorf, den 19. November 1834.


Hochgeehrte Frau

Entschuldigen Sie die späte Beantwortung Ihrer freundlichen Zeilen,
viele Geschäfte, und theils langweiliger, unangenehmer Natur hinderten mich,


Händen, die fehlerhafte Politik in Zukunft zu vermeiden, deren bittre Früchte es
jetzt erntet. Das deutsche Volk wird keinen Augenblick zögern in der Entschei¬
dung, wenn es die Wahl hat zwischen einem Bündniß mit dem stammver¬
wandten Oestreich und dem halbaflatischen Czaarenreich, sobald nur die öst¬
reichische Regierung eine Politik einschlägt, welche ihm dafür bürgt, daß die
deutschfeindlichen Elementein Oestreich für immer ihres Einflusses beraubt sind.

Das Resultat unserer Betrachtung ist also, daß Oestreich den Verdruß
über Rußlands Auftreten sich selbst zuzuschreiben hat, da seine Fehler Preu¬
ßen mit unausweichlicher Nothwendigkeit in Rußlands Arme treiben mußten,
— daß es aber keinen Grund hat. aus dieser an sich unbedrohlichen Ver¬
besserung in der Stellung Rußlands Besorgnisse sür die Zukunft zu schöpfen,
am allerwenigsten dann, wenn es künftig die Fehler seiner Vergangenheit ver¬
meidet, und in ehrlicher Weise Deutschland entgegenkommt, das von dem
Augenblick seiner Constituirung an nur darauf wartet, in die gebotene
Rechte einzuschlagen.


E. v. H.


Acht Briefe von Felix Mendelssohn-ÄartholdL.

Die nachstehenden Briefe Mendelssohn's, in den Jahren 1834—39 an
die kunstsinnige Gattin eines Leipziger Kaufmanns gerichtet, dessen Haus den
in Leipzig wohnenden wie durchreisenden Musikern gastfreundlich offen stand,
geben noch einige wohlthuend frische und warme Töne zu dem lebensvollen
Bilde des liebenswürdigen Meisters, welches den Nachlebenden in den von
Paul Mendelssohn-Bartholdy herausgegebenen Briefen und in Eduard
Devrient's „Erinnerungen" überliefert ist. Weshalb in der Sammlung der
Briefe, deren Herausgeber sie seiner Zeit eingesandt worden, keiner von ihnen
Aufnahme gefunden hat, ist uns nicht bekannt. Wir möchten aber glauben,
daß die fast zu peinliche Zurückhaltung, welche bei der Auswahl beobachtet
worden zu sein scheint, überhaupt für eine Nachlese noch reiflicher Stoff
übrig gelassen habe. Jedenfalls dürfen wir hoffen, mit der nachstehenden
Veröffentlichung unsern Lesern eine willkommene Gabe zu bieten.

1.

Düsseldorf, den 19. November 1834.


Hochgeehrte Frau

Entschuldigen Sie die späte Beantwortung Ihrer freundlichen Zeilen,
viele Geschäfte, und theils langweiliger, unangenehmer Natur hinderten mich,


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[0351] Händen, die fehlerhafte Politik in Zukunft zu vermeiden, deren bittre Früchte es jetzt erntet. Das deutsche Volk wird keinen Augenblick zögern in der Entschei¬ dung, wenn es die Wahl hat zwischen einem Bündniß mit dem stammver¬ wandten Oestreich und dem halbaflatischen Czaarenreich, sobald nur die öst¬ reichische Regierung eine Politik einschlägt, welche ihm dafür bürgt, daß die deutschfeindlichen Elementein Oestreich für immer ihres Einflusses beraubt sind. Das Resultat unserer Betrachtung ist also, daß Oestreich den Verdruß über Rußlands Auftreten sich selbst zuzuschreiben hat, da seine Fehler Preu¬ ßen mit unausweichlicher Nothwendigkeit in Rußlands Arme treiben mußten, — daß es aber keinen Grund hat. aus dieser an sich unbedrohlichen Ver¬ besserung in der Stellung Rußlands Besorgnisse sür die Zukunft zu schöpfen, am allerwenigsten dann, wenn es künftig die Fehler seiner Vergangenheit ver¬ meidet, und in ehrlicher Weise Deutschland entgegenkommt, das von dem Augenblick seiner Constituirung an nur darauf wartet, in die gebotene Rechte einzuschlagen. E. v. H. Acht Briefe von Felix Mendelssohn-ÄartholdL. Die nachstehenden Briefe Mendelssohn's, in den Jahren 1834—39 an die kunstsinnige Gattin eines Leipziger Kaufmanns gerichtet, dessen Haus den in Leipzig wohnenden wie durchreisenden Musikern gastfreundlich offen stand, geben noch einige wohlthuend frische und warme Töne zu dem lebensvollen Bilde des liebenswürdigen Meisters, welches den Nachlebenden in den von Paul Mendelssohn-Bartholdy herausgegebenen Briefen und in Eduard Devrient's „Erinnerungen" überliefert ist. Weshalb in der Sammlung der Briefe, deren Herausgeber sie seiner Zeit eingesandt worden, keiner von ihnen Aufnahme gefunden hat, ist uns nicht bekannt. Wir möchten aber glauben, daß die fast zu peinliche Zurückhaltung, welche bei der Auswahl beobachtet worden zu sein scheint, überhaupt für eine Nachlese noch reiflicher Stoff übrig gelassen habe. Jedenfalls dürfen wir hoffen, mit der nachstehenden Veröffentlichung unsern Lesern eine willkommene Gabe zu bieten. 1. Düsseldorf, den 19. November 1834. Hochgeehrte Frau Entschuldigen Sie die späte Beantwortung Ihrer freundlichen Zeilen, viele Geschäfte, und theils langweiliger, unangenehmer Natur hinderten mich,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/351>, abgerufen am 22.12.2024.