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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Immermann's Leben.

K. Immermann. Sein Leben und seine Werke aus Tagebüchern und Briefen an
seine Familie zusammengestellt, herausgegeben von G. zu PuttliH. 2 Bde. 1370.
Berlin. W. Hertz.

Das vorliegende Buch gibt mehr als sein Titel und das anmuthige
Vorwort verspricht. Es ist nicht blos eine Biographie des Dichters, der sich
einen dauernden Platz in der deutschen Literaturgeschichte erobert, sondern ein
bedeutsamer Beitrag zur Geschichte seiner Zeit. Die Schilderung des Düssel¬
dorfer Lebens, die Bildnisse aus dem Kreise der Freunde Immermann's, wie
die Gräfin Ahlefeldt, Frau v. Sybel, Michael Baer u. A. haben ihren
Werth ganz unabhängig von dem Dichterleben, um das sie sich hier grup-
piren. Dazu kommt eine große Unparteilichkeit in der Würdigung Immer¬
mann's, die um so höher anzuschlagen ist, als offenbar "die Hand im Kreise
der Verwandtschaft", welcher wir, wie Puttlitz uns fagt, diese Biographie
verdanken, dem Dichter sehr nahe gewaltet haben muß. Man wird ein¬
zelne Urtheile nicht oder nicht ganz unterschreiben können, aber man wird
schwerlich die kritische Unbefangenheit des Biographen darin vermissen, nur
im Anfang könnten wir hie und da größere Kürze und ein Uebergehen von
Umständen wünschen, welche für des Dichters Entwickelung nicht ma߬
gebend waren. Einen besonderen Werth haben dagegen die geschickt in
die Erzählung verwebten Auszüge aus Immermann's Tagebüchern und son¬
stigen handschriftlichen Aufzeichnungrn, welche das Bild dieser oft irrenden,
aber eigenartig bedeutenden Persönlichkeit sich hoch über die Mädeben seiner
Zeit erheben lassen.

Wir können die Jugendjahre des Dichters hier um so mehr übergehen,
als derselbe sie bekanntlich unübertrefflich im ersten Bande seiner Memora-
bilien geschildert. Spartanisch streng erzogen wuchs Immermann in den
altpreußisch'protestantischen Traditionen auf, welche durch die napoleonssche
Zeit unsanft erschüttert wurden, er machte den Feldzug von 1815 mit. kehrte
nach der Einnahme von Paris zu seinen Studien zurück, trat der studenti¬
schen Rohheit, welche sich damals vielfach so breit machte, muthig und er-


Vrenzboten IV. 1870. 36
Immermann's Leben.

K. Immermann. Sein Leben und seine Werke aus Tagebüchern und Briefen an
seine Familie zusammengestellt, herausgegeben von G. zu PuttliH. 2 Bde. 1370.
Berlin. W. Hertz.

Das vorliegende Buch gibt mehr als sein Titel und das anmuthige
Vorwort verspricht. Es ist nicht blos eine Biographie des Dichters, der sich
einen dauernden Platz in der deutschen Literaturgeschichte erobert, sondern ein
bedeutsamer Beitrag zur Geschichte seiner Zeit. Die Schilderung des Düssel¬
dorfer Lebens, die Bildnisse aus dem Kreise der Freunde Immermann's, wie
die Gräfin Ahlefeldt, Frau v. Sybel, Michael Baer u. A. haben ihren
Werth ganz unabhängig von dem Dichterleben, um das sie sich hier grup-
piren. Dazu kommt eine große Unparteilichkeit in der Würdigung Immer¬
mann's, die um so höher anzuschlagen ist, als offenbar „die Hand im Kreise
der Verwandtschaft", welcher wir, wie Puttlitz uns fagt, diese Biographie
verdanken, dem Dichter sehr nahe gewaltet haben muß. Man wird ein¬
zelne Urtheile nicht oder nicht ganz unterschreiben können, aber man wird
schwerlich die kritische Unbefangenheit des Biographen darin vermissen, nur
im Anfang könnten wir hie und da größere Kürze und ein Uebergehen von
Umständen wünschen, welche für des Dichters Entwickelung nicht ma߬
gebend waren. Einen besonderen Werth haben dagegen die geschickt in
die Erzählung verwebten Auszüge aus Immermann's Tagebüchern und son¬
stigen handschriftlichen Aufzeichnungrn, welche das Bild dieser oft irrenden,
aber eigenartig bedeutenden Persönlichkeit sich hoch über die Mädeben seiner
Zeit erheben lassen.

Wir können die Jugendjahre des Dichters hier um so mehr übergehen,
als derselbe sie bekanntlich unübertrefflich im ersten Bande seiner Memora-
bilien geschildert. Spartanisch streng erzogen wuchs Immermann in den
altpreußisch'protestantischen Traditionen auf, welche durch die napoleonssche
Zeit unsanft erschüttert wurden, er machte den Feldzug von 1815 mit. kehrte
nach der Einnahme von Paris zu seinen Studien zurück, trat der studenti¬
schen Rohheit, welche sich damals vielfach so breit machte, muthig und er-


Vrenzboten IV. 1870. 36
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[0289] Immermann's Leben. K. Immermann. Sein Leben und seine Werke aus Tagebüchern und Briefen an seine Familie zusammengestellt, herausgegeben von G. zu PuttliH. 2 Bde. 1370. Berlin. W. Hertz. Das vorliegende Buch gibt mehr als sein Titel und das anmuthige Vorwort verspricht. Es ist nicht blos eine Biographie des Dichters, der sich einen dauernden Platz in der deutschen Literaturgeschichte erobert, sondern ein bedeutsamer Beitrag zur Geschichte seiner Zeit. Die Schilderung des Düssel¬ dorfer Lebens, die Bildnisse aus dem Kreise der Freunde Immermann's, wie die Gräfin Ahlefeldt, Frau v. Sybel, Michael Baer u. A. haben ihren Werth ganz unabhängig von dem Dichterleben, um das sie sich hier grup- piren. Dazu kommt eine große Unparteilichkeit in der Würdigung Immer¬ mann's, die um so höher anzuschlagen ist, als offenbar „die Hand im Kreise der Verwandtschaft", welcher wir, wie Puttlitz uns fagt, diese Biographie verdanken, dem Dichter sehr nahe gewaltet haben muß. Man wird ein¬ zelne Urtheile nicht oder nicht ganz unterschreiben können, aber man wird schwerlich die kritische Unbefangenheit des Biographen darin vermissen, nur im Anfang könnten wir hie und da größere Kürze und ein Uebergehen von Umständen wünschen, welche für des Dichters Entwickelung nicht ma߬ gebend waren. Einen besonderen Werth haben dagegen die geschickt in die Erzählung verwebten Auszüge aus Immermann's Tagebüchern und son¬ stigen handschriftlichen Aufzeichnungrn, welche das Bild dieser oft irrenden, aber eigenartig bedeutenden Persönlichkeit sich hoch über die Mädeben seiner Zeit erheben lassen. Wir können die Jugendjahre des Dichters hier um so mehr übergehen, als derselbe sie bekanntlich unübertrefflich im ersten Bande seiner Memora- bilien geschildert. Spartanisch streng erzogen wuchs Immermann in den altpreußisch'protestantischen Traditionen auf, welche durch die napoleonssche Zeit unsanft erschüttert wurden, er machte den Feldzug von 1815 mit. kehrte nach der Einnahme von Paris zu seinen Studien zurück, trat der studenti¬ schen Rohheit, welche sich damals vielfach so breit machte, muthig und er- Vrenzboten IV. 1870. 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/289>, abgerufen am 22.12.2024.