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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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nicht, wie sie Franzosen schreiben, kau" uns je das Weltgericht bedeuten!
Drum heran, ihr Kanonen, macht euch bereit, gegen die mehr als verworfene
a./D. Stadt "die eiserne Entrüstung auszuspei'n!"




Ein Wort gegen den Drang nach Colonialbesitz.

Als Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg endlich nach seines Herzens
Wunsche die Königskrone auf seinem Haupte sah, da hielt er es für unum¬
gänglich geboten, auch eine Mätresse anzuschaffen. Er promenirte mit ihr zu
bestimmten Stunden in ehrbaren Gespräche vor den Augen des Hofes eine
Gallerie auf und nieder. Uebrigens blieb sein Familienleben durchaus sittlich
tadellos, wie es gewesen; er genoß aber nun das erhebende Gefühl, auch
in eigentlich unanständigen Dingen dem Anstünde eines Königs ü. !g, Louis XIV.
nichts zu vergeben. Man wird es hart finden, aber ich muß es einmal
sagen: ganz ähnlich kommen mir die Leute vor, die heutzutage meinen, wir
Deutsche, da wir ein so großes Volk geworden, müßten doch nun auch un¬
sere Colonien haben.

Gleich nachdem man in den fünfziger Jahren begonnen hatte, das
preußische Seewesen allmälig auszubilden, tauchten dahin zielende Wünsche
auf; die Erwerbung der Jahde, die Besitznahme von Kiel, endlich vor Allem
die Gründung des norddeutschen Bundes mit seiner einheitlichen Marine
nährten sie dann mehr und mehr; Gerüchte von Staatsverhandlungen über
Colonialerwerb, Entwürfe und Rathschläge von Privatleuten erschienen dann
und wann in den Zeitungen. Auch aus den nationalgesinnten Broschüren,
welche das Jahr 1866 hervorrief, klang häufig neben allem freudigen Stolze
doch auch die elegische Klage hervor, daß Norddeutschland nun zwar eine an¬
sehnliche Großmacht geworden sei im Sinne der alten Pentarchie, daß es
sich aber weitaus nicht messen könne mit den eigentlichen Weltmächten, der
Union, England und Nußland. Man wies hin auf unsere Handelsmarine,
die an Tonnengehalt den dritten Rang unter allen behaupte, gleich hinter
der britischen und amerikanischen. Man begehrte nun auch ein schleuniges
Wachsthum unserer Kriegsflotte, die den Völkern jenseits des Oceans ver¬
künden müsse, "auch Preußen und Deutschland habe seine Consuln mit Ka¬
nonen." Und so geht selbst jetzt in diesem unvergleichlichen Momente un¬
seres höchsten Kriegsruhms, inmitten der erfreulichsten Aussichten auf gerechte
und heilsame Friedenserrungenschaften, ein Gefühl durch die Seele manches
Vaterlandsfreunves, dem wir am besten Ausdruck geben durch das Urtheil,
welches Ranke einmal über das Reich Karls des Großen ausspricht: "Wie
mächtig das Reich auch sein mochte, so war es doch nicht mächtig genug;
auf dem Festlande hatte es alle Feinde bezwungen und hinter wohl befestig.


nicht, wie sie Franzosen schreiben, kau» uns je das Weltgericht bedeuten!
Drum heran, ihr Kanonen, macht euch bereit, gegen die mehr als verworfene
a./D. Stadt „die eiserne Entrüstung auszuspei'n!"




Ein Wort gegen den Drang nach Colonialbesitz.

Als Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg endlich nach seines Herzens
Wunsche die Königskrone auf seinem Haupte sah, da hielt er es für unum¬
gänglich geboten, auch eine Mätresse anzuschaffen. Er promenirte mit ihr zu
bestimmten Stunden in ehrbaren Gespräche vor den Augen des Hofes eine
Gallerie auf und nieder. Uebrigens blieb sein Familienleben durchaus sittlich
tadellos, wie es gewesen; er genoß aber nun das erhebende Gefühl, auch
in eigentlich unanständigen Dingen dem Anstünde eines Königs ü. !g, Louis XIV.
nichts zu vergeben. Man wird es hart finden, aber ich muß es einmal
sagen: ganz ähnlich kommen mir die Leute vor, die heutzutage meinen, wir
Deutsche, da wir ein so großes Volk geworden, müßten doch nun auch un¬
sere Colonien haben.

Gleich nachdem man in den fünfziger Jahren begonnen hatte, das
preußische Seewesen allmälig auszubilden, tauchten dahin zielende Wünsche
auf; die Erwerbung der Jahde, die Besitznahme von Kiel, endlich vor Allem
die Gründung des norddeutschen Bundes mit seiner einheitlichen Marine
nährten sie dann mehr und mehr; Gerüchte von Staatsverhandlungen über
Colonialerwerb, Entwürfe und Rathschläge von Privatleuten erschienen dann
und wann in den Zeitungen. Auch aus den nationalgesinnten Broschüren,
welche das Jahr 1866 hervorrief, klang häufig neben allem freudigen Stolze
doch auch die elegische Klage hervor, daß Norddeutschland nun zwar eine an¬
sehnliche Großmacht geworden sei im Sinne der alten Pentarchie, daß es
sich aber weitaus nicht messen könne mit den eigentlichen Weltmächten, der
Union, England und Nußland. Man wies hin auf unsere Handelsmarine,
die an Tonnengehalt den dritten Rang unter allen behaupte, gleich hinter
der britischen und amerikanischen. Man begehrte nun auch ein schleuniges
Wachsthum unserer Kriegsflotte, die den Völkern jenseits des Oceans ver¬
künden müsse, „auch Preußen und Deutschland habe seine Consuln mit Ka¬
nonen." Und so geht selbst jetzt in diesem unvergleichlichen Momente un¬
seres höchsten Kriegsruhms, inmitten der erfreulichsten Aussichten auf gerechte
und heilsame Friedenserrungenschaften, ein Gefühl durch die Seele manches
Vaterlandsfreunves, dem wir am besten Ausdruck geben durch das Urtheil,
welches Ranke einmal über das Reich Karls des Großen ausspricht: „Wie
mächtig das Reich auch sein mochte, so war es doch nicht mächtig genug;
auf dem Festlande hatte es alle Feinde bezwungen und hinter wohl befestig.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/131>, abgerufen am 22.12.2024.