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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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"werde Schillern schreiben, daß ich in Ihrer Handlung ein Capital hätte. --
"So ficht et, daß man ihm nicht etwa einen nachtheiligen Handel abnöthi-
"gen will. Sie brauchen ihm nicht eher zu schreiben, bis ich von ihm wieder
"Antwort habe und Ihnen das Geld zustelle."

Schiller erfuhr bald, daß Körner seinem Verleger das Capital vor¬
geschossen, und dieser Gedanke machte ihm die alten kleinen Diplomatenkünste
schriftstellerischer Bedrängniß weniger demüthigend: sanguinische Berechnung
der Ablieferungstermine und seiner künftigen Leistungen, Entschuldigungen
und neue unsichere Versprechungen, ausgestellte Anweisungen, deren Accept
ihm keineswegs sicher erschien, u. s. w. Er hat lange treu zu Göschen ge¬
halten. Dennoch wurde das Verhältniß gelockert. Schiller wurde durch die
größeren Mittel und besseren Offerten dem Cotta'schen Verlag gewonnen,
durch seine Reise nach Schwaben zuerst genähert. Die letzte der folgen¬
den Mittheilungen läßt diesen Uebergang erkennen. Die Briefe beginnen
wie folgt:

1.

Weimar, den 8. Jenner 1789. -- Die 16 Dukaten habe ich erhalten
und danke Ihnen werthester Freund. Es ist mir eingefallen, daß das über¬
schickte sechste Heft der Thalia, wenn beyliegende Anmerkungen zur Iphigenie
noch dazu kommen, gegen die Proportion zu groß ausfallen würde, darum
wäre mein Vorschlag, sie ließen in dieses sechste Heft nicht mehr als die
3 ersten Acte setzen und zögen die zwey übrigen, nebst den Anmerkungen in
das siebente Heft herüber, das Sie sogleich können im Druck anfangen lassen.
Damit das sechste aber vollständig wird, sende ich Ihnen hier noch einige
Scenen aus dem heimlichen Gericht, die Nro. 3. nach dem Aufsatz: über die
Freyheit des Dichters u. f. w. eingeschaltet werden. Auch sende ich Ihnen
kommenden Montag noch einiges zum Geisterseher, was noch in das sechste
Heft kommt, ohngefähr 10--12 Blätter. Was den Geisterseher überhaupt
anbetrifft, so sollen Sie gewiß mit der Einrichtung, die ich treffe, zufrieden
seyn. Ich habe nie im Sinn gehabt, ihn ganz in die Thalia zu setzen, aber
der große Vortheil für Sie und für das Werk selbst ist, wenn ich gerade
da abbreche, wo das Interesse und also auch die Erwartung am größten ist.
Dieses ist ungefähr am Ende des dritten Viertels. Das lezte Viertel kommt
nicht in die Thalia, auch werden in dem bisher gedruckten noch hie und da
Veränderungen gemacht. Lassen Sie mich wissen, ob Sie mit Anfang des
Februars mit dem Druck der vollständigen Edition des Geistersehers wollen
anfangen lassen. Sie können sich, was das Papier anbetrifft, auf 24 Bogen
richten, und für die Ostermesse sicher auf das Werk zählen.

Noch vor Ende dieses Monats erhalten Sie das ganze siebente und den
Anfang des 8. Heftes der Thalia zuverlässig. Die Recension der Iphigenie,


„werde Schillern schreiben, daß ich in Ihrer Handlung ein Capital hätte. —
„So ficht et, daß man ihm nicht etwa einen nachtheiligen Handel abnöthi-
„gen will. Sie brauchen ihm nicht eher zu schreiben, bis ich von ihm wieder
„Antwort habe und Ihnen das Geld zustelle."

Schiller erfuhr bald, daß Körner seinem Verleger das Capital vor¬
geschossen, und dieser Gedanke machte ihm die alten kleinen Diplomatenkünste
schriftstellerischer Bedrängniß weniger demüthigend: sanguinische Berechnung
der Ablieferungstermine und seiner künftigen Leistungen, Entschuldigungen
und neue unsichere Versprechungen, ausgestellte Anweisungen, deren Accept
ihm keineswegs sicher erschien, u. s. w. Er hat lange treu zu Göschen ge¬
halten. Dennoch wurde das Verhältniß gelockert. Schiller wurde durch die
größeren Mittel und besseren Offerten dem Cotta'schen Verlag gewonnen,
durch seine Reise nach Schwaben zuerst genähert. Die letzte der folgen¬
den Mittheilungen läßt diesen Uebergang erkennen. Die Briefe beginnen
wie folgt:

1.

Weimar, den 8. Jenner 1789. — Die 16 Dukaten habe ich erhalten
und danke Ihnen werthester Freund. Es ist mir eingefallen, daß das über¬
schickte sechste Heft der Thalia, wenn beyliegende Anmerkungen zur Iphigenie
noch dazu kommen, gegen die Proportion zu groß ausfallen würde, darum
wäre mein Vorschlag, sie ließen in dieses sechste Heft nicht mehr als die
3 ersten Acte setzen und zögen die zwey übrigen, nebst den Anmerkungen in
das siebente Heft herüber, das Sie sogleich können im Druck anfangen lassen.
Damit das sechste aber vollständig wird, sende ich Ihnen hier noch einige
Scenen aus dem heimlichen Gericht, die Nro. 3. nach dem Aufsatz: über die
Freyheit des Dichters u. f. w. eingeschaltet werden. Auch sende ich Ihnen
kommenden Montag noch einiges zum Geisterseher, was noch in das sechste
Heft kommt, ohngefähr 10—12 Blätter. Was den Geisterseher überhaupt
anbetrifft, so sollen Sie gewiß mit der Einrichtung, die ich treffe, zufrieden
seyn. Ich habe nie im Sinn gehabt, ihn ganz in die Thalia zu setzen, aber
der große Vortheil für Sie und für das Werk selbst ist, wenn ich gerade
da abbreche, wo das Interesse und also auch die Erwartung am größten ist.
Dieses ist ungefähr am Ende des dritten Viertels. Das lezte Viertel kommt
nicht in die Thalia, auch werden in dem bisher gedruckten noch hie und da
Veränderungen gemacht. Lassen Sie mich wissen, ob Sie mit Anfang des
Februars mit dem Druck der vollständigen Edition des Geistersehers wollen
anfangen lassen. Sie können sich, was das Papier anbetrifft, auf 24 Bogen
richten, und für die Ostermesse sicher auf das Werk zählen.

Noch vor Ende dieses Monats erhalten Sie das ganze siebente und den
Anfang des 8. Heftes der Thalia zuverlässig. Die Recension der Iphigenie,


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[0378] „werde Schillern schreiben, daß ich in Ihrer Handlung ein Capital hätte. — „So ficht et, daß man ihm nicht etwa einen nachtheiligen Handel abnöthi- „gen will. Sie brauchen ihm nicht eher zu schreiben, bis ich von ihm wieder „Antwort habe und Ihnen das Geld zustelle." Schiller erfuhr bald, daß Körner seinem Verleger das Capital vor¬ geschossen, und dieser Gedanke machte ihm die alten kleinen Diplomatenkünste schriftstellerischer Bedrängniß weniger demüthigend: sanguinische Berechnung der Ablieferungstermine und seiner künftigen Leistungen, Entschuldigungen und neue unsichere Versprechungen, ausgestellte Anweisungen, deren Accept ihm keineswegs sicher erschien, u. s. w. Er hat lange treu zu Göschen ge¬ halten. Dennoch wurde das Verhältniß gelockert. Schiller wurde durch die größeren Mittel und besseren Offerten dem Cotta'schen Verlag gewonnen, durch seine Reise nach Schwaben zuerst genähert. Die letzte der folgen¬ den Mittheilungen läßt diesen Uebergang erkennen. Die Briefe beginnen wie folgt: 1. Weimar, den 8. Jenner 1789. — Die 16 Dukaten habe ich erhalten und danke Ihnen werthester Freund. Es ist mir eingefallen, daß das über¬ schickte sechste Heft der Thalia, wenn beyliegende Anmerkungen zur Iphigenie noch dazu kommen, gegen die Proportion zu groß ausfallen würde, darum wäre mein Vorschlag, sie ließen in dieses sechste Heft nicht mehr als die 3 ersten Acte setzen und zögen die zwey übrigen, nebst den Anmerkungen in das siebente Heft herüber, das Sie sogleich können im Druck anfangen lassen. Damit das sechste aber vollständig wird, sende ich Ihnen hier noch einige Scenen aus dem heimlichen Gericht, die Nro. 3. nach dem Aufsatz: über die Freyheit des Dichters u. f. w. eingeschaltet werden. Auch sende ich Ihnen kommenden Montag noch einiges zum Geisterseher, was noch in das sechste Heft kommt, ohngefähr 10—12 Blätter. Was den Geisterseher überhaupt anbetrifft, so sollen Sie gewiß mit der Einrichtung, die ich treffe, zufrieden seyn. Ich habe nie im Sinn gehabt, ihn ganz in die Thalia zu setzen, aber der große Vortheil für Sie und für das Werk selbst ist, wenn ich gerade da abbreche, wo das Interesse und also auch die Erwartung am größten ist. Dieses ist ungefähr am Ende des dritten Viertels. Das lezte Viertel kommt nicht in die Thalia, auch werden in dem bisher gedruckten noch hie und da Veränderungen gemacht. Lassen Sie mich wissen, ob Sie mit Anfang des Februars mit dem Druck der vollständigen Edition des Geistersehers wollen anfangen lassen. Sie können sich, was das Papier anbetrifft, auf 24 Bogen richten, und für die Ostermesse sicher auf das Werk zählen. Noch vor Ende dieses Monats erhalten Sie das ganze siebente und den Anfang des 8. Heftes der Thalia zuverlässig. Die Recension der Iphigenie,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/378>, abgerufen am 27.07.2024.