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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Hoffnung gab, durch gesteigerte Sympathien der Wähler beim nächsten
Reichstag eine entscheidende Majorität für die Abschaffung zu erlangen.
Wenn sie also doch in der großen Mehrzahl, unter ihnen sehr besonnene
Männer, fast sämmtliche Führer der nationalen Partei, bei der entscheidenden
Abstimmung gegen die Regierung und die Todesstrafe, also nach der Sach¬
lage zu Gunsten einer vorläufig reichlicheren Anwendung des Fallbeils,
stimmten, so wurden auch sie nicht einzig durch die schwebende Frage,
sondern durch ganz andere Rücksichten bestimmt, die ihnen wichtiger erscheinen
mußten, als der Compromiß mit der Regierung.

Ob ihnen aber die Partei-Diplomatie oder das Gewissen vorzugsweise be¬
stimmend waren, d. Bl. wird sich wohl hüten, an dem Votum unserer Partei¬
majorität zu mäkeln, denn wir sind überzeugt, daß die Stimmen nach sorg¬
lichster Ueberlegung aus wichtigen Gründen der Klugheit und aus Pflicht¬
gefühl mit schwerem Herzen abgegeben wurden.

Wir dürfen nur bescheiden sagen, was wir, -- und zwar nur im In¬
teresse der schwebenden Frage -- für nützlich gehalten hätten. D. Bl. gehört
zu den entschiedenen Gegnern der Todesstrafe; und zwar, wie früher ausge¬
sprochen wurde, nicht gerade darum, weil dasselbe von der Nothwendigkeit
überzeugt ist, den schweren Verbrecher im Civil vor dem schweren Verbrecher
im Waffenrock zu bevorzugen, sondern weil wir das Fürstenrecht der Gnade
für einen unhaltbaren Ueberrest aus wilder Zeit und für die eigentliche
Burg der Gottesgnadentheorie halten. Von diesem Standpunkte war ge¬
boten, bei der ersten und zweiten Lesung gegen die Regierung zu stimmen,
bei der dritten aber, wenn die Unmöglichkeit sich erwies, das Ganze zu retten,
für den Compromiß, welcher die Todesstrafe wenigstens auf einzelne schwere
Fälle beschränkt. Aber wohlgemerkt, der Grund zu solchem Handeln ist nur
aus dem Interesse an der Frage selbst, nicht aus dem Interesse der Partei
genommen.

Wir fühlen uns zu der Annahme berechtigt, daß das Resultat der Ab¬
stimmung, der Sieg der Regierung, diesmal auch viele unserer Freunde,
welche dagegen stimmten, von einem schwerlastenden Gefühl der Verantwort¬
lichkeit befreit hat.


?


Gin Verein gegen den Moorrauch.

In Bremen hat sich ein Verein gebildet, der den Moorrauch abschaffen
will. Kein geringes Unternehmen! Es verräth uns zuvörderst, daß die alten
Zweifel, Ms der sogenannte Höhenrauch eigentlich sei, wissenschaftlich


Hoffnung gab, durch gesteigerte Sympathien der Wähler beim nächsten
Reichstag eine entscheidende Majorität für die Abschaffung zu erlangen.
Wenn sie also doch in der großen Mehrzahl, unter ihnen sehr besonnene
Männer, fast sämmtliche Führer der nationalen Partei, bei der entscheidenden
Abstimmung gegen die Regierung und die Todesstrafe, also nach der Sach¬
lage zu Gunsten einer vorläufig reichlicheren Anwendung des Fallbeils,
stimmten, so wurden auch sie nicht einzig durch die schwebende Frage,
sondern durch ganz andere Rücksichten bestimmt, die ihnen wichtiger erscheinen
mußten, als der Compromiß mit der Regierung.

Ob ihnen aber die Partei-Diplomatie oder das Gewissen vorzugsweise be¬
stimmend waren, d. Bl. wird sich wohl hüten, an dem Votum unserer Partei¬
majorität zu mäkeln, denn wir sind überzeugt, daß die Stimmen nach sorg¬
lichster Ueberlegung aus wichtigen Gründen der Klugheit und aus Pflicht¬
gefühl mit schwerem Herzen abgegeben wurden.

Wir dürfen nur bescheiden sagen, was wir, — und zwar nur im In¬
teresse der schwebenden Frage — für nützlich gehalten hätten. D. Bl. gehört
zu den entschiedenen Gegnern der Todesstrafe; und zwar, wie früher ausge¬
sprochen wurde, nicht gerade darum, weil dasselbe von der Nothwendigkeit
überzeugt ist, den schweren Verbrecher im Civil vor dem schweren Verbrecher
im Waffenrock zu bevorzugen, sondern weil wir das Fürstenrecht der Gnade
für einen unhaltbaren Ueberrest aus wilder Zeit und für die eigentliche
Burg der Gottesgnadentheorie halten. Von diesem Standpunkte war ge¬
boten, bei der ersten und zweiten Lesung gegen die Regierung zu stimmen,
bei der dritten aber, wenn die Unmöglichkeit sich erwies, das Ganze zu retten,
für den Compromiß, welcher die Todesstrafe wenigstens auf einzelne schwere
Fälle beschränkt. Aber wohlgemerkt, der Grund zu solchem Handeln ist nur
aus dem Interesse an der Frage selbst, nicht aus dem Interesse der Partei
genommen.

Wir fühlen uns zu der Annahme berechtigt, daß das Resultat der Ab¬
stimmung, der Sieg der Regierung, diesmal auch viele unserer Freunde,
welche dagegen stimmten, von einem schwerlastenden Gefühl der Verantwort¬
lichkeit befreit hat.


?


Gin Verein gegen den Moorrauch.

In Bremen hat sich ein Verein gebildet, der den Moorrauch abschaffen
will. Kein geringes Unternehmen! Es verräth uns zuvörderst, daß die alten
Zweifel, Ms der sogenannte Höhenrauch eigentlich sei, wissenschaftlich


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[0332] Hoffnung gab, durch gesteigerte Sympathien der Wähler beim nächsten Reichstag eine entscheidende Majorität für die Abschaffung zu erlangen. Wenn sie also doch in der großen Mehrzahl, unter ihnen sehr besonnene Männer, fast sämmtliche Führer der nationalen Partei, bei der entscheidenden Abstimmung gegen die Regierung und die Todesstrafe, also nach der Sach¬ lage zu Gunsten einer vorläufig reichlicheren Anwendung des Fallbeils, stimmten, so wurden auch sie nicht einzig durch die schwebende Frage, sondern durch ganz andere Rücksichten bestimmt, die ihnen wichtiger erscheinen mußten, als der Compromiß mit der Regierung. Ob ihnen aber die Partei-Diplomatie oder das Gewissen vorzugsweise be¬ stimmend waren, d. Bl. wird sich wohl hüten, an dem Votum unserer Partei¬ majorität zu mäkeln, denn wir sind überzeugt, daß die Stimmen nach sorg¬ lichster Ueberlegung aus wichtigen Gründen der Klugheit und aus Pflicht¬ gefühl mit schwerem Herzen abgegeben wurden. Wir dürfen nur bescheiden sagen, was wir, — und zwar nur im In¬ teresse der schwebenden Frage — für nützlich gehalten hätten. D. Bl. gehört zu den entschiedenen Gegnern der Todesstrafe; und zwar, wie früher ausge¬ sprochen wurde, nicht gerade darum, weil dasselbe von der Nothwendigkeit überzeugt ist, den schweren Verbrecher im Civil vor dem schweren Verbrecher im Waffenrock zu bevorzugen, sondern weil wir das Fürstenrecht der Gnade für einen unhaltbaren Ueberrest aus wilder Zeit und für die eigentliche Burg der Gottesgnadentheorie halten. Von diesem Standpunkte war ge¬ boten, bei der ersten und zweiten Lesung gegen die Regierung zu stimmen, bei der dritten aber, wenn die Unmöglichkeit sich erwies, das Ganze zu retten, für den Compromiß, welcher die Todesstrafe wenigstens auf einzelne schwere Fälle beschränkt. Aber wohlgemerkt, der Grund zu solchem Handeln ist nur aus dem Interesse an der Frage selbst, nicht aus dem Interesse der Partei genommen. Wir fühlen uns zu der Annahme berechtigt, daß das Resultat der Ab¬ stimmung, der Sieg der Regierung, diesmal auch viele unserer Freunde, welche dagegen stimmten, von einem schwerlastenden Gefühl der Verantwort¬ lichkeit befreit hat. ? Gin Verein gegen den Moorrauch. In Bremen hat sich ein Verein gebildet, der den Moorrauch abschaffen will. Kein geringes Unternehmen! Es verräth uns zuvörderst, daß die alten Zweifel, Ms der sogenannte Höhenrauch eigentlich sei, wissenschaftlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/332>, abgerufen am 18.12.2024.