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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Frage gütlich gelöst werden kann. Einen ernstlichen Lösungsversuch zu machen
ohne die begründete Aussicht, damit aus Dänemark und dem scandinavische-n
Norden einen zufriedenen, freundlichen Nachbar zu machen -- darin müssen
wir dem Organe des Grafen Bismarck beipflichten -- wäre bei der berech¬
neten Weite der Vorschriften des Prager Friedens eine Gedankenlosigkeit,
wie sie dem Geschäftsführer eines großen Volks nicht erlaubt sein kann.




Die osficiöse P^sse und die nationale Partei.

Der Streit, welcher in diesen Wochen zwischen der Presse des Bundes¬
kanzlers und Blättern der nationalen Partei geführt wurde, hat, wie zu
hoffen, den Deutschen keine ernste Sorge gemacht. Die Methode, nach welcher
die Federn des Grafen Bismarck in den Zeitungen und der Bundeskanzler
selbst im Reichstage die nationale Partei zu behandeln pflegen, ist nicht mehr
neu, weder die Sprache hochachtungsvoller Unwillens, welche die schmeichel¬
hafte Perspective nicht ausschließt, daß die Herren von der nationalen Partei
wohl dereinst die Ministerstühle einnehmen werden; noch die geringschätzige
Versicherung, daß die Regierung auf das Zusammenwirken mit so unzuver¬
lässigen Bundesgenossen verzichten wolle. In Wahrheit scheinen uns die
Angelegenheiten des Bundes jetzt so zu stehen, daß der Bundeskanzler für
die nächste Zukunft das kräftige Zusammenwirken mit den nationalen, wie
unbequem ihm dasselbe sein mag, weniger wird entbehren können, als seither.
Die Schwierigkeiten für Fortentwickelung des Bundes sind unläugbar größer
geworden, die Maschinerie des Reichstages hat unter den übergroßen Zu-
muthungen gelitten, und es ist eben so sehr ein Fehler in der Geschäfts¬
behandlung durch die hohe Versammlung, welche das Gefühl überarbeitet
zu sein, hervorgerufen hat, als die starken Zumuthungen, welche durch die
Regierung an die politischen Vertreter der Nation gestellt worden sind. Unter-
deß ist der Wechsel in den Ministerien von Baiern und Würtemberg für
die Bundesregierung eine ernste Mahnung, daß ihre Politik gegen den Süden
doch wohl nicht die möglichst beste gewesen sei. Denn was seit zwei Jahren
zu befürchten war, ist eingetreten, die preußische Diplomatie hat dort an Ein¬
fluß verloren und vergebens wird in Berlin den Intriguen des Grafen Beust
zugeschrieben, was nur die Folge der Jsolirung und souveränen Selbstherr¬
lichkeit war, in welcher man die Königreiche des Südens gelassen. Und dabei
kam dem norddeutschen Bunde noch zu Gute, daß die innern Verhältnisse
Oestreichs auf die Südstaaten mehr abschreckend als anziehend wirken mußten,
die östreichischen Verfassungsexperimente des Grafen Beust haben immer
noch mehr für Conservirung unserer Interessen in Baiern und Würtemberg
gearbeitet, als wir selbst. Und wenn wir uns aus achtungsvoller Ferne ein
Urtheil über die Gedanken des Grafen Bismarck gestatten dürfen, so ist der¬
selbe gerade jetzt in der Lage, auf ein neues Mittel zu sinnen, durch welches
er in seiner Weise allen Gewalten, mit denen er zu rechnen pflegt, eine ge¬
wisse Steigerung der Spannkraft zutheilen könnte. Doch was er auch erfindet,
es würde sich ebenso wie frühere Hoffnungen aus das Zollparlament und aus


Frage gütlich gelöst werden kann. Einen ernstlichen Lösungsversuch zu machen
ohne die begründete Aussicht, damit aus Dänemark und dem scandinavische-n
Norden einen zufriedenen, freundlichen Nachbar zu machen — darin müssen
wir dem Organe des Grafen Bismarck beipflichten — wäre bei der berech¬
neten Weite der Vorschriften des Prager Friedens eine Gedankenlosigkeit,
wie sie dem Geschäftsführer eines großen Volks nicht erlaubt sein kann.




Die osficiöse P^sse und die nationale Partei.

Der Streit, welcher in diesen Wochen zwischen der Presse des Bundes¬
kanzlers und Blättern der nationalen Partei geführt wurde, hat, wie zu
hoffen, den Deutschen keine ernste Sorge gemacht. Die Methode, nach welcher
die Federn des Grafen Bismarck in den Zeitungen und der Bundeskanzler
selbst im Reichstage die nationale Partei zu behandeln pflegen, ist nicht mehr
neu, weder die Sprache hochachtungsvoller Unwillens, welche die schmeichel¬
hafte Perspective nicht ausschließt, daß die Herren von der nationalen Partei
wohl dereinst die Ministerstühle einnehmen werden; noch die geringschätzige
Versicherung, daß die Regierung auf das Zusammenwirken mit so unzuver¬
lässigen Bundesgenossen verzichten wolle. In Wahrheit scheinen uns die
Angelegenheiten des Bundes jetzt so zu stehen, daß der Bundeskanzler für
die nächste Zukunft das kräftige Zusammenwirken mit den nationalen, wie
unbequem ihm dasselbe sein mag, weniger wird entbehren können, als seither.
Die Schwierigkeiten für Fortentwickelung des Bundes sind unläugbar größer
geworden, die Maschinerie des Reichstages hat unter den übergroßen Zu-
muthungen gelitten, und es ist eben so sehr ein Fehler in der Geschäfts¬
behandlung durch die hohe Versammlung, welche das Gefühl überarbeitet
zu sein, hervorgerufen hat, als die starken Zumuthungen, welche durch die
Regierung an die politischen Vertreter der Nation gestellt worden sind. Unter-
deß ist der Wechsel in den Ministerien von Baiern und Würtemberg für
die Bundesregierung eine ernste Mahnung, daß ihre Politik gegen den Süden
doch wohl nicht die möglichst beste gewesen sei. Denn was seit zwei Jahren
zu befürchten war, ist eingetreten, die preußische Diplomatie hat dort an Ein¬
fluß verloren und vergebens wird in Berlin den Intriguen des Grafen Beust
zugeschrieben, was nur die Folge der Jsolirung und souveränen Selbstherr¬
lichkeit war, in welcher man die Königreiche des Südens gelassen. Und dabei
kam dem norddeutschen Bunde noch zu Gute, daß die innern Verhältnisse
Oestreichs auf die Südstaaten mehr abschreckend als anziehend wirken mußten,
die östreichischen Verfassungsexperimente des Grafen Beust haben immer
noch mehr für Conservirung unserer Interessen in Baiern und Würtemberg
gearbeitet, als wir selbst. Und wenn wir uns aus achtungsvoller Ferne ein
Urtheil über die Gedanken des Grafen Bismarck gestatten dürfen, so ist der¬
selbe gerade jetzt in der Lage, auf ein neues Mittel zu sinnen, durch welches
er in seiner Weise allen Gewalten, mit denen er zu rechnen pflegt, eine ge¬
wisse Steigerung der Spannkraft zutheilen könnte. Doch was er auch erfindet,
es würde sich ebenso wie frühere Hoffnungen aus das Zollparlament und aus


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[0124] Frage gütlich gelöst werden kann. Einen ernstlichen Lösungsversuch zu machen ohne die begründete Aussicht, damit aus Dänemark und dem scandinavische-n Norden einen zufriedenen, freundlichen Nachbar zu machen — darin müssen wir dem Organe des Grafen Bismarck beipflichten — wäre bei der berech¬ neten Weite der Vorschriften des Prager Friedens eine Gedankenlosigkeit, wie sie dem Geschäftsführer eines großen Volks nicht erlaubt sein kann. Die osficiöse P^sse und die nationale Partei. Der Streit, welcher in diesen Wochen zwischen der Presse des Bundes¬ kanzlers und Blättern der nationalen Partei geführt wurde, hat, wie zu hoffen, den Deutschen keine ernste Sorge gemacht. Die Methode, nach welcher die Federn des Grafen Bismarck in den Zeitungen und der Bundeskanzler selbst im Reichstage die nationale Partei zu behandeln pflegen, ist nicht mehr neu, weder die Sprache hochachtungsvoller Unwillens, welche die schmeichel¬ hafte Perspective nicht ausschließt, daß die Herren von der nationalen Partei wohl dereinst die Ministerstühle einnehmen werden; noch die geringschätzige Versicherung, daß die Regierung auf das Zusammenwirken mit so unzuver¬ lässigen Bundesgenossen verzichten wolle. In Wahrheit scheinen uns die Angelegenheiten des Bundes jetzt so zu stehen, daß der Bundeskanzler für die nächste Zukunft das kräftige Zusammenwirken mit den nationalen, wie unbequem ihm dasselbe sein mag, weniger wird entbehren können, als seither. Die Schwierigkeiten für Fortentwickelung des Bundes sind unläugbar größer geworden, die Maschinerie des Reichstages hat unter den übergroßen Zu- muthungen gelitten, und es ist eben so sehr ein Fehler in der Geschäfts¬ behandlung durch die hohe Versammlung, welche das Gefühl überarbeitet zu sein, hervorgerufen hat, als die starken Zumuthungen, welche durch die Regierung an die politischen Vertreter der Nation gestellt worden sind. Unter- deß ist der Wechsel in den Ministerien von Baiern und Würtemberg für die Bundesregierung eine ernste Mahnung, daß ihre Politik gegen den Süden doch wohl nicht die möglichst beste gewesen sei. Denn was seit zwei Jahren zu befürchten war, ist eingetreten, die preußische Diplomatie hat dort an Ein¬ fluß verloren und vergebens wird in Berlin den Intriguen des Grafen Beust zugeschrieben, was nur die Folge der Jsolirung und souveränen Selbstherr¬ lichkeit war, in welcher man die Königreiche des Südens gelassen. Und dabei kam dem norddeutschen Bunde noch zu Gute, daß die innern Verhältnisse Oestreichs auf die Südstaaten mehr abschreckend als anziehend wirken mußten, die östreichischen Verfassungsexperimente des Grafen Beust haben immer noch mehr für Conservirung unserer Interessen in Baiern und Würtemberg gearbeitet, als wir selbst. Und wenn wir uns aus achtungsvoller Ferne ein Urtheil über die Gedanken des Grafen Bismarck gestatten dürfen, so ist der¬ selbe gerade jetzt in der Lage, auf ein neues Mittel zu sinnen, durch welches er in seiner Weise allen Gewalten, mit denen er zu rechnen pflegt, eine ge¬ wisse Steigerung der Spannkraft zutheilen könnte. Doch was er auch erfindet, es würde sich ebenso wie frühere Hoffnungen aus das Zollparlament und aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/124>, abgerufen am 27.07.2024.