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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Scherz Protest ^gegen '^das ominöse Dogma übertrieben" sind, ist es ein
erfreuliches Zeichen der Ermannung innerhalb der katholischen Welt, daß
die beiden mächtigsten Staaten derselben sich bewogen gefühlt haben, der
tapferen Minorität des Concils zu Hilfe zu kommen und einem Schritt
vorzubeugen, dessen Folgen nicht ernsthaft genug angesehen werden können.
Lebten wir noch in den Zeiten exclusiv protestantischer Illusionen, glaubten wir
noch an eine universelle Mission des Lutherchums, so würde nahe liegen, über
die bevorstehende Sprengung der römischen Zwingburg, einen möglichen Sieges¬
zug der Ideen Luthers und Calvins über die Alpen zu triumphiren. Aber so
stehen die Dinge längst nicht mehr und die gesammte europäische Cultur hat
ein Interesse daran, die katholische Kirche von dem Abgrunde zurückgehalten zu
sehen, an welchen sie vom Jesuitismus geführt worden ist. Daß katholisches
Kirchenthum und nationales Gewissen sich in Deutschland ebenso wenig aus¬
schließen, wie in Frankreich, ist eine der erfreulichsten Erfahrungen der letzten
trüben Tage gewesen und auch das protestantische Norddeutschland hat allen
Grund, von dem mannhaften Bekenntniß Act zu nehmen, das der Stists-
probst v. Döllinger gegen die Jnfallibilttätserklärung und für die deutsche
Sache abgelegt hat.




Literatur.

W. Müller, Politische Geschichte der neuesten Zeit 1816--1868, mit
besonderer Berücksichtigung Deutschlands. Zweite Auflage. Stuttgart 1869.

Der Verfasser, durch mehrfache geschichtliche Arbeiten bekannt, hat seine politi¬
sche Geschichte der neuesten Zeit überarbeitet, vermehrt und bis in die Gegenwart
fortgeführt. Sie wird in dieser Gestalt nicht weniger Freunde finden als in der
früheren. Das historische Material ist geschickt zusammengestellt, trotz der Gedrängt¬
heit hat das Buch nicht einen trockenen chronikartigen Stil, sondern bildet eine an¬
sprechende fortlaufende Erzählung, in der die Angelegenheiten Deutschlands beson¬
ders berücksichtigt und durchweg vom nationalen Gesichtspunkt aus dargestellt sind.
Die Vermehrung kam namentlich den letzten Abschnitten zu Gute und der Verfasser
wußte den Ertrag der verschiedenen diplomatischen Enthüllungen über die Vorgeschichte
des Jahres 1866 geschickt in die Erzählung zu verweben. Diese ist fortgeführt bis
in das Jahr 1868, und die Reptilienrede des Grafen Bismarck mit ihrem Appell
an das deutsche Pflicht- und Ehrgefühl bildet einen wirkungsvollen Schluß.




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
"Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von Hüthel Segler in Leipzig.

Scherz Protest ^gegen '^das ominöse Dogma übertrieben" sind, ist es ein
erfreuliches Zeichen der Ermannung innerhalb der katholischen Welt, daß
die beiden mächtigsten Staaten derselben sich bewogen gefühlt haben, der
tapferen Minorität des Concils zu Hilfe zu kommen und einem Schritt
vorzubeugen, dessen Folgen nicht ernsthaft genug angesehen werden können.
Lebten wir noch in den Zeiten exclusiv protestantischer Illusionen, glaubten wir
noch an eine universelle Mission des Lutherchums, so würde nahe liegen, über
die bevorstehende Sprengung der römischen Zwingburg, einen möglichen Sieges¬
zug der Ideen Luthers und Calvins über die Alpen zu triumphiren. Aber so
stehen die Dinge längst nicht mehr und die gesammte europäische Cultur hat
ein Interesse daran, die katholische Kirche von dem Abgrunde zurückgehalten zu
sehen, an welchen sie vom Jesuitismus geführt worden ist. Daß katholisches
Kirchenthum und nationales Gewissen sich in Deutschland ebenso wenig aus¬
schließen, wie in Frankreich, ist eine der erfreulichsten Erfahrungen der letzten
trüben Tage gewesen und auch das protestantische Norddeutschland hat allen
Grund, von dem mannhaften Bekenntniß Act zu nehmen, das der Stists-
probst v. Döllinger gegen die Jnfallibilttätserklärung und für die deutsche
Sache abgelegt hat.




Literatur.

W. Müller, Politische Geschichte der neuesten Zeit 1816—1868, mit
besonderer Berücksichtigung Deutschlands. Zweite Auflage. Stuttgart 1869.

Der Verfasser, durch mehrfache geschichtliche Arbeiten bekannt, hat seine politi¬
sche Geschichte der neuesten Zeit überarbeitet, vermehrt und bis in die Gegenwart
fortgeführt. Sie wird in dieser Gestalt nicht weniger Freunde finden als in der
früheren. Das historische Material ist geschickt zusammengestellt, trotz der Gedrängt¬
heit hat das Buch nicht einen trockenen chronikartigen Stil, sondern bildet eine an¬
sprechende fortlaufende Erzählung, in der die Angelegenheiten Deutschlands beson¬
ders berücksichtigt und durchweg vom nationalen Gesichtspunkt aus dargestellt sind.
Die Vermehrung kam namentlich den letzten Abschnitten zu Gute und der Verfasser
wußte den Ertrag der verschiedenen diplomatischen Enthüllungen über die Vorgeschichte
des Jahres 1866 geschickt in die Erzählung zu verweben. Diese ist fortgeführt bis
in das Jahr 1868, und die Reptilienrede des Grafen Bismarck mit ihrem Appell
an das deutsche Pflicht- und Ehrgefühl bildet einen wirkungsvollen Schluß.




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
«Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel Segler in Leipzig.
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[0366] Scherz Protest ^gegen '^das ominöse Dogma übertrieben" sind, ist es ein erfreuliches Zeichen der Ermannung innerhalb der katholischen Welt, daß die beiden mächtigsten Staaten derselben sich bewogen gefühlt haben, der tapferen Minorität des Concils zu Hilfe zu kommen und einem Schritt vorzubeugen, dessen Folgen nicht ernsthaft genug angesehen werden können. Lebten wir noch in den Zeiten exclusiv protestantischer Illusionen, glaubten wir noch an eine universelle Mission des Lutherchums, so würde nahe liegen, über die bevorstehende Sprengung der römischen Zwingburg, einen möglichen Sieges¬ zug der Ideen Luthers und Calvins über die Alpen zu triumphiren. Aber so stehen die Dinge längst nicht mehr und die gesammte europäische Cultur hat ein Interesse daran, die katholische Kirche von dem Abgrunde zurückgehalten zu sehen, an welchen sie vom Jesuitismus geführt worden ist. Daß katholisches Kirchenthum und nationales Gewissen sich in Deutschland ebenso wenig aus¬ schließen, wie in Frankreich, ist eine der erfreulichsten Erfahrungen der letzten trüben Tage gewesen und auch das protestantische Norddeutschland hat allen Grund, von dem mannhaften Bekenntniß Act zu nehmen, das der Stists- probst v. Döllinger gegen die Jnfallibilttätserklärung und für die deutsche Sache abgelegt hat. Literatur. W. Müller, Politische Geschichte der neuesten Zeit 1816—1868, mit besonderer Berücksichtigung Deutschlands. Zweite Auflage. Stuttgart 1869. Der Verfasser, durch mehrfache geschichtliche Arbeiten bekannt, hat seine politi¬ sche Geschichte der neuesten Zeit überarbeitet, vermehrt und bis in die Gegenwart fortgeführt. Sie wird in dieser Gestalt nicht weniger Freunde finden als in der früheren. Das historische Material ist geschickt zusammengestellt, trotz der Gedrängt¬ heit hat das Buch nicht einen trockenen chronikartigen Stil, sondern bildet eine an¬ sprechende fortlaufende Erzählung, in der die Angelegenheiten Deutschlands beson¬ ders berücksichtigt und durchweg vom nationalen Gesichtspunkt aus dargestellt sind. Die Vermehrung kam namentlich den letzten Abschnitten zu Gute und der Verfasser wußte den Ertrag der verschiedenen diplomatischen Enthüllungen über die Vorgeschichte des Jahres 1866 geschickt in die Erzählung zu verweben. Diese ist fortgeführt bis in das Jahr 1868, und die Reptilienrede des Grafen Bismarck mit ihrem Appell an das deutsche Pflicht- und Ehrgefühl bildet einen wirkungsvollen Schluß. Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt. «Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel Segler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/366>, abgerufen am 26.06.2024.