Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Das conMutioneüe Königthum in Deutschland.

Historische und politische Aufsätze von Heinrich von Treitschke. Neue Folge.
Zweiter Theil. Leipzig, S. Hirzel, 1870.

"Große politische Leidenschaft ist ein köstlicher Schatz; das matte Herz
der Mehrzahl der Menschen bietet nur wenig Raum dafür." So sagt Hein¬
rich von Treitschke aus der letzten Seite seiner jüngst erschienenen Essaies,
und dasselbe sagt uns jede Seite seiner Schrift, bekundet jedes Wort, das
dieser Mann zu seinem Volke gesprochen. Da ist wohl keiner unter den
lebenden Publicisten, dessen Kopf und Herz von einem edleren und energi¬
scheren Pathos des politischen Denkens und Wollens durchglüht ist, und den
dieser leidenschaftliche Zug seines Patriotismus durch alle Wandlungen der
letzten Jahre hindurch stetiger und unbeirrter den letzten erhabenen Zielen
nationaler Politik entgegengetragen hat, als Heinrich von Treitschke. Darin
liegt zugleich der unzerstörbare Reiz seiner glänzenden Diction, und die sou¬
veräne Folgerichtigkeit seiner politischen Gedanken. Warum hat eine glück¬
lichere Fügung des Geschicks diesen feurigen Patrioten, diesen thatenfrohen
Mann, diesen reichen und mächtigen Geist nicht ganz und voll da hinein¬
gestellt, wohin ihn die Natur bestimmt zu haben scheint -- in die großen
Volksversammlungen unseres Volks und an den Webestuhl unserer staatlichen
Arbeit als Redner und Staatsmann?

Nachdem die neue Folge der historisch-politischen Aufsätze in dem "Bona¬
partismus" das noch ungelöste Problem des Ausgleichs zwischen Volksfrei¬
heit und demokratischer Staatseinheit in Frankreich, in dem Lebensbilde des
"Grafen Cavour" die glückliche Durchführung der italienischen Einheitsbestre¬
bungen, endlich in der "Republik der Vereinigten Niederlande" das einzige
Beispiel langsamen Zusammenwachsens eines Staatenbundes germanischer
Art zu einem modernen Einheitsstaate entwickelt hat, schließt die Reihen¬
folge, ähnlich wie die ältere mit dem gedankenreichen Essay über die "Frei¬
heit", jetzt mit einem Aufsatze volltönend ab. der "das constitutionelle König¬
thum in Deutschland" betitelt ist, und in Wirklichkeit dem deutschen Libera-
lismus das echte Reichsbanner der unitarischen Partei farbenprächtig, rau-


Ärenzliotc" I. 1L70. 41
Das conMutioneüe Königthum in Deutschland.

Historische und politische Aufsätze von Heinrich von Treitschke. Neue Folge.
Zweiter Theil. Leipzig, S. Hirzel, 1870.

„Große politische Leidenschaft ist ein köstlicher Schatz; das matte Herz
der Mehrzahl der Menschen bietet nur wenig Raum dafür." So sagt Hein¬
rich von Treitschke aus der letzten Seite seiner jüngst erschienenen Essaies,
und dasselbe sagt uns jede Seite seiner Schrift, bekundet jedes Wort, das
dieser Mann zu seinem Volke gesprochen. Da ist wohl keiner unter den
lebenden Publicisten, dessen Kopf und Herz von einem edleren und energi¬
scheren Pathos des politischen Denkens und Wollens durchglüht ist, und den
dieser leidenschaftliche Zug seines Patriotismus durch alle Wandlungen der
letzten Jahre hindurch stetiger und unbeirrter den letzten erhabenen Zielen
nationaler Politik entgegengetragen hat, als Heinrich von Treitschke. Darin
liegt zugleich der unzerstörbare Reiz seiner glänzenden Diction, und die sou¬
veräne Folgerichtigkeit seiner politischen Gedanken. Warum hat eine glück¬
lichere Fügung des Geschicks diesen feurigen Patrioten, diesen thatenfrohen
Mann, diesen reichen und mächtigen Geist nicht ganz und voll da hinein¬
gestellt, wohin ihn die Natur bestimmt zu haben scheint — in die großen
Volksversammlungen unseres Volks und an den Webestuhl unserer staatlichen
Arbeit als Redner und Staatsmann?

Nachdem die neue Folge der historisch-politischen Aufsätze in dem „Bona¬
partismus" das noch ungelöste Problem des Ausgleichs zwischen Volksfrei¬
heit und demokratischer Staatseinheit in Frankreich, in dem Lebensbilde des
„Grafen Cavour" die glückliche Durchführung der italienischen Einheitsbestre¬
bungen, endlich in der „Republik der Vereinigten Niederlande" das einzige
Beispiel langsamen Zusammenwachsens eines Staatenbundes germanischer
Art zu einem modernen Einheitsstaate entwickelt hat, schließt die Reihen¬
folge, ähnlich wie die ältere mit dem gedankenreichen Essay über die „Frei¬
heit", jetzt mit einem Aufsatze volltönend ab. der „das constitutionelle König¬
thum in Deutschland" betitelt ist, und in Wirklichkeit dem deutschen Libera-
lismus das echte Reichsbanner der unitarischen Partei farbenprächtig, rau-


Ärenzliotc» I. 1L70. 41
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0327" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123415"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das conMutioneüe Königthum in Deutschland.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_911"> Historische und politische Aufsätze von Heinrich von Treitschke.  Neue Folge.<lb/>
Zweiter Theil.  Leipzig, S. Hirzel, 1870.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_912"> &#x201E;Große politische Leidenschaft ist ein köstlicher Schatz; das matte Herz<lb/>
der Mehrzahl der Menschen bietet nur wenig Raum dafür." So sagt Hein¬<lb/>
rich von Treitschke aus der letzten Seite seiner jüngst erschienenen Essaies,<lb/>
und dasselbe sagt uns jede Seite seiner Schrift, bekundet jedes Wort, das<lb/>
dieser Mann zu seinem Volke gesprochen. Da ist wohl keiner unter den<lb/>
lebenden Publicisten, dessen Kopf und Herz von einem edleren und energi¬<lb/>
scheren Pathos des politischen Denkens und Wollens durchglüht ist, und den<lb/>
dieser leidenschaftliche Zug seines Patriotismus durch alle Wandlungen der<lb/>
letzten Jahre hindurch stetiger und unbeirrter den letzten erhabenen Zielen<lb/>
nationaler Politik entgegengetragen hat, als Heinrich von Treitschke. Darin<lb/>
liegt zugleich der unzerstörbare Reiz seiner glänzenden Diction, und die sou¬<lb/>
veräne Folgerichtigkeit seiner politischen Gedanken. Warum hat eine glück¬<lb/>
lichere Fügung des Geschicks diesen feurigen Patrioten, diesen thatenfrohen<lb/>
Mann, diesen reichen und mächtigen Geist nicht ganz und voll da hinein¬<lb/>
gestellt, wohin ihn die Natur bestimmt zu haben scheint &#x2014; in die großen<lb/>
Volksversammlungen unseres Volks und an den Webestuhl unserer staatlichen<lb/>
Arbeit als Redner und Staatsmann?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_913" next="#ID_914"> Nachdem die neue Folge der historisch-politischen Aufsätze in dem &#x201E;Bona¬<lb/>
partismus" das noch ungelöste Problem des Ausgleichs zwischen Volksfrei¬<lb/>
heit und demokratischer Staatseinheit in Frankreich, in dem Lebensbilde des<lb/>
&#x201E;Grafen Cavour" die glückliche Durchführung der italienischen Einheitsbestre¬<lb/>
bungen, endlich in der &#x201E;Republik der Vereinigten Niederlande" das einzige<lb/>
Beispiel langsamen Zusammenwachsens eines Staatenbundes germanischer<lb/>
Art zu einem modernen Einheitsstaate entwickelt hat, schließt die Reihen¬<lb/>
folge, ähnlich wie die ältere mit dem gedankenreichen Essay über die &#x201E;Frei¬<lb/>
heit", jetzt mit einem Aufsatze volltönend ab. der &#x201E;das constitutionelle König¬<lb/>
thum in Deutschland" betitelt ist, und in Wirklichkeit dem deutschen Libera-<lb/>
lismus das echte Reichsbanner der unitarischen Partei farbenprächtig, rau-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Ärenzliotc» I. 1L70. 41</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0327] Das conMutioneüe Königthum in Deutschland. Historische und politische Aufsätze von Heinrich von Treitschke. Neue Folge. Zweiter Theil. Leipzig, S. Hirzel, 1870. „Große politische Leidenschaft ist ein köstlicher Schatz; das matte Herz der Mehrzahl der Menschen bietet nur wenig Raum dafür." So sagt Hein¬ rich von Treitschke aus der letzten Seite seiner jüngst erschienenen Essaies, und dasselbe sagt uns jede Seite seiner Schrift, bekundet jedes Wort, das dieser Mann zu seinem Volke gesprochen. Da ist wohl keiner unter den lebenden Publicisten, dessen Kopf und Herz von einem edleren und energi¬ scheren Pathos des politischen Denkens und Wollens durchglüht ist, und den dieser leidenschaftliche Zug seines Patriotismus durch alle Wandlungen der letzten Jahre hindurch stetiger und unbeirrter den letzten erhabenen Zielen nationaler Politik entgegengetragen hat, als Heinrich von Treitschke. Darin liegt zugleich der unzerstörbare Reiz seiner glänzenden Diction, und die sou¬ veräne Folgerichtigkeit seiner politischen Gedanken. Warum hat eine glück¬ lichere Fügung des Geschicks diesen feurigen Patrioten, diesen thatenfrohen Mann, diesen reichen und mächtigen Geist nicht ganz und voll da hinein¬ gestellt, wohin ihn die Natur bestimmt zu haben scheint — in die großen Volksversammlungen unseres Volks und an den Webestuhl unserer staatlichen Arbeit als Redner und Staatsmann? Nachdem die neue Folge der historisch-politischen Aufsätze in dem „Bona¬ partismus" das noch ungelöste Problem des Ausgleichs zwischen Volksfrei¬ heit und demokratischer Staatseinheit in Frankreich, in dem Lebensbilde des „Grafen Cavour" die glückliche Durchführung der italienischen Einheitsbestre¬ bungen, endlich in der „Republik der Vereinigten Niederlande" das einzige Beispiel langsamen Zusammenwachsens eines Staatenbundes germanischer Art zu einem modernen Einheitsstaate entwickelt hat, schließt die Reihen¬ folge, ähnlich wie die ältere mit dem gedankenreichen Essay über die „Frei¬ heit", jetzt mit einem Aufsatze volltönend ab. der „das constitutionelle König¬ thum in Deutschland" betitelt ist, und in Wirklichkeit dem deutschen Libera- lismus das echte Reichsbanner der unitarischen Partei farbenprächtig, rau- Ärenzliotc» I. 1L70. 41

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/327
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/327>, abgerufen am 26.06.2024.