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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Schmack fanden. Andere sollen sich ausgeredet haben, sie wittern die Reaction
auf kirchlichem Gebiete, und dieser Stand zu halten, dazu scheint ihr Patrio¬
tismus nicht aufgelegt zu sein. In der Kammer über das Concordat loszu¬
ziehen, ist allerdings bequemer und des Beifalls der Gallerien sicher, wohin¬
gegen die aufreibende Thätigkeit eines Ministers, welcher die Gewissensfrei¬
heit und die Lehrfreiheit gegen jede Verletzung wahren und doch die Ansichten
höchst einflußreicher Kreise schonen, Bildung verbreiten und doch den Staats¬
säckel nicht stärker in Anspruch nehmen, und so noch zwischen allerlei gefähr¬
lichen Klippen sich durchwinden soll, auf Dank von keiner Seite zu zählen
hat, falls er es ehrlich meint. Dieser und der Posten des Ackerbauministers
sollen nun mit den beiden Sectionschefs im Ministerium des Innern besetzt
werden, und zum Landesvertheidigungsminister General Wagner ausersehen sein.
Wagner commandirte in Dalmatien bei Ausbruch des Aufstandes, wurde je¬
doch bald durch den Grafen Auersperg, einen Schwager des Ministers
Giskra ersetzt. Es hieß damals, Wagner werde eine Rechtsertigungsschrift
publiciren, und die Oppositionsblätter verfehlen nicht anzudeuten, daß die er¬
wartete Publication nun in dem Portefeuille des neuen Ministers verschwin¬
den werde. Die Verantwortung für das, was in Dalmatien versäumt und
versehen worden sein mag, muß inzwischen Graf Taaffe allein tragen, ob¬
wohl sich doch annehmen läßt, daß was geschah und was unterblieb, dem
Ministerrathe bekannt gewesen sei und dessen Billigung gehabt habe.

Wenn das Ministerium in der angegebenen Weise reconstruirt wird, so
ist Ablehnung der Verständigungstendenz die Signatur desselben. Die Deut¬
schen aus Böhmen und Mähren haben dann noch viel entschiedener als bis
her die Mehrheit im Cavinet, die Deutschböhmen und Deutschmährer sind
aber die unversöhnlichen Gegner der Czechen, und wenn sie ja mit ihren
Traditionen brechen und sich zu Vermittelungsvorschlägen herbeilassen wollten,
mit ihnen würden die Czechen nicht pactiren. Wie ich vorausgesagt, ist es
eingetroffen: die enragirten Slavenblätter jubeln über die Niederlage der
Minorität im Ministerium und nennen die Sieger die besten Freunde ihrer
Sache. Dazu polemisiren die Moskaner Zeitungen gegen Fischhof's Ideen
-- wem das noch nicht die Augen öffnet . . .!




LandwirthschaMche Interessenvertretung.

Der Congreß norddeutscher Landwirthe, welcher am 14. Februar zum
dritten Male in Berlin zusammentritt, wird vermuthlich eine Frage zum Ab¬
schluß bringen, deren lange und lebhafte Erörterung in den landwirthschast-


Schmack fanden. Andere sollen sich ausgeredet haben, sie wittern die Reaction
auf kirchlichem Gebiete, und dieser Stand zu halten, dazu scheint ihr Patrio¬
tismus nicht aufgelegt zu sein. In der Kammer über das Concordat loszu¬
ziehen, ist allerdings bequemer und des Beifalls der Gallerien sicher, wohin¬
gegen die aufreibende Thätigkeit eines Ministers, welcher die Gewissensfrei¬
heit und die Lehrfreiheit gegen jede Verletzung wahren und doch die Ansichten
höchst einflußreicher Kreise schonen, Bildung verbreiten und doch den Staats¬
säckel nicht stärker in Anspruch nehmen, und so noch zwischen allerlei gefähr¬
lichen Klippen sich durchwinden soll, auf Dank von keiner Seite zu zählen
hat, falls er es ehrlich meint. Dieser und der Posten des Ackerbauministers
sollen nun mit den beiden Sectionschefs im Ministerium des Innern besetzt
werden, und zum Landesvertheidigungsminister General Wagner ausersehen sein.
Wagner commandirte in Dalmatien bei Ausbruch des Aufstandes, wurde je¬
doch bald durch den Grafen Auersperg, einen Schwager des Ministers
Giskra ersetzt. Es hieß damals, Wagner werde eine Rechtsertigungsschrift
publiciren, und die Oppositionsblätter verfehlen nicht anzudeuten, daß die er¬
wartete Publication nun in dem Portefeuille des neuen Ministers verschwin¬
den werde. Die Verantwortung für das, was in Dalmatien versäumt und
versehen worden sein mag, muß inzwischen Graf Taaffe allein tragen, ob¬
wohl sich doch annehmen läßt, daß was geschah und was unterblieb, dem
Ministerrathe bekannt gewesen sei und dessen Billigung gehabt habe.

Wenn das Ministerium in der angegebenen Weise reconstruirt wird, so
ist Ablehnung der Verständigungstendenz die Signatur desselben. Die Deut¬
schen aus Böhmen und Mähren haben dann noch viel entschiedener als bis
her die Mehrheit im Cavinet, die Deutschböhmen und Deutschmährer sind
aber die unversöhnlichen Gegner der Czechen, und wenn sie ja mit ihren
Traditionen brechen und sich zu Vermittelungsvorschlägen herbeilassen wollten,
mit ihnen würden die Czechen nicht pactiren. Wie ich vorausgesagt, ist es
eingetroffen: die enragirten Slavenblätter jubeln über die Niederlage der
Minorität im Ministerium und nennen die Sieger die besten Freunde ihrer
Sache. Dazu polemisiren die Moskaner Zeitungen gegen Fischhof's Ideen
— wem das noch nicht die Augen öffnet . . .!




LandwirthschaMche Interessenvertretung.

Der Congreß norddeutscher Landwirthe, welcher am 14. Februar zum
dritten Male in Berlin zusammentritt, wird vermuthlich eine Frage zum Ab¬
schluß bringen, deren lange und lebhafte Erörterung in den landwirthschast-


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[0277] Schmack fanden. Andere sollen sich ausgeredet haben, sie wittern die Reaction auf kirchlichem Gebiete, und dieser Stand zu halten, dazu scheint ihr Patrio¬ tismus nicht aufgelegt zu sein. In der Kammer über das Concordat loszu¬ ziehen, ist allerdings bequemer und des Beifalls der Gallerien sicher, wohin¬ gegen die aufreibende Thätigkeit eines Ministers, welcher die Gewissensfrei¬ heit und die Lehrfreiheit gegen jede Verletzung wahren und doch die Ansichten höchst einflußreicher Kreise schonen, Bildung verbreiten und doch den Staats¬ säckel nicht stärker in Anspruch nehmen, und so noch zwischen allerlei gefähr¬ lichen Klippen sich durchwinden soll, auf Dank von keiner Seite zu zählen hat, falls er es ehrlich meint. Dieser und der Posten des Ackerbauministers sollen nun mit den beiden Sectionschefs im Ministerium des Innern besetzt werden, und zum Landesvertheidigungsminister General Wagner ausersehen sein. Wagner commandirte in Dalmatien bei Ausbruch des Aufstandes, wurde je¬ doch bald durch den Grafen Auersperg, einen Schwager des Ministers Giskra ersetzt. Es hieß damals, Wagner werde eine Rechtsertigungsschrift publiciren, und die Oppositionsblätter verfehlen nicht anzudeuten, daß die er¬ wartete Publication nun in dem Portefeuille des neuen Ministers verschwin¬ den werde. Die Verantwortung für das, was in Dalmatien versäumt und versehen worden sein mag, muß inzwischen Graf Taaffe allein tragen, ob¬ wohl sich doch annehmen läßt, daß was geschah und was unterblieb, dem Ministerrathe bekannt gewesen sei und dessen Billigung gehabt habe. Wenn das Ministerium in der angegebenen Weise reconstruirt wird, so ist Ablehnung der Verständigungstendenz die Signatur desselben. Die Deut¬ schen aus Böhmen und Mähren haben dann noch viel entschiedener als bis her die Mehrheit im Cavinet, die Deutschböhmen und Deutschmährer sind aber die unversöhnlichen Gegner der Czechen, und wenn sie ja mit ihren Traditionen brechen und sich zu Vermittelungsvorschlägen herbeilassen wollten, mit ihnen würden die Czechen nicht pactiren. Wie ich vorausgesagt, ist es eingetroffen: die enragirten Slavenblätter jubeln über die Niederlage der Minorität im Ministerium und nennen die Sieger die besten Freunde ihrer Sache. Dazu polemisiren die Moskaner Zeitungen gegen Fischhof's Ideen — wem das noch nicht die Augen öffnet . . .! LandwirthschaMche Interessenvertretung. Der Congreß norddeutscher Landwirthe, welcher am 14. Februar zum dritten Male in Berlin zusammentritt, wird vermuthlich eine Frage zum Ab¬ schluß bringen, deren lange und lebhafte Erörterung in den landwirthschast-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/277>, abgerufen am 26.06.2024.