Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Das deutsche Element in Uumnnien.
Korrespondenz

Die civilisatorische Thätigkeit der Deutschen, die in der Levante überall
ihre Rolle spielt, erhält in dem heutigen Rumänien keine besondere Illustra¬
tion, so sehr auch diese Länder durch ihre geographische Lage und durch die
in einer Strecke von hundert Meilen an den rumänischen Grenzen vorbei-
fließende Donau an deutschen Einfluß von der Natur schon angewiesen
sind. Die Rumänen sind allerdings am Deutschthum aus ihrer langen
orientalischen Verkommenheit erwacht, an deutscher Hand in die civilisatori-
schen Kreise Europas eingetreten, aber die Deutschen ließen sich aus diesen
Positionen von Franzosen und Engländern bald verdrängen. Diese That¬
sache hatte in den alten Systemen der deutschen Regierungen und nament¬
lich in der Metternich'schen Politik wenigstens zum Theil ihre Erklärung.
Metternich machte den deutsch-östreichischen Namen durch seine türkenfreund¬
liche Politik bei den Moldau-Wallachen wie bei allen übrigen christlichen Be¬
wohnern des Orients verhaßt; er fürchtete ebenso, diese Länder dem russischen
Einflüsse völlig anheimzugeben, als in denselben eine freisinnige volkstümliche
Verfassung aufkommen zu sehen und suchte, so gut es nur ging, jede Be¬
rührung mit denselben zu vermeiden. Als in den Jahren 1844--4S das
Elend der Weber im schlesischen Gebirge die öffentliche Aufmerksamkeit zu
beschäftigen begann, machte der preußische Generalconsul v. Neigebauer seine
Regierung auf die Vortheile einer Colonisation in den so reichen Fürsten-
thümern aufmerksam. Er erhielt zur Antwort: "Man möge solche Gedanken
ja nicht öffentlich zur Sprache bringen." Sowohl Neigebauer wie dessen fran¬
zösischer College Ritter v. Villecoq, der seine Negierung beständig auf die
politische und mercantile Wichtigkeit dieser Länder aufmerksam machte, wurde
als unbequem abgerufen und durch andere Beamte, die sich um dergleichen
Dinge nicht zu kümmern den Austrag erhielten, ersetzt. Freilich blieb noch
die Action der Privaten übrig. Diese von ihren Consuln nicht unterstützten
mittellosen Individuen, die zum großen Theile von ihrer Heimath gleichsam
über Bord geworfen waren, sämmtlich aber auf Begründung irgend einer
Existenz ausgingen, thaten, was sie eben thun konnten, waren aber wenig
geeignet, dem deutschen Element Einfluß zu verschaffen. Die ersten Ein¬
wanderer waren galizische oder deutsche Juden, die hier auch unter
türkischem Regime mehr Freiheit als in der sie verfolgenden Heimath vor¬
fanden. Sie machten sich hier an die verschiedenen Handwerke, vermittelten
den Handelsverkehr mit ihrer ehemaligen Heimath und den Nachbarstaaten,


Das deutsche Element in Uumnnien.
Korrespondenz

Die civilisatorische Thätigkeit der Deutschen, die in der Levante überall
ihre Rolle spielt, erhält in dem heutigen Rumänien keine besondere Illustra¬
tion, so sehr auch diese Länder durch ihre geographische Lage und durch die
in einer Strecke von hundert Meilen an den rumänischen Grenzen vorbei-
fließende Donau an deutschen Einfluß von der Natur schon angewiesen
sind. Die Rumänen sind allerdings am Deutschthum aus ihrer langen
orientalischen Verkommenheit erwacht, an deutscher Hand in die civilisatori-
schen Kreise Europas eingetreten, aber die Deutschen ließen sich aus diesen
Positionen von Franzosen und Engländern bald verdrängen. Diese That¬
sache hatte in den alten Systemen der deutschen Regierungen und nament¬
lich in der Metternich'schen Politik wenigstens zum Theil ihre Erklärung.
Metternich machte den deutsch-östreichischen Namen durch seine türkenfreund¬
liche Politik bei den Moldau-Wallachen wie bei allen übrigen christlichen Be¬
wohnern des Orients verhaßt; er fürchtete ebenso, diese Länder dem russischen
Einflüsse völlig anheimzugeben, als in denselben eine freisinnige volkstümliche
Verfassung aufkommen zu sehen und suchte, so gut es nur ging, jede Be¬
rührung mit denselben zu vermeiden. Als in den Jahren 1844—4S das
Elend der Weber im schlesischen Gebirge die öffentliche Aufmerksamkeit zu
beschäftigen begann, machte der preußische Generalconsul v. Neigebauer seine
Regierung auf die Vortheile einer Colonisation in den so reichen Fürsten-
thümern aufmerksam. Er erhielt zur Antwort: „Man möge solche Gedanken
ja nicht öffentlich zur Sprache bringen." Sowohl Neigebauer wie dessen fran¬
zösischer College Ritter v. Villecoq, der seine Negierung beständig auf die
politische und mercantile Wichtigkeit dieser Länder aufmerksam machte, wurde
als unbequem abgerufen und durch andere Beamte, die sich um dergleichen
Dinge nicht zu kümmern den Austrag erhielten, ersetzt. Freilich blieb noch
die Action der Privaten übrig. Diese von ihren Consuln nicht unterstützten
mittellosen Individuen, die zum großen Theile von ihrer Heimath gleichsam
über Bord geworfen waren, sämmtlich aber auf Begründung irgend einer
Existenz ausgingen, thaten, was sie eben thun konnten, waren aber wenig
geeignet, dem deutschen Element Einfluß zu verschaffen. Die ersten Ein¬
wanderer waren galizische oder deutsche Juden, die hier auch unter
türkischem Regime mehr Freiheit als in der sie verfolgenden Heimath vor¬
fanden. Sie machten sich hier an die verschiedenen Handwerke, vermittelten
den Handelsverkehr mit ihrer ehemaligen Heimath und den Nachbarstaaten,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0502" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121723"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das deutsche Element in Uumnnien.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Korrespondenz</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1535" next="#ID_1536"> Die civilisatorische Thätigkeit der Deutschen, die in der Levante überall<lb/>
ihre Rolle spielt, erhält in dem heutigen Rumänien keine besondere Illustra¬<lb/>
tion, so sehr auch diese Länder durch ihre geographische Lage und durch die<lb/>
in einer Strecke von hundert Meilen an den rumänischen Grenzen vorbei-<lb/>
fließende Donau an deutschen Einfluß von der Natur schon angewiesen<lb/>
sind. Die Rumänen sind allerdings am Deutschthum aus ihrer langen<lb/>
orientalischen Verkommenheit erwacht, an deutscher Hand in die civilisatori-<lb/>
schen Kreise Europas eingetreten, aber die Deutschen ließen sich aus diesen<lb/>
Positionen von Franzosen und Engländern bald verdrängen. Diese That¬<lb/>
sache hatte in den alten Systemen der deutschen Regierungen und nament¬<lb/>
lich in der Metternich'schen Politik wenigstens zum Theil ihre Erklärung.<lb/>
Metternich machte den deutsch-östreichischen Namen durch seine türkenfreund¬<lb/>
liche Politik bei den Moldau-Wallachen wie bei allen übrigen christlichen Be¬<lb/>
wohnern des Orients verhaßt; er fürchtete ebenso, diese Länder dem russischen<lb/>
Einflüsse völlig anheimzugeben, als in denselben eine freisinnige volkstümliche<lb/>
Verfassung aufkommen zu sehen und suchte, so gut es nur ging, jede Be¬<lb/>
rührung mit denselben zu vermeiden. Als in den Jahren 1844&#x2014;4S das<lb/>
Elend der Weber im schlesischen Gebirge die öffentliche Aufmerksamkeit zu<lb/>
beschäftigen begann, machte der preußische Generalconsul v. Neigebauer seine<lb/>
Regierung auf die Vortheile einer Colonisation in den so reichen Fürsten-<lb/>
thümern aufmerksam. Er erhielt zur Antwort: &#x201E;Man möge solche Gedanken<lb/>
ja nicht öffentlich zur Sprache bringen." Sowohl Neigebauer wie dessen fran¬<lb/>
zösischer College Ritter v. Villecoq, der seine Negierung beständig auf die<lb/>
politische und mercantile Wichtigkeit dieser Länder aufmerksam machte, wurde<lb/>
als unbequem abgerufen und durch andere Beamte, die sich um dergleichen<lb/>
Dinge nicht zu kümmern den Austrag erhielten, ersetzt. Freilich blieb noch<lb/>
die Action der Privaten übrig. Diese von ihren Consuln nicht unterstützten<lb/>
mittellosen Individuen, die zum großen Theile von ihrer Heimath gleichsam<lb/>
über Bord geworfen waren, sämmtlich aber auf Begründung irgend einer<lb/>
Existenz ausgingen, thaten, was sie eben thun konnten, waren aber wenig<lb/>
geeignet, dem deutschen Element Einfluß zu verschaffen. Die ersten Ein¬<lb/>
wanderer waren galizische oder deutsche Juden, die hier auch unter<lb/>
türkischem Regime mehr Freiheit als in der sie verfolgenden Heimath vor¬<lb/>
fanden. Sie machten sich hier an die verschiedenen Handwerke, vermittelten<lb/>
den Handelsverkehr mit ihrer ehemaligen Heimath und den Nachbarstaaten,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0502] Das deutsche Element in Uumnnien. Korrespondenz Die civilisatorische Thätigkeit der Deutschen, die in der Levante überall ihre Rolle spielt, erhält in dem heutigen Rumänien keine besondere Illustra¬ tion, so sehr auch diese Länder durch ihre geographische Lage und durch die in einer Strecke von hundert Meilen an den rumänischen Grenzen vorbei- fließende Donau an deutschen Einfluß von der Natur schon angewiesen sind. Die Rumänen sind allerdings am Deutschthum aus ihrer langen orientalischen Verkommenheit erwacht, an deutscher Hand in die civilisatori- schen Kreise Europas eingetreten, aber die Deutschen ließen sich aus diesen Positionen von Franzosen und Engländern bald verdrängen. Diese That¬ sache hatte in den alten Systemen der deutschen Regierungen und nament¬ lich in der Metternich'schen Politik wenigstens zum Theil ihre Erklärung. Metternich machte den deutsch-östreichischen Namen durch seine türkenfreund¬ liche Politik bei den Moldau-Wallachen wie bei allen übrigen christlichen Be¬ wohnern des Orients verhaßt; er fürchtete ebenso, diese Länder dem russischen Einflüsse völlig anheimzugeben, als in denselben eine freisinnige volkstümliche Verfassung aufkommen zu sehen und suchte, so gut es nur ging, jede Be¬ rührung mit denselben zu vermeiden. Als in den Jahren 1844—4S das Elend der Weber im schlesischen Gebirge die öffentliche Aufmerksamkeit zu beschäftigen begann, machte der preußische Generalconsul v. Neigebauer seine Regierung auf die Vortheile einer Colonisation in den so reichen Fürsten- thümern aufmerksam. Er erhielt zur Antwort: „Man möge solche Gedanken ja nicht öffentlich zur Sprache bringen." Sowohl Neigebauer wie dessen fran¬ zösischer College Ritter v. Villecoq, der seine Negierung beständig auf die politische und mercantile Wichtigkeit dieser Länder aufmerksam machte, wurde als unbequem abgerufen und durch andere Beamte, die sich um dergleichen Dinge nicht zu kümmern den Austrag erhielten, ersetzt. Freilich blieb noch die Action der Privaten übrig. Diese von ihren Consuln nicht unterstützten mittellosen Individuen, die zum großen Theile von ihrer Heimath gleichsam über Bord geworfen waren, sämmtlich aber auf Begründung irgend einer Existenz ausgingen, thaten, was sie eben thun konnten, waren aber wenig geeignet, dem deutschen Element Einfluß zu verschaffen. Die ersten Ein¬ wanderer waren galizische oder deutsche Juden, die hier auch unter türkischem Regime mehr Freiheit als in der sie verfolgenden Heimath vor¬ fanden. Sie machten sich hier an die verschiedenen Handwerke, vermittelten den Handelsverkehr mit ihrer ehemaligen Heimath und den Nachbarstaaten,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/502
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/502>, abgerufen am 22.07.2024.