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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Die Mecklenburgischen Womainenbcmcrn und die Mecklenburgische
Verfassung.


Mittelst eines an das Finanzministerium gerichteten großherzoglichen
Rescripts vom 16. November 1867 wurde die Vererbpachtung der gesammten
im Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinschen Domanium belegenen Bauer¬
hufen -- ca. 4000 an der Zahl mit einem Gesammtareal von etwa 28
iH Meilen -- verfügt. Wäre nicht schon in jenem Rescript als nächster
Zweck dieser Maßregel die Schaffung eines unabhängigen Bauernstandes be¬
zeichnet worden, so hätte über deren wesentlich politische Bedeutung doch kein
Zweifel mehr bleiben können, als wenige Tage darauf (19. Novbr. 1867) bei
Eröffnung des Sternberger Landtags die großherzoglichen Commissarien sich
veranlaßt fanden, dieser Maßregel im engsten Zusammenhange mit dem Hin¬
weis auf die durch Constituirung des norddeutschen Bundes unabweislich
nothwendig gewordenen Umgestaltung wesentlicher Bestimmungen der mecklen¬
burgischen Verfassung -- zu erwähnen. Das Domanium ist bekanntlich der aus¬
schließlichen Gesetzgebungsgewalt des Großherzogs unterworfen, ohne daß die
Stände ein Recht hätten, sich in die Angelegenheiten desselben zu mischen.
Wenn der Großherzog gleichwohl Veranlassung nahm, die Aufmerksamkeit des ver¬
sammelten Landtags auf eine so tief in die domanialen Verhältnisse eingreifende
Maßregel zu lenken, indem er gleichzeitig an die nicht minder tief in die
Verhältnisse des ganzen Landes eingreifenden Consequenzen der Bundes¬
verfassung erinnern ließ, so ist schon von vorn herein der Gedanke nahe ge-
legt, daß damit ein politischer Effect beabsichtigt wurde. Und in der That!
wenn nicht alle Anzeichen trügen, will die Regierung sich in dem durch die
Vererbpachtung heranzubildenden Bauernstande einen Factor schaffen, der
einerseits bestimmt ist, eine "Fortbildung" der Landesverfassung möglich
zu machen, durch welche man die immer dringender auftretende Forderung
einer Verfassungsreform zu erledigen hofft, der andererseits aber auch geeignet
ist. dem wankenden Bau der landesgrundgesetzlichen Institutionen neuen Halt
zu geben.

Da wir es hier nicht mit der wirthschaftlichen, sondern mit der politi¬
schen Seite dieser Sache zu thun haben, beschränken wir uns darauf, aus
dem Inhalt der in Rede stehenden Maßregel anzuführen, daß den Bauern
die Hufen bis zu einer gewissen Größe (18,000 mecklenb. in Ruthen) unent¬
geltlich, der etwaige Arealüberschuß aber gegen Zahlung eines Erbstands-
geldes überlassen werden soll; daß sie die Grundherrschaft für die Ueberlassung
der herrschaftlichen Inventarien, sowie für die auf die Hufen verwandten
Saat- und Ackerbestellungskosten entschädigen, bei Hufen von einer gewissen


Die Mecklenburgischen Womainenbcmcrn und die Mecklenburgische
Verfassung.


Mittelst eines an das Finanzministerium gerichteten großherzoglichen
Rescripts vom 16. November 1867 wurde die Vererbpachtung der gesammten
im Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinschen Domanium belegenen Bauer¬
hufen — ca. 4000 an der Zahl mit einem Gesammtareal von etwa 28
iH Meilen — verfügt. Wäre nicht schon in jenem Rescript als nächster
Zweck dieser Maßregel die Schaffung eines unabhängigen Bauernstandes be¬
zeichnet worden, so hätte über deren wesentlich politische Bedeutung doch kein
Zweifel mehr bleiben können, als wenige Tage darauf (19. Novbr. 1867) bei
Eröffnung des Sternberger Landtags die großherzoglichen Commissarien sich
veranlaßt fanden, dieser Maßregel im engsten Zusammenhange mit dem Hin¬
weis auf die durch Constituirung des norddeutschen Bundes unabweislich
nothwendig gewordenen Umgestaltung wesentlicher Bestimmungen der mecklen¬
burgischen Verfassung — zu erwähnen. Das Domanium ist bekanntlich der aus¬
schließlichen Gesetzgebungsgewalt des Großherzogs unterworfen, ohne daß die
Stände ein Recht hätten, sich in die Angelegenheiten desselben zu mischen.
Wenn der Großherzog gleichwohl Veranlassung nahm, die Aufmerksamkeit des ver¬
sammelten Landtags auf eine so tief in die domanialen Verhältnisse eingreifende
Maßregel zu lenken, indem er gleichzeitig an die nicht minder tief in die
Verhältnisse des ganzen Landes eingreifenden Consequenzen der Bundes¬
verfassung erinnern ließ, so ist schon von vorn herein der Gedanke nahe ge-
legt, daß damit ein politischer Effect beabsichtigt wurde. Und in der That!
wenn nicht alle Anzeichen trügen, will die Regierung sich in dem durch die
Vererbpachtung heranzubildenden Bauernstande einen Factor schaffen, der
einerseits bestimmt ist, eine „Fortbildung" der Landesverfassung möglich
zu machen, durch welche man die immer dringender auftretende Forderung
einer Verfassungsreform zu erledigen hofft, der andererseits aber auch geeignet
ist. dem wankenden Bau der landesgrundgesetzlichen Institutionen neuen Halt
zu geben.

Da wir es hier nicht mit der wirthschaftlichen, sondern mit der politi¬
schen Seite dieser Sache zu thun haben, beschränken wir uns darauf, aus
dem Inhalt der in Rede stehenden Maßregel anzuführen, daß den Bauern
die Hufen bis zu einer gewissen Größe (18,000 mecklenb. in Ruthen) unent¬
geltlich, der etwaige Arealüberschuß aber gegen Zahlung eines Erbstands-
geldes überlassen werden soll; daß sie die Grundherrschaft für die Ueberlassung
der herrschaftlichen Inventarien, sowie für die auf die Hufen verwandten
Saat- und Ackerbestellungskosten entschädigen, bei Hufen von einer gewissen


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[0028] Die Mecklenburgischen Womainenbcmcrn und die Mecklenburgische Verfassung. Mittelst eines an das Finanzministerium gerichteten großherzoglichen Rescripts vom 16. November 1867 wurde die Vererbpachtung der gesammten im Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinschen Domanium belegenen Bauer¬ hufen — ca. 4000 an der Zahl mit einem Gesammtareal von etwa 28 iH Meilen — verfügt. Wäre nicht schon in jenem Rescript als nächster Zweck dieser Maßregel die Schaffung eines unabhängigen Bauernstandes be¬ zeichnet worden, so hätte über deren wesentlich politische Bedeutung doch kein Zweifel mehr bleiben können, als wenige Tage darauf (19. Novbr. 1867) bei Eröffnung des Sternberger Landtags die großherzoglichen Commissarien sich veranlaßt fanden, dieser Maßregel im engsten Zusammenhange mit dem Hin¬ weis auf die durch Constituirung des norddeutschen Bundes unabweislich nothwendig gewordenen Umgestaltung wesentlicher Bestimmungen der mecklen¬ burgischen Verfassung — zu erwähnen. Das Domanium ist bekanntlich der aus¬ schließlichen Gesetzgebungsgewalt des Großherzogs unterworfen, ohne daß die Stände ein Recht hätten, sich in die Angelegenheiten desselben zu mischen. Wenn der Großherzog gleichwohl Veranlassung nahm, die Aufmerksamkeit des ver¬ sammelten Landtags auf eine so tief in die domanialen Verhältnisse eingreifende Maßregel zu lenken, indem er gleichzeitig an die nicht minder tief in die Verhältnisse des ganzen Landes eingreifenden Consequenzen der Bundes¬ verfassung erinnern ließ, so ist schon von vorn herein der Gedanke nahe ge- legt, daß damit ein politischer Effect beabsichtigt wurde. Und in der That! wenn nicht alle Anzeichen trügen, will die Regierung sich in dem durch die Vererbpachtung heranzubildenden Bauernstande einen Factor schaffen, der einerseits bestimmt ist, eine „Fortbildung" der Landesverfassung möglich zu machen, durch welche man die immer dringender auftretende Forderung einer Verfassungsreform zu erledigen hofft, der andererseits aber auch geeignet ist. dem wankenden Bau der landesgrundgesetzlichen Institutionen neuen Halt zu geben. Da wir es hier nicht mit der wirthschaftlichen, sondern mit der politi¬ schen Seite dieser Sache zu thun haben, beschränken wir uns darauf, aus dem Inhalt der in Rede stehenden Maßregel anzuführen, daß den Bauern die Hufen bis zu einer gewissen Größe (18,000 mecklenb. in Ruthen) unent¬ geltlich, der etwaige Arealüberschuß aber gegen Zahlung eines Erbstands- geldes überlassen werden soll; daß sie die Grundherrschaft für die Ueberlassung der herrschaftlichen Inventarien, sowie für die auf die Hufen verwandten Saat- und Ackerbestellungskosten entschädigen, bei Hufen von einer gewissen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/28>, abgerufen am 03.07.2024.