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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Schritte zur Herbeiführung derselben geschehen. Ob dies durch eigne Ein¬
ladung oder einen Appell an Frankreich als die früher einladende Macht
auszurichten wäre, erscheint,, Gleichheit des Erfolges vorausgesetzt, ziemlich
gleichgültig. Einen nationalen Ehrenpunkt sehen wir nicht darin verflochten.
Die zweite Weltmünzconferenz würde uns aber nur dann dem praktischen
Ziele näher bringen als die erste, wenn die Bevollmächtigten der Haupt¬
städten auf ihr mit wirklicher Vollmacht zur Vereinbarung erschienen. Soweit
müßten bis dahin in den einzelnen Ländern die Ansichten geklärt und die
Entschlüsse gereist sein. Durch einen bloßen theoretischen Meinungsaustausch
dürfen wir uns in der Gestaltung der nationalen Münzeinheit nicht auf¬
halten lassen.




ZUthessisch und neupreußisch.
II.
> (Vergl. Ur. 21 der Grenzboten.)

Von allen Veränderungen, welche die preußische Regierung an unseren
Einrichtungen vorgenommen hat, ist keine mit größerem Mißbehagen auf¬
genommen worden, als die Umgestaltung unserer Justizorganisation. Ver¬
schiedene Umstände haben dazu beigetragen, dasselbe weit über die Grenzen
der Fachmänner hinaus auszudehnen, obwohl die Wirkung dieser Ma߬
regel nicht so allgemein empfunden wurde als z. B. die Erhöhung der
Steuern. Die angesehensten Führer der national-liberalen Partei haben daher
auch nicht umhin gekonnt, in den stärksten Ausdrücken über sie den Stab zu
brechen. Fr. Oetker hat wiederholt über "Nechtsverwüstung" geklagt und
trotzdem, daß jetzt nun schon Jahr und Tag über die Einführung der Neue¬
rungen hingegangen ist, bildet gerade diese reformirende Thätigkeit des preu¬
ßischen Ministeriums fortwährend noch einen Stein des Anstoßes.

Es ist im Allgemeinen bekannt, daß Kurhessen seit längerer Zeit schon
ein Recht darauf hatte, auf den Zustand seiner Rechtspflege stolz zu sein.
Die Unabhängigkeit der Gerichte hatte sich hier schon zu einer Zeit aus¬
gebildet, wo noch ringsumher mehr oder weniger Cabinetsjustiz geübt wurde.
Die Gerichte entschieden selbstständig über die Frage, ob eine Angelegenheit
vor ihr Forum gehöre oder im Verwaltungswege zu erledigen sei; sie sprachen


Schritte zur Herbeiführung derselben geschehen. Ob dies durch eigne Ein¬
ladung oder einen Appell an Frankreich als die früher einladende Macht
auszurichten wäre, erscheint,, Gleichheit des Erfolges vorausgesetzt, ziemlich
gleichgültig. Einen nationalen Ehrenpunkt sehen wir nicht darin verflochten.
Die zweite Weltmünzconferenz würde uns aber nur dann dem praktischen
Ziele näher bringen als die erste, wenn die Bevollmächtigten der Haupt¬
städten auf ihr mit wirklicher Vollmacht zur Vereinbarung erschienen. Soweit
müßten bis dahin in den einzelnen Ländern die Ansichten geklärt und die
Entschlüsse gereist sein. Durch einen bloßen theoretischen Meinungsaustausch
dürfen wir uns in der Gestaltung der nationalen Münzeinheit nicht auf¬
halten lassen.




ZUthessisch und neupreußisch.
II.
> (Vergl. Ur. 21 der Grenzboten.)

Von allen Veränderungen, welche die preußische Regierung an unseren
Einrichtungen vorgenommen hat, ist keine mit größerem Mißbehagen auf¬
genommen worden, als die Umgestaltung unserer Justizorganisation. Ver¬
schiedene Umstände haben dazu beigetragen, dasselbe weit über die Grenzen
der Fachmänner hinaus auszudehnen, obwohl die Wirkung dieser Ma߬
regel nicht so allgemein empfunden wurde als z. B. die Erhöhung der
Steuern. Die angesehensten Führer der national-liberalen Partei haben daher
auch nicht umhin gekonnt, in den stärksten Ausdrücken über sie den Stab zu
brechen. Fr. Oetker hat wiederholt über „Nechtsverwüstung" geklagt und
trotzdem, daß jetzt nun schon Jahr und Tag über die Einführung der Neue¬
rungen hingegangen ist, bildet gerade diese reformirende Thätigkeit des preu¬
ßischen Ministeriums fortwährend noch einen Stein des Anstoßes.

Es ist im Allgemeinen bekannt, daß Kurhessen seit längerer Zeit schon
ein Recht darauf hatte, auf den Zustand seiner Rechtspflege stolz zu sein.
Die Unabhängigkeit der Gerichte hatte sich hier schon zu einer Zeit aus¬
gebildet, wo noch ringsumher mehr oder weniger Cabinetsjustiz geübt wurde.
Die Gerichte entschieden selbstständig über die Frage, ob eine Angelegenheit
vor ihr Forum gehöre oder im Verwaltungswege zu erledigen sei; sie sprachen


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[0494] Schritte zur Herbeiführung derselben geschehen. Ob dies durch eigne Ein¬ ladung oder einen Appell an Frankreich als die früher einladende Macht auszurichten wäre, erscheint,, Gleichheit des Erfolges vorausgesetzt, ziemlich gleichgültig. Einen nationalen Ehrenpunkt sehen wir nicht darin verflochten. Die zweite Weltmünzconferenz würde uns aber nur dann dem praktischen Ziele näher bringen als die erste, wenn die Bevollmächtigten der Haupt¬ städten auf ihr mit wirklicher Vollmacht zur Vereinbarung erschienen. Soweit müßten bis dahin in den einzelnen Ländern die Ansichten geklärt und die Entschlüsse gereist sein. Durch einen bloßen theoretischen Meinungsaustausch dürfen wir uns in der Gestaltung der nationalen Münzeinheit nicht auf¬ halten lassen. ZUthessisch und neupreußisch. II. > (Vergl. Ur. 21 der Grenzboten.) Von allen Veränderungen, welche die preußische Regierung an unseren Einrichtungen vorgenommen hat, ist keine mit größerem Mißbehagen auf¬ genommen worden, als die Umgestaltung unserer Justizorganisation. Ver¬ schiedene Umstände haben dazu beigetragen, dasselbe weit über die Grenzen der Fachmänner hinaus auszudehnen, obwohl die Wirkung dieser Ma߬ regel nicht so allgemein empfunden wurde als z. B. die Erhöhung der Steuern. Die angesehensten Führer der national-liberalen Partei haben daher auch nicht umhin gekonnt, in den stärksten Ausdrücken über sie den Stab zu brechen. Fr. Oetker hat wiederholt über „Nechtsverwüstung" geklagt und trotzdem, daß jetzt nun schon Jahr und Tag über die Einführung der Neue¬ rungen hingegangen ist, bildet gerade diese reformirende Thätigkeit des preu¬ ßischen Ministeriums fortwährend noch einen Stein des Anstoßes. Es ist im Allgemeinen bekannt, daß Kurhessen seit längerer Zeit schon ein Recht darauf hatte, auf den Zustand seiner Rechtspflege stolz zu sein. Die Unabhängigkeit der Gerichte hatte sich hier schon zu einer Zeit aus¬ gebildet, wo noch ringsumher mehr oder weniger Cabinetsjustiz geübt wurde. Die Gerichte entschieden selbstständig über die Frage, ob eine Angelegenheit vor ihr Forum gehöre oder im Verwaltungswege zu erledigen sei; sie sprachen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/494>, abgerufen am 04.07.2024.