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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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die Gesammtrichtung seiner Arbeit eine entschieden freisinnige ist, läßt sich
eine unmittelbare Uebereinstimmung derselben mit einem der officiellen Pro¬
gramme der großen Parteien weder behaupten noch nachweisen. Die vom
Vers, geübte Kritik steht auf einem Standpunkt, den er selbst in der Vorrede
mit den gerechtfertigten Worten andeutet: "Indem ich die "Principien der
Politik" niederschrieb, habe ich nicht gefragt, ob ich überall in Uebereinstim¬
mung mit denen bliebe, denen ich mich im öffentlichen Leben zumeist ver¬
wandt fühle oder solchen überall widerspreche, die ich sonst als meine Gegner
betrachte. Wie Feuerbach wünschte ich im Statuen der wissenschaftlichen
Untersuchung wohl von mir sagen zu können: nulli me maneiMvi, nullius
llvwöll dero."




Briefe aus SicMen.

Großartig ist der Eindruck der Stadt Palermo nicht; um ein. zwei
Stockwerke niedriger als Neapel, mit breiten Hauptstraßen, aber engen Neben¬
gassen, ohne bemerkenswerthe Handelsbewegung, sieht es noch kleinstädtischer
und ländlicher aus, als jenes. Etwas mehr fühlt man hier die Vergangen¬
heit durch als in Neapel; hie und da eine Renaissaneefacade, ein antikes
oder gothisches Motiv, auch an Privathäusern die geschweiften Formen
der eisernen Gitter, welche die Balkons einfassen, und der Consolen, auf
denen sie ruhen, das Alles führt die Phantasie in die früheren Perioden der
Geschichte zurück, von denen Palermo keine einzige ganz überschlagen hat.
Im Aeußern der Häuser fühlt sich am meisten die Einwirkung der spanischen
Zeit durch. Wie solche Vergangenheit auch oft dem Kleinsten und Alltäg¬
lichsten, dem Geräthe des gewöhnlichen Lebens abzulesen ist! Da begeg¬
neten uns zahlreiche Lastkarren auf zwei Rädern, mit einem Pferde oder
Esel bespannt; die Seitenwände des Wagenkastens sind in grellen Farben,
meist mit sechs Bildern bemalt, die aus der weltlichen Geschichte so gut wie
aus der heiligen ihre Gegenstände entnehmen. Ferdinand Cortez, Christoph
Columbus begegneten uns ziemlich oft, auch Scipio Africanus ist dargestellt;
dazu sind die Pferde mit Geschirren belegt, die in arabischen Mustern bunt
übernäht sind, das Scheuleder eine hübsche kleine Mosaik in verschiedenfar¬
bigen Tuchstückchen, mit Gold umsäumt und durchsetzt.

Das Städtchen Monreale liegt auf der mittleren Höhe der Kalkberge,
welche die kleine Ebene Palermo's nach dem Lande zu einfassen. Berühmt


die Gesammtrichtung seiner Arbeit eine entschieden freisinnige ist, läßt sich
eine unmittelbare Uebereinstimmung derselben mit einem der officiellen Pro¬
gramme der großen Parteien weder behaupten noch nachweisen. Die vom
Vers, geübte Kritik steht auf einem Standpunkt, den er selbst in der Vorrede
mit den gerechtfertigten Worten andeutet: „Indem ich die „Principien der
Politik" niederschrieb, habe ich nicht gefragt, ob ich überall in Uebereinstim¬
mung mit denen bliebe, denen ich mich im öffentlichen Leben zumeist ver¬
wandt fühle oder solchen überall widerspreche, die ich sonst als meine Gegner
betrachte. Wie Feuerbach wünschte ich im Statuen der wissenschaftlichen
Untersuchung wohl von mir sagen zu können: nulli me maneiMvi, nullius
llvwöll dero."




Briefe aus SicMen.

Großartig ist der Eindruck der Stadt Palermo nicht; um ein. zwei
Stockwerke niedriger als Neapel, mit breiten Hauptstraßen, aber engen Neben¬
gassen, ohne bemerkenswerthe Handelsbewegung, sieht es noch kleinstädtischer
und ländlicher aus, als jenes. Etwas mehr fühlt man hier die Vergangen¬
heit durch als in Neapel; hie und da eine Renaissaneefacade, ein antikes
oder gothisches Motiv, auch an Privathäusern die geschweiften Formen
der eisernen Gitter, welche die Balkons einfassen, und der Consolen, auf
denen sie ruhen, das Alles führt die Phantasie in die früheren Perioden der
Geschichte zurück, von denen Palermo keine einzige ganz überschlagen hat.
Im Aeußern der Häuser fühlt sich am meisten die Einwirkung der spanischen
Zeit durch. Wie solche Vergangenheit auch oft dem Kleinsten und Alltäg¬
lichsten, dem Geräthe des gewöhnlichen Lebens abzulesen ist! Da begeg¬
neten uns zahlreiche Lastkarren auf zwei Rädern, mit einem Pferde oder
Esel bespannt; die Seitenwände des Wagenkastens sind in grellen Farben,
meist mit sechs Bildern bemalt, die aus der weltlichen Geschichte so gut wie
aus der heiligen ihre Gegenstände entnehmen. Ferdinand Cortez, Christoph
Columbus begegneten uns ziemlich oft, auch Scipio Africanus ist dargestellt;
dazu sind die Pferde mit Geschirren belegt, die in arabischen Mustern bunt
übernäht sind, das Scheuleder eine hübsche kleine Mosaik in verschiedenfar¬
bigen Tuchstückchen, mit Gold umsäumt und durchsetzt.

Das Städtchen Monreale liegt auf der mittleren Höhe der Kalkberge,
welche die kleine Ebene Palermo's nach dem Lande zu einfassen. Berühmt


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[0036] die Gesammtrichtung seiner Arbeit eine entschieden freisinnige ist, läßt sich eine unmittelbare Uebereinstimmung derselben mit einem der officiellen Pro¬ gramme der großen Parteien weder behaupten noch nachweisen. Die vom Vers, geübte Kritik steht auf einem Standpunkt, den er selbst in der Vorrede mit den gerechtfertigten Worten andeutet: „Indem ich die „Principien der Politik" niederschrieb, habe ich nicht gefragt, ob ich überall in Uebereinstim¬ mung mit denen bliebe, denen ich mich im öffentlichen Leben zumeist ver¬ wandt fühle oder solchen überall widerspreche, die ich sonst als meine Gegner betrachte. Wie Feuerbach wünschte ich im Statuen der wissenschaftlichen Untersuchung wohl von mir sagen zu können: nulli me maneiMvi, nullius llvwöll dero." Briefe aus SicMen. Großartig ist der Eindruck der Stadt Palermo nicht; um ein. zwei Stockwerke niedriger als Neapel, mit breiten Hauptstraßen, aber engen Neben¬ gassen, ohne bemerkenswerthe Handelsbewegung, sieht es noch kleinstädtischer und ländlicher aus, als jenes. Etwas mehr fühlt man hier die Vergangen¬ heit durch als in Neapel; hie und da eine Renaissaneefacade, ein antikes oder gothisches Motiv, auch an Privathäusern die geschweiften Formen der eisernen Gitter, welche die Balkons einfassen, und der Consolen, auf denen sie ruhen, das Alles führt die Phantasie in die früheren Perioden der Geschichte zurück, von denen Palermo keine einzige ganz überschlagen hat. Im Aeußern der Häuser fühlt sich am meisten die Einwirkung der spanischen Zeit durch. Wie solche Vergangenheit auch oft dem Kleinsten und Alltäg¬ lichsten, dem Geräthe des gewöhnlichen Lebens abzulesen ist! Da begeg¬ neten uns zahlreiche Lastkarren auf zwei Rädern, mit einem Pferde oder Esel bespannt; die Seitenwände des Wagenkastens sind in grellen Farben, meist mit sechs Bildern bemalt, die aus der weltlichen Geschichte so gut wie aus der heiligen ihre Gegenstände entnehmen. Ferdinand Cortez, Christoph Columbus begegneten uns ziemlich oft, auch Scipio Africanus ist dargestellt; dazu sind die Pferde mit Geschirren belegt, die in arabischen Mustern bunt übernäht sind, das Scheuleder eine hübsche kleine Mosaik in verschiedenfar¬ bigen Tuchstückchen, mit Gold umsäumt und durchsetzt. Das Städtchen Monreale liegt auf der mittleren Höhe der Kalkberge, welche die kleine Ebene Palermo's nach dem Lande zu einfassen. Berühmt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/36>, abgerufen am 24.07.2024.