Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.schieden im Vordergrunde und hätte, was die officiösen Journale planen Wir haben bei Erwähnung der Reise des Prinzen Napoleon bereits be¬ Daß Verhältnisse so zugespitzter Natur nichtsdestoweniger seit Wochen Mit Ur. SV beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt. Verlag von F. L. Hertig. -- Druck von Hüthel Segler in Leipzig. schieden im Vordergrunde und hätte, was die officiösen Journale planen Wir haben bei Erwähnung der Reise des Prinzen Napoleon bereits be¬ Daß Verhältnisse so zugespitzter Natur nichtsdestoweniger seit Wochen Mit Ur. SV beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt. Verlag von F. L. Hertig. — Druck von Hüthel Segler in Leipzig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0524" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/118056"/> <p xml:id="ID_1621" prev="#ID_1620"> schieden im Vordergrunde und hätte, was die officiösen Journale planen<lb/> und conjekturiren, nicht die Präsumption der Wahrheit gegen sich, so könnte<lb/> man glauben, es sei zunächst auf eine Diversion im Orient abgesehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1622"> Wir haben bei Erwähnung der Reise des Prinzen Napoleon bereits be¬<lb/> rührt, daß derselben russischer Seits mit vielem Mißtrauen entgegen ge¬<lb/> sehen wird. Man fürchtet nicht nur eine östreichisch-französische Einmischung<lb/> in die serbischen Dinge, sondern eine Unterstützung der Pforte in ihrem gegen<lb/> Kandia und Griechenland eingeschlagenen Verfahren. Fuad Paschas<lb/> Versuche, den kandiotischen Aufstand als definitiv beendet und jeden Schritt<lb/> über die neuerdings den Rajahs gemachten Concessionen hinaus als über¬<lb/> flüssig darzustellen, werden von westmächtlicher Seite so lebhaft unterstützt,<lb/> von den Russen so energisch bekämpft, daß das Ausbleiben eines offenen dip¬<lb/> lomatischen Conflicts nur aus den beiderseitigen Besorgnissen vor den Folgen<lb/> erklärt werden kann. Die letzte entschiedene Kundgebung war die von dem<lb/> Journal de Se. Petersburg ausgesprochene Behauptung, das angebliche Ge¬<lb/> such der ausgewanderten Kandioten um die Erlaubniß zur Rückkehr, sei eine<lb/> frivole Erfindung des türkischen Ministers, die Unterschriften rührten ent¬<lb/> weder von Personen her, die seit Jahr und Tag außerhalb der Insel lebten,<lb/> oder von solchen, die nur in der Phantasie Fuads existirten. Gleichzeitig<lb/> hat das Ministerium Bulgaris alle Mühe sich gegen die griechische National¬<lb/> partei und deren Drängen zu offenem Bruch mit der Pforte zu behaupten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1623"> Daß Verhältnisse so zugespitzter Natur nichtsdestoweniger seit Wochen<lb/> und Monaten in der Schwebe bleiben, daß trotz aller Hoffnungen und Be¬<lb/> fürchtungen, welche sich an die orientalische Reise des französischen Prinzen<lb/> knüpfen, zunächst noch alle directen Anzeichen eines Bruchs fehlen — das kann<lb/> nur aus dem tiefen Friedensbedürfniß der Welt und aus der Discrepanz<lb/> zwischen den politischen und den socialen Bestrebungen und Bedürfnissen der<lb/> Menschen erklärt werden. Selbst die neuen Fortschritte, welche die russische Macht<lb/> durch die Eroberung von Samarkand gemacht hat, ist — von der in solchen Fällen<lb/> üblichen Zeitungspolemik abgesehen — folgenlos geblieben und alles rüstet zu<lb/> friedlicher"Erholung, nicht zu dem Kriege, den die Rüstungen des Winters und<lb/> Frühjahrs unvermeidlich gemacht zu haben schienen. Der Kaiser von Nußland<lb/> geht in die deutschen Bäder, Napoleon weilt zu Fontainebleau, König Wilhelm<lb/> besucht Hannover und Worms, um dann gleichfalls in die Bäder zu gehen,<lb/> Graf Bismarck hat sich zur Wiederherstellung seiner Gesundheit nach Pom¬<lb/> mern zurückgezogen und trotz der Schatten, welche von Osten wie von Westen<lb/> auf die Situation fallen, droht kein Gewitter. Die Menschheit darf einen<lb/> Augenblick ausathmen, sie will sich ihr Recht auf Erholung nicht verkürzen<lb/> lassen. Wenige Wochen und die Waffen, welche heute bei Seite gelegt zu<lb/> werden scheinen, sie werden wieder angethan. Ob zum Kampf oder zu gegen¬<lb/> seitiger Einschüchterung und Ermüdung — wer weiß es zu sagen?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div> <floatingText> <body> <div type="advertisement"> <p> Mit Ur. SV beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,<lb/> welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬<lb/> ziehen ist.<lb/> Leipzig, im Juni 1868.Die Verlagshandlung^</p> </div> </body> </floatingText> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.<lb/> Verlag von F. L. Hertig. — Druck von Hüthel Segler in Leipzig.</note><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0524]
schieden im Vordergrunde und hätte, was die officiösen Journale planen
und conjekturiren, nicht die Präsumption der Wahrheit gegen sich, so könnte
man glauben, es sei zunächst auf eine Diversion im Orient abgesehen.
Wir haben bei Erwähnung der Reise des Prinzen Napoleon bereits be¬
rührt, daß derselben russischer Seits mit vielem Mißtrauen entgegen ge¬
sehen wird. Man fürchtet nicht nur eine östreichisch-französische Einmischung
in die serbischen Dinge, sondern eine Unterstützung der Pforte in ihrem gegen
Kandia und Griechenland eingeschlagenen Verfahren. Fuad Paschas
Versuche, den kandiotischen Aufstand als definitiv beendet und jeden Schritt
über die neuerdings den Rajahs gemachten Concessionen hinaus als über¬
flüssig darzustellen, werden von westmächtlicher Seite so lebhaft unterstützt,
von den Russen so energisch bekämpft, daß das Ausbleiben eines offenen dip¬
lomatischen Conflicts nur aus den beiderseitigen Besorgnissen vor den Folgen
erklärt werden kann. Die letzte entschiedene Kundgebung war die von dem
Journal de Se. Petersburg ausgesprochene Behauptung, das angebliche Ge¬
such der ausgewanderten Kandioten um die Erlaubniß zur Rückkehr, sei eine
frivole Erfindung des türkischen Ministers, die Unterschriften rührten ent¬
weder von Personen her, die seit Jahr und Tag außerhalb der Insel lebten,
oder von solchen, die nur in der Phantasie Fuads existirten. Gleichzeitig
hat das Ministerium Bulgaris alle Mühe sich gegen die griechische National¬
partei und deren Drängen zu offenem Bruch mit der Pforte zu behaupten.
Daß Verhältnisse so zugespitzter Natur nichtsdestoweniger seit Wochen
und Monaten in der Schwebe bleiben, daß trotz aller Hoffnungen und Be¬
fürchtungen, welche sich an die orientalische Reise des französischen Prinzen
knüpfen, zunächst noch alle directen Anzeichen eines Bruchs fehlen — das kann
nur aus dem tiefen Friedensbedürfniß der Welt und aus der Discrepanz
zwischen den politischen und den socialen Bestrebungen und Bedürfnissen der
Menschen erklärt werden. Selbst die neuen Fortschritte, welche die russische Macht
durch die Eroberung von Samarkand gemacht hat, ist — von der in solchen Fällen
üblichen Zeitungspolemik abgesehen — folgenlos geblieben und alles rüstet zu
friedlicher"Erholung, nicht zu dem Kriege, den die Rüstungen des Winters und
Frühjahrs unvermeidlich gemacht zu haben schienen. Der Kaiser von Nußland
geht in die deutschen Bäder, Napoleon weilt zu Fontainebleau, König Wilhelm
besucht Hannover und Worms, um dann gleichfalls in die Bäder zu gehen,
Graf Bismarck hat sich zur Wiederherstellung seiner Gesundheit nach Pom¬
mern zurückgezogen und trotz der Schatten, welche von Osten wie von Westen
auf die Situation fallen, droht kein Gewitter. Die Menschheit darf einen
Augenblick ausathmen, sie will sich ihr Recht auf Erholung nicht verkürzen
lassen. Wenige Wochen und die Waffen, welche heute bei Seite gelegt zu
werden scheinen, sie werden wieder angethan. Ob zum Kampf oder zu gegen¬
seitiger Einschüchterung und Ermüdung — wer weiß es zu sagen?
Mit Ur. SV beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im Juni 1868.Die Verlagshandlung^
Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Hertig. — Druck von Hüthel Segler in Leipzig.
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