Die norddeutschen Kriegshafen. 2. Die Küste in strategischer Beziehung. -- Die Odermündung.
Der ganze Küstenzug Norddeutschlands, der über 180 Meilen lang ist, bietet auffallend wenig Buchten, welche durch ihre natürliche Beschaffenheit zur Benutzung als Kriegshafen geeignet wären. Die meisten Haupthafen Norddeutschlands sind durch die Mündungen großer Ströme gebildet, welche sämmtlich nach Norden fließen, und nur wenige andere Punkte der Küste, von den Schleswig-holsteinischen Föhrden abgesehen, sind durch die Natur so begünstigt, daß sie sich als Häfen benutzen lassen. Wenn nun auch dieser Umstand für die Anlage von Handelshafen gewisse Vortheile gewährt, in¬ sofern durch den Strom eine bequeme Schifffahrtsverbindung mit dem Hinterkante ermöglicht wird -- Vortheile, die allerdings im Zeitalter der Eisenbahnen nicht mehr ganz so wichtig sind wie früher --, so wird die An¬ lage von Kriegshafen dadurch doch erheblich erschwert. Abgesehen davon, daß die Strommündungen schon durch Handelshafenanlagen besetzt sind, deren Verkehr mit demjenigen in den Kriegshafen störend collidiren würde, so ist hier auch das aus Seewasser und Süßwasser gemischte Brackwasser in manchen Theilen der Erhaltung von Kriegsschiffen bei weitem nicht so günstig als reines Seewasser, und namentlich beeinträchtigen die Sinkstoffe, welche von den Flüssen mitgeführt werden und fortwährend Verschlickung oder Versandung bewirken, den Werth solcher Strommündungen als Häfen ungemein. Weit günstiger sind in dieser Beziehung England, Italien, Oestreich oder Frankreich gestellt: weder Portsmouth noch Spezzia, Genua, Ancona oder Neapel noch auch Brest, Cherbourg oder Toulon, Trieft, Pola oder Cattaro liegen an großen Strommündungen, und selbst der Hafen von Havre wird nicht durch die Seinemündung gebildet, sondern ist neben derselben (östlich davon) künstlichen das Land hineingegraben.
In Deutschland dagegen gibt es nur wenige derartige Punkte, wo eine Meeresbucht ohne Strommündung die Anlage eines guten Hafens gestattet: in der Nordsee ist namentlich der Jahdebusen, in der Ostsee außer den schles-
Grenzboten II. 1868. 41
Die norddeutschen Kriegshafen. 2. Die Küste in strategischer Beziehung. — Die Odermündung.
Der ganze Küstenzug Norddeutschlands, der über 180 Meilen lang ist, bietet auffallend wenig Buchten, welche durch ihre natürliche Beschaffenheit zur Benutzung als Kriegshafen geeignet wären. Die meisten Haupthafen Norddeutschlands sind durch die Mündungen großer Ströme gebildet, welche sämmtlich nach Norden fließen, und nur wenige andere Punkte der Küste, von den Schleswig-holsteinischen Föhrden abgesehen, sind durch die Natur so begünstigt, daß sie sich als Häfen benutzen lassen. Wenn nun auch dieser Umstand für die Anlage von Handelshafen gewisse Vortheile gewährt, in¬ sofern durch den Strom eine bequeme Schifffahrtsverbindung mit dem Hinterkante ermöglicht wird — Vortheile, die allerdings im Zeitalter der Eisenbahnen nicht mehr ganz so wichtig sind wie früher —, so wird die An¬ lage von Kriegshafen dadurch doch erheblich erschwert. Abgesehen davon, daß die Strommündungen schon durch Handelshafenanlagen besetzt sind, deren Verkehr mit demjenigen in den Kriegshafen störend collidiren würde, so ist hier auch das aus Seewasser und Süßwasser gemischte Brackwasser in manchen Theilen der Erhaltung von Kriegsschiffen bei weitem nicht so günstig als reines Seewasser, und namentlich beeinträchtigen die Sinkstoffe, welche von den Flüssen mitgeführt werden und fortwährend Verschlickung oder Versandung bewirken, den Werth solcher Strommündungen als Häfen ungemein. Weit günstiger sind in dieser Beziehung England, Italien, Oestreich oder Frankreich gestellt: weder Portsmouth noch Spezzia, Genua, Ancona oder Neapel noch auch Brest, Cherbourg oder Toulon, Trieft, Pola oder Cattaro liegen an großen Strommündungen, und selbst der Hafen von Havre wird nicht durch die Seinemündung gebildet, sondern ist neben derselben (östlich davon) künstlichen das Land hineingegraben.
In Deutschland dagegen gibt es nur wenige derartige Punkte, wo eine Meeresbucht ohne Strommündung die Anlage eines guten Hafens gestattet: in der Nordsee ist namentlich der Jahdebusen, in der Ostsee außer den schles-
Grenzboten II. 1868. 41
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Die norddeutschen Kriegshafen.
2. Die Küste in strategischer Beziehung. — Die Odermündung.
Der ganze Küstenzug Norddeutschlands, der über 180 Meilen lang ist,
bietet auffallend wenig Buchten, welche durch ihre natürliche Beschaffenheit
zur Benutzung als Kriegshafen geeignet wären. Die meisten Haupthafen
Norddeutschlands sind durch die Mündungen großer Ströme gebildet, welche
sämmtlich nach Norden fließen, und nur wenige andere Punkte der Küste,
von den Schleswig-holsteinischen Föhrden abgesehen, sind durch die Natur
so begünstigt, daß sie sich als Häfen benutzen lassen. Wenn nun auch dieser
Umstand für die Anlage von Handelshafen gewisse Vortheile gewährt, in¬
sofern durch den Strom eine bequeme Schifffahrtsverbindung mit dem
Hinterkante ermöglicht wird — Vortheile, die allerdings im Zeitalter der
Eisenbahnen nicht mehr ganz so wichtig sind wie früher —, so wird die An¬
lage von Kriegshafen dadurch doch erheblich erschwert. Abgesehen davon,
daß die Strommündungen schon durch Handelshafenanlagen besetzt sind, deren
Verkehr mit demjenigen in den Kriegshafen störend collidiren würde, so ist
hier auch das aus Seewasser und Süßwasser gemischte Brackwasser in manchen
Theilen der Erhaltung von Kriegsschiffen bei weitem nicht so günstig als reines
Seewasser, und namentlich beeinträchtigen die Sinkstoffe, welche von den
Flüssen mitgeführt werden und fortwährend Verschlickung oder Versandung
bewirken, den Werth solcher Strommündungen als Häfen ungemein.
Weit günstiger sind in dieser Beziehung England, Italien, Oestreich oder
Frankreich gestellt: weder Portsmouth noch Spezzia, Genua, Ancona oder
Neapel noch auch Brest, Cherbourg oder Toulon, Trieft, Pola oder Cattaro
liegen an großen Strommündungen, und selbst der Hafen von Havre wird
nicht durch die Seinemündung gebildet, sondern ist neben derselben (östlich
davon) künstlichen das Land hineingegraben.
In Deutschland dagegen gibt es nur wenige derartige Punkte, wo eine
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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/325>, abgerufen am 22.01.2025.
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