Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.Prunk. Am ersten Sonntag eines jeden Monats findet ein Umgang von Tritt man vor das Passeirer, das Vintschgauer Thor oder auf die Bo- Jakob Gilden. Literatur. Jahrbuch der deutschen Dantegesellschaft B. 1. 1867. Neben der deutschen Shakspeare-Gesellschaft ist auch eine deutsche Dante-Ge¬ Prunk. Am ersten Sonntag eines jeden Monats findet ein Umgang von Tritt man vor das Passeirer, das Vintschgauer Thor oder auf die Bo- Jakob Gilden. Literatur. Jahrbuch der deutschen Dantegesellschaft B. 1. 1867. Neben der deutschen Shakspeare-Gesellschaft ist auch eine deutsche Dante-Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0200" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117732"/> <p xml:id="ID_618" prev="#ID_617"> Prunk. Am ersten Sonntag eines jeden Monats findet ein Umgang von<lb/> der Kirche durch den Ort und wieder zurück statt; wenns hoch kommt, ein<lb/> schlechtes hölzernes Kreuz an der Spitze, dann eine Schaar von mehreren<lb/> hundert Männern und Buden, paarweise geordnet, hierauf das Weibsvolk in<lb/> derselben Ordnung. Von fern kündigt sich der Zug durch ein Helles Ge-<lb/> schnurr und Geschnarr an. wie es die „Raatschen" vom Thurm herab in der<lb/> Charwoche machen, wenn die Glocken nach Rom gegangen sind; in der Nähe<lb/> kann man aus dem Stimmengewirr manchmal ein etwas lauteres „Gebene¬<lb/> deit" oder „Bitt' für uns" herausfischen. Nie hängt ein Rosenkranz an der<lb/> Hand der wenigen Herrn und Damen, die als leuchtende Exempel mitwan¬<lb/> deln; Offiziere marschiren auch neben ihren Soldaten ohne Muskete und<lb/> Patrontasche. Bitter ernst ist es den Lahmen und Blinden mit der Sache, und<lb/> den tief gebückten dürftig gekleideten Greisen, die zu matt scheinen, um noch<lb/> bis an den Rand ihres Grabes zu hinken. Wälsche Figuren sind auch in<lb/> den Zug verstreut, rechte Kennzeichen des Etschlandes; darunter hier und da<lb/> ein zerlumptes Kerlchen, das mit dem pechschwarzen Haar und der braun ge¬<lb/> beizten Haut von der blonden Menge beinahe wie ein Mohr absticht; der<lb/> Miene nach ein kleiner Fra Diavolo, halb Diebsgelüste, halb Gott im<lb/> Herzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_619"> Tritt man vor das Passeirer, das Vintschgauer Thor oder auf die Bo-<lb/> zener Straße hinaus, so glänzt die Flur von Bildern der Frömmigkeit. Wo<lb/> sich nur zwei Wege kreuzen, hängt ein leidlich bemalter Christus oder eine<lb/> ganze heilige Familie. Diese Wegweiser zum Himmel sehen immer wie neu<lb/> aus; in so gutem Stande scheinen sie erhalten zu werden. Concordat oder<lb/> nicht; hier kann eine echte Christenseele sich unmöglich verirren. Lernt man<lb/> erst die Bauern etwas näher kennen, gegen die der ärmste Meraner ein Welt¬<lb/> kind ist, so wird Einem das Gejammer der Geistlichen über die schlimmen<lb/> Zeiten unbegreiflich. Ihre weltliche Herrschaft wird ja lange noch ihre tiefen<lb/> und festen Wurzeln im Volke haben, wenn vom Concordat kein Fetzen mehr<lb/> am andern hängt.</p><lb/> <note type="byline"> Jakob Gilden.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Literatur.</head><lb/> <div n="2"> <head> Jahrbuch der deutschen Dantegesellschaft B. 1. 1867.</head><lb/> <p xml:id="ID_620" next="#ID_621"> Neben der deutschen Shakspeare-Gesellschaft ist auch eine deutsche Dante-Ge¬<lb/> sellschaft entstanden, die in dem ersten Bande ihres Jahrbuches einen vollwichtigen<lb/> Beweis ihres Daseins gibt. Wie unser deutsches geistiges Leben einmal angelegt</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0200]
Prunk. Am ersten Sonntag eines jeden Monats findet ein Umgang von
der Kirche durch den Ort und wieder zurück statt; wenns hoch kommt, ein
schlechtes hölzernes Kreuz an der Spitze, dann eine Schaar von mehreren
hundert Männern und Buden, paarweise geordnet, hierauf das Weibsvolk in
derselben Ordnung. Von fern kündigt sich der Zug durch ein Helles Ge-
schnurr und Geschnarr an. wie es die „Raatschen" vom Thurm herab in der
Charwoche machen, wenn die Glocken nach Rom gegangen sind; in der Nähe
kann man aus dem Stimmengewirr manchmal ein etwas lauteres „Gebene¬
deit" oder „Bitt' für uns" herausfischen. Nie hängt ein Rosenkranz an der
Hand der wenigen Herrn und Damen, die als leuchtende Exempel mitwan¬
deln; Offiziere marschiren auch neben ihren Soldaten ohne Muskete und
Patrontasche. Bitter ernst ist es den Lahmen und Blinden mit der Sache, und
den tief gebückten dürftig gekleideten Greisen, die zu matt scheinen, um noch
bis an den Rand ihres Grabes zu hinken. Wälsche Figuren sind auch in
den Zug verstreut, rechte Kennzeichen des Etschlandes; darunter hier und da
ein zerlumptes Kerlchen, das mit dem pechschwarzen Haar und der braun ge¬
beizten Haut von der blonden Menge beinahe wie ein Mohr absticht; der
Miene nach ein kleiner Fra Diavolo, halb Diebsgelüste, halb Gott im
Herzen.
Tritt man vor das Passeirer, das Vintschgauer Thor oder auf die Bo-
zener Straße hinaus, so glänzt die Flur von Bildern der Frömmigkeit. Wo
sich nur zwei Wege kreuzen, hängt ein leidlich bemalter Christus oder eine
ganze heilige Familie. Diese Wegweiser zum Himmel sehen immer wie neu
aus; in so gutem Stande scheinen sie erhalten zu werden. Concordat oder
nicht; hier kann eine echte Christenseele sich unmöglich verirren. Lernt man
erst die Bauern etwas näher kennen, gegen die der ärmste Meraner ein Welt¬
kind ist, so wird Einem das Gejammer der Geistlichen über die schlimmen
Zeiten unbegreiflich. Ihre weltliche Herrschaft wird ja lange noch ihre tiefen
und festen Wurzeln im Volke haben, wenn vom Concordat kein Fetzen mehr
am andern hängt.
Jakob Gilden.
Literatur.
Jahrbuch der deutschen Dantegesellschaft B. 1. 1867.
Neben der deutschen Shakspeare-Gesellschaft ist auch eine deutsche Dante-Ge¬
sellschaft entstanden, die in dem ersten Bande ihres Jahrbuches einen vollwichtigen
Beweis ihres Daseins gibt. Wie unser deutsches geistiges Leben einmal angelegt
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