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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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daher alle Verständigen darin einig, daß mit bloßen Repressivmaßregeln wenig
gewonnen ist und das Mögliche geschehen muß, um die eigentlichen Gründe
der Unzufriedenheit zu beseitigen. In dieser Beziehung handelt es sich wesent¬
lich um zwei Punkte, die Landfrage und die Kirchenfrage.

1. Die Landfrage.

Die Klage ist, daß in dem überwiegend größten Theile Irlands die
Pächter keine Contracte für feste und längere Termine haben, sondern
meistens nur termnts a,ä xarole sind, d. h. am Ende jedes Jahres von
dem Grundherrn gekündigt werden können und dann in der Regel nicht
einmal Anspruch auf Erstattung der Auslagen haben, welche sie zur Ver¬
besserung des Landes gemacht. Die Ferner und irischen Radicalen sind, wie
gesagt, nicht um ein Heilmittel für diese Uebel verlegen, sie wollen einfach
durch Gewaltact alle Pächter zu Eigenthümern machen, über Confiscation
läßt sich nicht discutiren. Um so mehr hat es befremden müssen, daß ein
Mann wie Mill mit Vorschlägen hervorgetreten, welche er selbst revolutionär
nennt und die man als eine modificirte Confiscation, jedenfalls als ganz
socialistisch bezeichnen muß. Bei dem Gewicht, den sein Name nicht nur in
England, sondern auch in Deutschland hat, wird es nicht unzeitgemäß sein,
auf seine Ideen einzugehen, die uns ein neuer Beweis dafür scheinen, wie
wenig auch die scharfsinnigsten Theoretiker zur praktischen Politik taugen.
Mills Plan ist einfach der, daß nur die Eigenthümer, welche ihre Güter
selbst verwalten, also eine sehr geringe Anzahl, im Besitz bleiben sollen, da¬
gegen das gesammte in Pacht befindliche Landeigenthum in Irland einem
Zwangsverkaus unterliegen solle, wobei die Preise durch Parlamentscom-
missäre zu bestimmen wären; wenn die Pachtsumme einer Besitzung höher
ist, als diesen angemessen scheint, so wird dem 'Eigenthümer nur die von
ihnen beliebte niedrigere Summe vergütet. Die so disponibel gemachten
Ländereien sollen den Pächtern überantwortet werden, die im Augenblick,
wo die Maßregel Gesetz wird, 6<z t'g.etc> im Besitz sind und die von nun ab
ihren Canon an die Regierung zu zahlen haben; während einer gewissen
Periode soll Afterpacht verboten sein. Wir wollen davon absehen, daß der
Verfasser für sein "heroisches Heilmittel", (wie er es selbst nennt), in einer
bedauernswerth leidenschaftlichen Sprache plaidirt, z. B. die großen Grund¬
besitzer als Drohnen bezeichnet und behauptet, daß alles Landeigenthum nur
unverletzlich sei, solange der Eigenthümer sich gut betrage (äurinZ Moa
bsdavionr), aber es ist doch mehr als befremdlich, wenn solche Behauptungen
von einem berühmten Nationalöeonomen durch die Theorie gestützt werden,
"daß Land eine Sache sei, welche kein Mensch gemacht, die nur in beschränk¬
ter Menge vorhanden, die das ursprüngliche Erbtheil aller Menschen sei und


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daher alle Verständigen darin einig, daß mit bloßen Repressivmaßregeln wenig
gewonnen ist und das Mögliche geschehen muß, um die eigentlichen Gründe
der Unzufriedenheit zu beseitigen. In dieser Beziehung handelt es sich wesent¬
lich um zwei Punkte, die Landfrage und die Kirchenfrage.

1. Die Landfrage.

Die Klage ist, daß in dem überwiegend größten Theile Irlands die
Pächter keine Contracte für feste und längere Termine haben, sondern
meistens nur termnts a,ä xarole sind, d. h. am Ende jedes Jahres von
dem Grundherrn gekündigt werden können und dann in der Regel nicht
einmal Anspruch auf Erstattung der Auslagen haben, welche sie zur Ver¬
besserung des Landes gemacht. Die Ferner und irischen Radicalen sind, wie
gesagt, nicht um ein Heilmittel für diese Uebel verlegen, sie wollen einfach
durch Gewaltact alle Pächter zu Eigenthümern machen, über Confiscation
läßt sich nicht discutiren. Um so mehr hat es befremden müssen, daß ein
Mann wie Mill mit Vorschlägen hervorgetreten, welche er selbst revolutionär
nennt und die man als eine modificirte Confiscation, jedenfalls als ganz
socialistisch bezeichnen muß. Bei dem Gewicht, den sein Name nicht nur in
England, sondern auch in Deutschland hat, wird es nicht unzeitgemäß sein,
auf seine Ideen einzugehen, die uns ein neuer Beweis dafür scheinen, wie
wenig auch die scharfsinnigsten Theoretiker zur praktischen Politik taugen.
Mills Plan ist einfach der, daß nur die Eigenthümer, welche ihre Güter
selbst verwalten, also eine sehr geringe Anzahl, im Besitz bleiben sollen, da¬
gegen das gesammte in Pacht befindliche Landeigenthum in Irland einem
Zwangsverkaus unterliegen solle, wobei die Preise durch Parlamentscom-
missäre zu bestimmen wären; wenn die Pachtsumme einer Besitzung höher
ist, als diesen angemessen scheint, so wird dem 'Eigenthümer nur die von
ihnen beliebte niedrigere Summe vergütet. Die so disponibel gemachten
Ländereien sollen den Pächtern überantwortet werden, die im Augenblick,
wo die Maßregel Gesetz wird, 6<z t'g.etc> im Besitz sind und die von nun ab
ihren Canon an die Regierung zu zahlen haben; während einer gewissen
Periode soll Afterpacht verboten sein. Wir wollen davon absehen, daß der
Verfasser für sein „heroisches Heilmittel", (wie er es selbst nennt), in einer
bedauernswerth leidenschaftlichen Sprache plaidirt, z. B. die großen Grund¬
besitzer als Drohnen bezeichnet und behauptet, daß alles Landeigenthum nur
unverletzlich sei, solange der Eigenthümer sich gut betrage (äurinZ Moa
bsdavionr), aber es ist doch mehr als befremdlich, wenn solche Behauptungen
von einem berühmten Nationalöeonomen durch die Theorie gestützt werden,
"daß Land eine Sache sei, welche kein Mensch gemacht, die nur in beschränk¬
ter Menge vorhanden, die das ursprüngliche Erbtheil aller Menschen sei und


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[0127] daher alle Verständigen darin einig, daß mit bloßen Repressivmaßregeln wenig gewonnen ist und das Mögliche geschehen muß, um die eigentlichen Gründe der Unzufriedenheit zu beseitigen. In dieser Beziehung handelt es sich wesent¬ lich um zwei Punkte, die Landfrage und die Kirchenfrage. 1. Die Landfrage. Die Klage ist, daß in dem überwiegend größten Theile Irlands die Pächter keine Contracte für feste und längere Termine haben, sondern meistens nur termnts a,ä xarole sind, d. h. am Ende jedes Jahres von dem Grundherrn gekündigt werden können und dann in der Regel nicht einmal Anspruch auf Erstattung der Auslagen haben, welche sie zur Ver¬ besserung des Landes gemacht. Die Ferner und irischen Radicalen sind, wie gesagt, nicht um ein Heilmittel für diese Uebel verlegen, sie wollen einfach durch Gewaltact alle Pächter zu Eigenthümern machen, über Confiscation läßt sich nicht discutiren. Um so mehr hat es befremden müssen, daß ein Mann wie Mill mit Vorschlägen hervorgetreten, welche er selbst revolutionär nennt und die man als eine modificirte Confiscation, jedenfalls als ganz socialistisch bezeichnen muß. Bei dem Gewicht, den sein Name nicht nur in England, sondern auch in Deutschland hat, wird es nicht unzeitgemäß sein, auf seine Ideen einzugehen, die uns ein neuer Beweis dafür scheinen, wie wenig auch die scharfsinnigsten Theoretiker zur praktischen Politik taugen. Mills Plan ist einfach der, daß nur die Eigenthümer, welche ihre Güter selbst verwalten, also eine sehr geringe Anzahl, im Besitz bleiben sollen, da¬ gegen das gesammte in Pacht befindliche Landeigenthum in Irland einem Zwangsverkaus unterliegen solle, wobei die Preise durch Parlamentscom- missäre zu bestimmen wären; wenn die Pachtsumme einer Besitzung höher ist, als diesen angemessen scheint, so wird dem 'Eigenthümer nur die von ihnen beliebte niedrigere Summe vergütet. Die so disponibel gemachten Ländereien sollen den Pächtern überantwortet werden, die im Augenblick, wo die Maßregel Gesetz wird, 6<z t'g.etc> im Besitz sind und die von nun ab ihren Canon an die Regierung zu zahlen haben; während einer gewissen Periode soll Afterpacht verboten sein. Wir wollen davon absehen, daß der Verfasser für sein „heroisches Heilmittel", (wie er es selbst nennt), in einer bedauernswerth leidenschaftlichen Sprache plaidirt, z. B. die großen Grund¬ besitzer als Drohnen bezeichnet und behauptet, daß alles Landeigenthum nur unverletzlich sei, solange der Eigenthümer sich gut betrage (äurinZ Moa bsdavionr), aber es ist doch mehr als befremdlich, wenn solche Behauptungen von einem berühmten Nationalöeonomen durch die Theorie gestützt werden, "daß Land eine Sache sei, welche kein Mensch gemacht, die nur in beschränk¬ ter Menge vorhanden, die das ursprüngliche Erbtheil aller Menschen sei und 16*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/127>, abgerufen am 15.01.2025.