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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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an der Schattenseite der Schatzkammerbänke alles Uebel ausmachen, das Mi¬
nister und hohe Staatsbeamte treffen kann für Alles, was sie begehen und
vergehen können, dann kann das Dogma der Ministerverantwortlichkeit ge¬
trost der Mythologie anheimfallen. "1^6 ä^s ok ImrMetiment a.re Miw"
so lautet das Wort eines englischen Staatsmannes dieses Jahrhunderts für
England. Wann werden die Tage für den deutschen Staat kommen?


O. M.


Die souveräne Freiherrschaft Wolde.

Italien hat seine Republik San - Marino, die Pyrenäen umschließen das
freie Thal Andorra: daß auch in Deutschland und zwar in Norddeutschland
bis in die neueste Zeit, wenn nicht rechtlich, so doch thatsächlich ein ähn¬
licher Freistaat bestanden, dürfte nicht eben vielen Lesern dieser Blätter be¬
kannt sein. An der Grenze des Großherzogthums Mecklenburg-Schwerin und
des demminer Kreises der Provinz Pommern, zwei Meilen östlich von Sta-
venhagen, eine Meile südöstlich von Jvenack, liegt an der Straße von
Stavenhagen nach Treptow das ritterschaftliche Gut Wolde, dessen staats¬
rechtliche Verhältnisse so eigenthümlicher Art sind, daß ein Vergleich mit den
oben erwähnten kleinen Republiken nicht unberechtigt erscheint.

Wolde war im Mittel"leer eine der größten und festesten Burgen Nord¬
deutschlands und gehörte seit 1428 denen von Maltzan, wurde in? Jahre
1491 aber zerstört. Damaliger Besitzer dieser Burg war Verend Naltzan,
ein gewaltthätiger Mann, von seinen Zeitgenossen der böse Ber- genannt.
Ueber die Zerstörung der -Burg Wolde berichtet der Chronist 5' ntzow in
seiner gemüthlichen Erzählungsweise Folgendes: "Als der Her^, ; Bogis-
law von Pommern im Jahre 1490 Hochzeit hielt, war Verend M ?an auch
dabei anwesend, und wiewol der Herzog ihm von wegen seines U^ugs nicht
gut war, so mochte er ihm in den Freuden doch nichts thun, fonde' ermahnte
ihn nur, er solle noch davon abstehen, oder er wollte ihm den Kälber ein¬
mal über dem Kopfe umkehren und ihm den Weg zum Lande ^'..aus weisen.
Maltzan aber war halb spöttisch dabei, denn er hatte ein ^Yr festes Haus an der
Grenze, der Wold genannt, das den mecklenburgischen Fürsten stets in die
Augen gestochen. Darum, wie Herzog Boginaw sagte, er wollte Maltzanen
den Kälber umkehren, und Herzog Maas's von Mecklenburg dabei stand,
griff dieser Bogislaw's Wort auf und s-gie: "Schwager, das gilt eine Tonne
Bier, wo Ihr das thut," und meinte spöttisch und reizte den Herzog Bö-


an der Schattenseite der Schatzkammerbänke alles Uebel ausmachen, das Mi¬
nister und hohe Staatsbeamte treffen kann für Alles, was sie begehen und
vergehen können, dann kann das Dogma der Ministerverantwortlichkeit ge¬
trost der Mythologie anheimfallen. „1^6 ä^s ok ImrMetiment a.re Miw"
so lautet das Wort eines englischen Staatsmannes dieses Jahrhunderts für
England. Wann werden die Tage für den deutschen Staat kommen?


O. M.


Die souveräne Freiherrschaft Wolde.

Italien hat seine Republik San - Marino, die Pyrenäen umschließen das
freie Thal Andorra: daß auch in Deutschland und zwar in Norddeutschland
bis in die neueste Zeit, wenn nicht rechtlich, so doch thatsächlich ein ähn¬
licher Freistaat bestanden, dürfte nicht eben vielen Lesern dieser Blätter be¬
kannt sein. An der Grenze des Großherzogthums Mecklenburg-Schwerin und
des demminer Kreises der Provinz Pommern, zwei Meilen östlich von Sta-
venhagen, eine Meile südöstlich von Jvenack, liegt an der Straße von
Stavenhagen nach Treptow das ritterschaftliche Gut Wolde, dessen staats¬
rechtliche Verhältnisse so eigenthümlicher Art sind, daß ein Vergleich mit den
oben erwähnten kleinen Republiken nicht unberechtigt erscheint.

Wolde war im Mittel»leer eine der größten und festesten Burgen Nord¬
deutschlands und gehörte seit 1428 denen von Maltzan, wurde in? Jahre
1491 aber zerstört. Damaliger Besitzer dieser Burg war Verend Naltzan,
ein gewaltthätiger Mann, von seinen Zeitgenossen der böse Ber- genannt.
Ueber die Zerstörung der -Burg Wolde berichtet der Chronist 5' ntzow in
seiner gemüthlichen Erzählungsweise Folgendes: „Als der Her^, ; Bogis-
law von Pommern im Jahre 1490 Hochzeit hielt, war Verend M ?an auch
dabei anwesend, und wiewol der Herzog ihm von wegen seines U^ugs nicht
gut war, so mochte er ihm in den Freuden doch nichts thun, fonde' ermahnte
ihn nur, er solle noch davon abstehen, oder er wollte ihm den Kälber ein¬
mal über dem Kopfe umkehren und ihm den Weg zum Lande ^'..aus weisen.
Maltzan aber war halb spöttisch dabei, denn er hatte ein ^Yr festes Haus an der
Grenze, der Wold genannt, das den mecklenburgischen Fürsten stets in die
Augen gestochen. Darum, wie Herzog Boginaw sagte, er wollte Maltzanen
den Kälber umkehren, und Herzog Maas's von Mecklenburg dabei stand,
griff dieser Bogislaw's Wort auf und s-gie: „Schwager, das gilt eine Tonne
Bier, wo Ihr das thut," und meinte spöttisch und reizte den Herzog Bö-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/403>, abgerufen am 05.02.2025.