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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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allen Ernstes mit der mexikanischen Frage zu beschäftigen Willens seien. Nur
der Bereitwilligkeit, mit welcher Frankreich sich herbeiließ "der peinlichen Nach¬
barschaft der Truppen beider Nationen an der Grenze" ein baldiges Ende zu
verbeißen, war es zuzuschreiben, daß die Union die Juaristen blos moralisch,
nicht auch materiell unterstützte und daß die letzte Entscheidung sich um die
Monate verzog, welche zwischen d^r Aufkündigung der militärischen Unterstützung
und dem Abmarsch der Franzosen lagen.

Was weiter geschehen, lebt noch zu frisch im Gedächtniß der Zeitgenossen,
um der Aufzählung zu bedürfen: der vergebliche Versuch der Kaiserin, in
Europa Hilfe zu finden, der offene Bruch Maximilians mit dem perfiden und
brutalen französischen Marschall. die zeitweilige Niederlegung der Negierung.
die Erklärung der Notabeln. bei dem Kaiserreich ausharren zu wollen. Maxi¬
milians verzweifelter Entschluß, seinen Thron retten oder sich unter den Trüm¬
mern desselben begraben zu wollen, endlich Vertheidigung und Uebergabe Qua-
reieros. Was dazwischen liegt an Handlungen französischen und mexikanischen
Verraths an dem unglücklichen Fürsten, der'sich zuletzt von dem größten Theile
der Besatzung verlassen sah, an deren Spitze er sich todesmuthig gestellt. --
das aufzuklären ist uns die Zukunft noch schuldig. Auch ohne diese Aufklä¬
rungen wissen wir genug, um uns den Entwickelungsgang der mexikanischen
Tragödie erklären zu können. Unerklärlich bleibt nur eines: wie der Bruder
des'Kaisers von Oestreich überhaupt dazu vermocht worden, sich auf ein Un¬
ternehmen einzulassen, dem die taeies II^poeiÄtieg, von vorn herein auf der
Stirn stand; schwerlich wird die genauere Kunde, welche darüber nach Ver¬
öffentlichung der einschläglichen diplomatischen Actenstücke und Berichte zu er¬
warten steht, die Schlüssel dieses Räthsels bringen.

In Mexiko, wie in der Mehrzahl der spanischen Kolonien Amerikas, fehlen
die Voraussetzungen zum Aufbau eines vernünftigen Staatswesens so vollstän¬
dig, daß jede Hilfe, die es mit andern Mitteln als denen übermächtiger Ge¬
walt versucht, eine vergebliche ist. Wo die elementarsten Begriffe der Sittlich¬
keit und der Wirthschaftslehre fehlen, ist mit Konstitutionen und Gesetzen ebenso¬
wenig etwas auszurichten, wie mit Dampfmaschinen und Eisenbahnen. Die
kurze aber bedeutsame Ueberschrift, welche das Stadthaus zu Lugano zeigt , be¬
zeichnet den Charakter der romanisch-amerikanischen Zustände erschöpfender, als
es eingehende Beschreibungen irgend vermögten: ^ma le^es Line monbus,
quia moros sine vxoridus?



Mit Ur. S7 beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im Juni 1867.Die Verlagshandlung.




Herausgeber- Gustav Frchtng. -- Verantwortlicher Redacteur- Julius Eckardt.
Verlag por F. L. Herdig. -- Druck von Hüthel -d Segler in Leipzig.

allen Ernstes mit der mexikanischen Frage zu beschäftigen Willens seien. Nur
der Bereitwilligkeit, mit welcher Frankreich sich herbeiließ „der peinlichen Nach¬
barschaft der Truppen beider Nationen an der Grenze" ein baldiges Ende zu
verbeißen, war es zuzuschreiben, daß die Union die Juaristen blos moralisch,
nicht auch materiell unterstützte und daß die letzte Entscheidung sich um die
Monate verzog, welche zwischen d^r Aufkündigung der militärischen Unterstützung
und dem Abmarsch der Franzosen lagen.

Was weiter geschehen, lebt noch zu frisch im Gedächtniß der Zeitgenossen,
um der Aufzählung zu bedürfen: der vergebliche Versuch der Kaiserin, in
Europa Hilfe zu finden, der offene Bruch Maximilians mit dem perfiden und
brutalen französischen Marschall. die zeitweilige Niederlegung der Negierung.
die Erklärung der Notabeln. bei dem Kaiserreich ausharren zu wollen. Maxi¬
milians verzweifelter Entschluß, seinen Thron retten oder sich unter den Trüm¬
mern desselben begraben zu wollen, endlich Vertheidigung und Uebergabe Qua-
reieros. Was dazwischen liegt an Handlungen französischen und mexikanischen
Verraths an dem unglücklichen Fürsten, der'sich zuletzt von dem größten Theile
der Besatzung verlassen sah, an deren Spitze er sich todesmuthig gestellt. —
das aufzuklären ist uns die Zukunft noch schuldig. Auch ohne diese Aufklä¬
rungen wissen wir genug, um uns den Entwickelungsgang der mexikanischen
Tragödie erklären zu können. Unerklärlich bleibt nur eines: wie der Bruder
des'Kaisers von Oestreich überhaupt dazu vermocht worden, sich auf ein Un¬
ternehmen einzulassen, dem die taeies II^poeiÄtieg, von vorn herein auf der
Stirn stand; schwerlich wird die genauere Kunde, welche darüber nach Ver¬
öffentlichung der einschläglichen diplomatischen Actenstücke und Berichte zu er¬
warten steht, die Schlüssel dieses Räthsels bringen.

In Mexiko, wie in der Mehrzahl der spanischen Kolonien Amerikas, fehlen
die Voraussetzungen zum Aufbau eines vernünftigen Staatswesens so vollstän¬
dig, daß jede Hilfe, die es mit andern Mitteln als denen übermächtiger Ge¬
walt versucht, eine vergebliche ist. Wo die elementarsten Begriffe der Sittlich¬
keit und der Wirthschaftslehre fehlen, ist mit Konstitutionen und Gesetzen ebenso¬
wenig etwas auszurichten, wie mit Dampfmaschinen und Eisenbahnen. Die
kurze aber bedeutsame Ueberschrift, welche das Stadthaus zu Lugano zeigt , be¬
zeichnet den Charakter der romanisch-amerikanischen Zustände erschöpfender, als
es eingehende Beschreibungen irgend vermögten: ^ma le^es Line monbus,
quia moros sine vxoridus?



Mit Ur. S7 beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im Juni 1867.Die Verlagshandlung.




Herausgeber- Gustav Frchtng. — Verantwortlicher Redacteur- Julius Eckardt.
Verlag por F. L. Herdig. — Druck von Hüthel -d Segler in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/528>, abgerufen am 29.06.2024.