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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Die Marine Preußens und Deutschlands.
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Das Material der heutigen Kriegsflotten.

Die politische Einheit Deutschlands, ein schöner Traum der edelsten Geister
vieler Jahrhunderte, ist jetzt in wesentlichen Stücken zur vollendeten Thatsache
geworden, und schon machen sich die Folgen auf den verschiedensten Gebieten
geltend. Schon ist eine gewaltige Landmacht bereit, das Vaterland gegen
jeden Angriff der Nachbarn zu sichern und binnen wenig Jahren wird auch
eine Seemacht im Stande sein, die Interessen Deutschlands in entfernten Län¬
dern zur vollen Geltung zu bringen.

Die Schöpfung einer achtunggebietenden, des neuen Deutschlands würdigen
Seemacht hat durch eine Fügung des Schicksals denselben naturgemäßen Weg
eingeschlagen, wie die politische Neugestaltung Deutschlands überhaupt. Auch
,hier hat sich ein fester, innerlich gesunder Kern entwickelt, an den sich die
hinzutretender Elemente anschlichen, ein Centrum, das die neuen Bestandtheile
in der Straffheit der Organisation vereinigen wird, die ihnen bisher fehlte, und
das dafür wieder durch die praktischen, im freien Ringen mit der Concurrenz andrer
Nationen erstarkten, in Selbstthätigkeit und Selbstvertrauen emporgewachsenen
und frei entwickelten neuen Elemente günstig bereichert wird.

Der erste Versuch, eine deutsche Kriegsmarine im Jahre 1848--49 zu
schaffen, mißlang nicht blos deshalb, weil der Centralregierung die Stärke fehlte;
ein vielleicht entscheidenderes Hinderniß war, als der Bund wieder ins Leben
trat, der Mangel einer preußischen Marine, welche als Krystallisationskern für
weitere Bildungen zu dienen im Stande war, und so sank ein Werk in sich
selbst zusammen, auf das die stolzesten Hoffnungen Deutschlands gerichtet ge¬
wesen waren. Unsre Aufgabe ist, die Seemacht Deutschlands wieder erstehen
zu lassen, mächtiger, als die stolze Flotte der Hansa im fünfzehnten Jahrhundert
mit ihren 248 Kriegsschiffen und ihrer Bemannung von mehr als zwölftausend
Streitern war. Wir haben alle Bedingungen dafür in günstiger Weise. Außer
der jungen preußischen Marine haben wir den Vortheil, die Lehren aus 1849
und dem ersten mißlungenen Versuch benutzen zu können und werden doch
eigentlich von dem Nachtheil jenes Mißlingens nicht betroffen. Denn selbst die
materielle Einbuße, welche durch den Verkauf der Schiffe der früheren deutschen
Flotte entstanden ist, kann kaum mehr als Verlust betrachtet werden, da jene
Schiffe sämmtlich entweder Raddampfer oder nicht allzu tüchtige Segelschiffe


Nrcnzbotcn II. 1867. 32
Die Marine Preußens und Deutschlands.
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Das Material der heutigen Kriegsflotten.

Die politische Einheit Deutschlands, ein schöner Traum der edelsten Geister
vieler Jahrhunderte, ist jetzt in wesentlichen Stücken zur vollendeten Thatsache
geworden, und schon machen sich die Folgen auf den verschiedensten Gebieten
geltend. Schon ist eine gewaltige Landmacht bereit, das Vaterland gegen
jeden Angriff der Nachbarn zu sichern und binnen wenig Jahren wird auch
eine Seemacht im Stande sein, die Interessen Deutschlands in entfernten Län¬
dern zur vollen Geltung zu bringen.

Die Schöpfung einer achtunggebietenden, des neuen Deutschlands würdigen
Seemacht hat durch eine Fügung des Schicksals denselben naturgemäßen Weg
eingeschlagen, wie die politische Neugestaltung Deutschlands überhaupt. Auch
,hier hat sich ein fester, innerlich gesunder Kern entwickelt, an den sich die
hinzutretender Elemente anschlichen, ein Centrum, das die neuen Bestandtheile
in der Straffheit der Organisation vereinigen wird, die ihnen bisher fehlte, und
das dafür wieder durch die praktischen, im freien Ringen mit der Concurrenz andrer
Nationen erstarkten, in Selbstthätigkeit und Selbstvertrauen emporgewachsenen
und frei entwickelten neuen Elemente günstig bereichert wird.

Der erste Versuch, eine deutsche Kriegsmarine im Jahre 1848—49 zu
schaffen, mißlang nicht blos deshalb, weil der Centralregierung die Stärke fehlte;
ein vielleicht entscheidenderes Hinderniß war, als der Bund wieder ins Leben
trat, der Mangel einer preußischen Marine, welche als Krystallisationskern für
weitere Bildungen zu dienen im Stande war, und so sank ein Werk in sich
selbst zusammen, auf das die stolzesten Hoffnungen Deutschlands gerichtet ge¬
wesen waren. Unsre Aufgabe ist, die Seemacht Deutschlands wieder erstehen
zu lassen, mächtiger, als die stolze Flotte der Hansa im fünfzehnten Jahrhundert
mit ihren 248 Kriegsschiffen und ihrer Bemannung von mehr als zwölftausend
Streitern war. Wir haben alle Bedingungen dafür in günstiger Weise. Außer
der jungen preußischen Marine haben wir den Vortheil, die Lehren aus 1849
und dem ersten mißlungenen Versuch benutzen zu können und werden doch
eigentlich von dem Nachtheil jenes Mißlingens nicht betroffen. Denn selbst die
materielle Einbuße, welche durch den Verkauf der Schiffe der früheren deutschen
Flotte entstanden ist, kann kaum mehr als Verlust betrachtet werden, da jene
Schiffe sämmtlich entweder Raddampfer oder nicht allzu tüchtige Segelschiffe


Nrcnzbotcn II. 1867. 32
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[0253] Die Marine Preußens und Deutschlands. i. p> < . - Das Material der heutigen Kriegsflotten. Die politische Einheit Deutschlands, ein schöner Traum der edelsten Geister vieler Jahrhunderte, ist jetzt in wesentlichen Stücken zur vollendeten Thatsache geworden, und schon machen sich die Folgen auf den verschiedensten Gebieten geltend. Schon ist eine gewaltige Landmacht bereit, das Vaterland gegen jeden Angriff der Nachbarn zu sichern und binnen wenig Jahren wird auch eine Seemacht im Stande sein, die Interessen Deutschlands in entfernten Län¬ dern zur vollen Geltung zu bringen. Die Schöpfung einer achtunggebietenden, des neuen Deutschlands würdigen Seemacht hat durch eine Fügung des Schicksals denselben naturgemäßen Weg eingeschlagen, wie die politische Neugestaltung Deutschlands überhaupt. Auch ,hier hat sich ein fester, innerlich gesunder Kern entwickelt, an den sich die hinzutretender Elemente anschlichen, ein Centrum, das die neuen Bestandtheile in der Straffheit der Organisation vereinigen wird, die ihnen bisher fehlte, und das dafür wieder durch die praktischen, im freien Ringen mit der Concurrenz andrer Nationen erstarkten, in Selbstthätigkeit und Selbstvertrauen emporgewachsenen und frei entwickelten neuen Elemente günstig bereichert wird. Der erste Versuch, eine deutsche Kriegsmarine im Jahre 1848—49 zu schaffen, mißlang nicht blos deshalb, weil der Centralregierung die Stärke fehlte; ein vielleicht entscheidenderes Hinderniß war, als der Bund wieder ins Leben trat, der Mangel einer preußischen Marine, welche als Krystallisationskern für weitere Bildungen zu dienen im Stande war, und so sank ein Werk in sich selbst zusammen, auf das die stolzesten Hoffnungen Deutschlands gerichtet ge¬ wesen waren. Unsre Aufgabe ist, die Seemacht Deutschlands wieder erstehen zu lassen, mächtiger, als die stolze Flotte der Hansa im fünfzehnten Jahrhundert mit ihren 248 Kriegsschiffen und ihrer Bemannung von mehr als zwölftausend Streitern war. Wir haben alle Bedingungen dafür in günstiger Weise. Außer der jungen preußischen Marine haben wir den Vortheil, die Lehren aus 1849 und dem ersten mißlungenen Versuch benutzen zu können und werden doch eigentlich von dem Nachtheil jenes Mißlingens nicht betroffen. Denn selbst die materielle Einbuße, welche durch den Verkauf der Schiffe der früheren deutschen Flotte entstanden ist, kann kaum mehr als Verlust betrachtet werden, da jene Schiffe sämmtlich entweder Raddampfer oder nicht allzu tüchtige Segelschiffe Nrcnzbotcn II. 1867. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/253>, abgerufen am 22.07.2024.