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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Dänische Culturansprüche.

Es würde eine sehr oberflächliche Auffassung des deutsch-dänischen Kampfe"
sein, der seit reichlich zwei Jahrzehnten nun abwechselnd mit der Feder und mit dem
Schwerte durchgefochten wird, wollte man ihn lediglich auf das zwischen beiden
Ländern liegende Gebiet von gemischter Nationalität zurückführen, das keins dem
andern gönnt. In Wahrheit handelt sichs um eine Auflehnung des dänisch-nor¬
dischen Nationalbewußtseins gegen die deutsche Cultur, welche in Kopenhagen
und folglich in Dänemark-Norwegen so lange obenauf gewesen ist. Der poli¬
tische Streit um Schleswig hat dieses Feuer nur geschürt, nicht ursprünglich an¬
gelegt. Im Gegensatz zu den Oehlenschläger, Baggesen und Steffens, d. h. den her¬
vorragendsten Vertretern des dänisch-norwegischen Geisteslebens zu Ende des Vo¬
ngen und Anfang dieses Jahrhunderts, welche lieber in der deutschen zeitge-
nössischen Literatur Plätze dritten Ranges einnehmen wollten als in der dänischen
den ersten Rang, hat sich seit den zwanziger und dreißiger Jahren eine Richtung
entwickelt, welche vor allem Emancipation von deutschem Geist und Wesen
fordert. In den damals besonders schwunghaft und erfolgreich betriebenen Alter¬
thumsforschungen wurde diese Cultur sich theils dieses ihres zeitlichen Gegen¬
satzes überhaupt erst bewußt, theils fand sie für denselben reichliche Nahrung,
und an den natürlichen Genossen dieser Studien, den übrigen skandinavischen
Stämmen eine Anlehnung, ohne die den zwei Millionen Dänen doch wohl der
Muth gefehlt haben würde, sich von Deutschland, der bisherigen Heimath aller
ihrer höhern Bildung, feindlich loszusagen.

Es ist nicht ohne Interesse und Wichtigkeit, zu bemerken, daß diese Empö¬
rung gegen die Herrschaft des deutschen Geistes zum Theil grade auf dem Grenz¬
gebiet ihren frühesten und schärfsten Ausdruck erhalten hat. Orla Lehmann, der
Führer der deutschfeindlichen dänischen Nationalpartei, stammt aus einer ur¬
sprünglich deutschen Familie, und war gar nicht so fern verwandt mit Theodor
Lehmann in Kiel, dem 1862 gestorbenen trefflichen Führer der deutschgesinnten
Schleswigholsteiner. C. Ploug. der Redacteur Fäderlandcts, des deutschfeind¬
lichsten aller kopenhagener Blätter, ist in Kolding geboren, der jüdisch-schleswig-
schen Grenzstadt. Auf die sogenannte Bauernhochschule in dem Nordschleswig-
schen Dorfe Rötting, einem eingeständlichen Danisirungsinstrument von nicht
geringer Wirkung, führen die Dänen selbst den ernstlichen Ausbruch des Kampfes
zwischen beiden Nationalitäten zurück. Endlich sind es auch zwei fchleswigfche
Bildhauer gewesen, Eckersberg und Bissen (der Schöpfer des berüchtigten flens-


Grenzboten III. 18K7. 8
Dänische Culturansprüche.

Es würde eine sehr oberflächliche Auffassung des deutsch-dänischen Kampfe»
sein, der seit reichlich zwei Jahrzehnten nun abwechselnd mit der Feder und mit dem
Schwerte durchgefochten wird, wollte man ihn lediglich auf das zwischen beiden
Ländern liegende Gebiet von gemischter Nationalität zurückführen, das keins dem
andern gönnt. In Wahrheit handelt sichs um eine Auflehnung des dänisch-nor¬
dischen Nationalbewußtseins gegen die deutsche Cultur, welche in Kopenhagen
und folglich in Dänemark-Norwegen so lange obenauf gewesen ist. Der poli¬
tische Streit um Schleswig hat dieses Feuer nur geschürt, nicht ursprünglich an¬
gelegt. Im Gegensatz zu den Oehlenschläger, Baggesen und Steffens, d. h. den her¬
vorragendsten Vertretern des dänisch-norwegischen Geisteslebens zu Ende des Vo¬
ngen und Anfang dieses Jahrhunderts, welche lieber in der deutschen zeitge-
nössischen Literatur Plätze dritten Ranges einnehmen wollten als in der dänischen
den ersten Rang, hat sich seit den zwanziger und dreißiger Jahren eine Richtung
entwickelt, welche vor allem Emancipation von deutschem Geist und Wesen
fordert. In den damals besonders schwunghaft und erfolgreich betriebenen Alter¬
thumsforschungen wurde diese Cultur sich theils dieses ihres zeitlichen Gegen¬
satzes überhaupt erst bewußt, theils fand sie für denselben reichliche Nahrung,
und an den natürlichen Genossen dieser Studien, den übrigen skandinavischen
Stämmen eine Anlehnung, ohne die den zwei Millionen Dänen doch wohl der
Muth gefehlt haben würde, sich von Deutschland, der bisherigen Heimath aller
ihrer höhern Bildung, feindlich loszusagen.

Es ist nicht ohne Interesse und Wichtigkeit, zu bemerken, daß diese Empö¬
rung gegen die Herrschaft des deutschen Geistes zum Theil grade auf dem Grenz¬
gebiet ihren frühesten und schärfsten Ausdruck erhalten hat. Orla Lehmann, der
Führer der deutschfeindlichen dänischen Nationalpartei, stammt aus einer ur¬
sprünglich deutschen Familie, und war gar nicht so fern verwandt mit Theodor
Lehmann in Kiel, dem 1862 gestorbenen trefflichen Führer der deutschgesinnten
Schleswigholsteiner. C. Ploug. der Redacteur Fäderlandcts, des deutschfeind¬
lichsten aller kopenhagener Blätter, ist in Kolding geboren, der jüdisch-schleswig-
schen Grenzstadt. Auf die sogenannte Bauernhochschule in dem Nordschleswig-
schen Dorfe Rötting, einem eingeständlichen Danisirungsinstrument von nicht
geringer Wirkung, führen die Dänen selbst den ernstlichen Ausbruch des Kampfes
zwischen beiden Nationalitäten zurück. Endlich sind es auch zwei fchleswigfche
Bildhauer gewesen, Eckersberg und Bissen (der Schöpfer des berüchtigten flens-


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[0067] Dänische Culturansprüche. Es würde eine sehr oberflächliche Auffassung des deutsch-dänischen Kampfe» sein, der seit reichlich zwei Jahrzehnten nun abwechselnd mit der Feder und mit dem Schwerte durchgefochten wird, wollte man ihn lediglich auf das zwischen beiden Ländern liegende Gebiet von gemischter Nationalität zurückführen, das keins dem andern gönnt. In Wahrheit handelt sichs um eine Auflehnung des dänisch-nor¬ dischen Nationalbewußtseins gegen die deutsche Cultur, welche in Kopenhagen und folglich in Dänemark-Norwegen so lange obenauf gewesen ist. Der poli¬ tische Streit um Schleswig hat dieses Feuer nur geschürt, nicht ursprünglich an¬ gelegt. Im Gegensatz zu den Oehlenschläger, Baggesen und Steffens, d. h. den her¬ vorragendsten Vertretern des dänisch-norwegischen Geisteslebens zu Ende des Vo¬ ngen und Anfang dieses Jahrhunderts, welche lieber in der deutschen zeitge- nössischen Literatur Plätze dritten Ranges einnehmen wollten als in der dänischen den ersten Rang, hat sich seit den zwanziger und dreißiger Jahren eine Richtung entwickelt, welche vor allem Emancipation von deutschem Geist und Wesen fordert. In den damals besonders schwunghaft und erfolgreich betriebenen Alter¬ thumsforschungen wurde diese Cultur sich theils dieses ihres zeitlichen Gegen¬ satzes überhaupt erst bewußt, theils fand sie für denselben reichliche Nahrung, und an den natürlichen Genossen dieser Studien, den übrigen skandinavischen Stämmen eine Anlehnung, ohne die den zwei Millionen Dänen doch wohl der Muth gefehlt haben würde, sich von Deutschland, der bisherigen Heimath aller ihrer höhern Bildung, feindlich loszusagen. Es ist nicht ohne Interesse und Wichtigkeit, zu bemerken, daß diese Empö¬ rung gegen die Herrschaft des deutschen Geistes zum Theil grade auf dem Grenz¬ gebiet ihren frühesten und schärfsten Ausdruck erhalten hat. Orla Lehmann, der Führer der deutschfeindlichen dänischen Nationalpartei, stammt aus einer ur¬ sprünglich deutschen Familie, und war gar nicht so fern verwandt mit Theodor Lehmann in Kiel, dem 1862 gestorbenen trefflichen Führer der deutschgesinnten Schleswigholsteiner. C. Ploug. der Redacteur Fäderlandcts, des deutschfeind¬ lichsten aller kopenhagener Blätter, ist in Kolding geboren, der jüdisch-schleswig- schen Grenzstadt. Auf die sogenannte Bauernhochschule in dem Nordschleswig- schen Dorfe Rötting, einem eingeständlichen Danisirungsinstrument von nicht geringer Wirkung, führen die Dänen selbst den ernstlichen Ausbruch des Kampfes zwischen beiden Nationalitäten zurück. Endlich sind es auch zwei fchleswigfche Bildhauer gewesen, Eckersberg und Bissen (der Schöpfer des berüchtigten flens- Grenzboten III. 18K7. 8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/67>, abgerufen am 15.01.2025.