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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Die internationale Convention zu Gens.

Die auf dem genfer Congresse vom 22. August geschlossene und am
22. Juni 1863 ratisicirte Convention der meisten Staaten Europas und der nord¬
amerikanischen Union gehört ihrer Idee nach zu den größten Fortschritten der
Humanität im jetzigen Jahrhundert. Sie gewährt "zur Milderung des Looses
der Verwundeten" die Neutralität der verwundeten Gefangenen und der Feld¬
sanitätsanstalten mit ihrem gesammten Verpflegungspers^'mal, und bietet hierdurch
eine breite Basis für die Wirksamkeit der Hilfsvereine zur Pflege der im Felde ver¬
wundeten und erkrankten Krieger. Ohne diese Convention würde die Privat¬
beihilfe im Kriege ein Stückwerk bleiben, und könnten weder die amtliche Hilfe¬
leistung noch die private Mitwirkung bei derselben dem erhabenen Zwecke ent¬
sprechen, den sie sich vorgesetzt haben.

Der vorjährige Krieg würde die Segnungen dieser Convention schon haben
wahrnehmen lassen, wenn Oestreich derselben früher beigetreten wäre. Erst nach Be¬
endigung der Feindseligkeiten, am 21. Juli, schloß die östreichische Regierung, von
der Nothwendigkeit überzeugt und von der öffentlichen Meinung gedrängt, sich
dem Borgange der übrigen Staaten an. Die gefangenen Verwundeten, 411
Offiziere und 13,935 Mann, hatten indessen unter dieser Säumniß kaum zu
leiden; sie wurden mit aller Rücksichtnahme in den preußischen Lazarethen als
Hilfsbedürftige mit derselben Sorgfalt gepflegt, welche den preußischen Ver¬
wundeten gewidmet wurde. Die gefangenen östreichischen Aerzte wurden nach
dem Erlaß vom 11. Juli nicht als Kriegsgefangene betrachtet, weil den östrei¬
chischen Befehlshabern schon unter dem 26. Juni durch den als Parlamentär
nach Josephstadt abgeschickten Obristlieutcnant von ZiemicM eröffnet worden
war, daß die preußischen Commandirenden aus Befehl Sr. Majestät des Königs
angewiesen seien, in Erwartung der Gegenseitigkeit alle durch den genfer Ver¬
trag vorgeschriebenen Humanitätsrückstchtcn anch gegen die östreichischen Sani-


Vrenzbotcn III. 1867, 36
Die internationale Convention zu Gens.

Die auf dem genfer Congresse vom 22. August geschlossene und am
22. Juni 1863 ratisicirte Convention der meisten Staaten Europas und der nord¬
amerikanischen Union gehört ihrer Idee nach zu den größten Fortschritten der
Humanität im jetzigen Jahrhundert. Sie gewährt „zur Milderung des Looses
der Verwundeten" die Neutralität der verwundeten Gefangenen und der Feld¬
sanitätsanstalten mit ihrem gesammten Verpflegungspers^'mal, und bietet hierdurch
eine breite Basis für die Wirksamkeit der Hilfsvereine zur Pflege der im Felde ver¬
wundeten und erkrankten Krieger. Ohne diese Convention würde die Privat¬
beihilfe im Kriege ein Stückwerk bleiben, und könnten weder die amtliche Hilfe¬
leistung noch die private Mitwirkung bei derselben dem erhabenen Zwecke ent¬
sprechen, den sie sich vorgesetzt haben.

Der vorjährige Krieg würde die Segnungen dieser Convention schon haben
wahrnehmen lassen, wenn Oestreich derselben früher beigetreten wäre. Erst nach Be¬
endigung der Feindseligkeiten, am 21. Juli, schloß die östreichische Regierung, von
der Nothwendigkeit überzeugt und von der öffentlichen Meinung gedrängt, sich
dem Borgange der übrigen Staaten an. Die gefangenen Verwundeten, 411
Offiziere und 13,935 Mann, hatten indessen unter dieser Säumniß kaum zu
leiden; sie wurden mit aller Rücksichtnahme in den preußischen Lazarethen als
Hilfsbedürftige mit derselben Sorgfalt gepflegt, welche den preußischen Ver¬
wundeten gewidmet wurde. Die gefangenen östreichischen Aerzte wurden nach
dem Erlaß vom 11. Juli nicht als Kriegsgefangene betrachtet, weil den östrei¬
chischen Befehlshabern schon unter dem 26. Juni durch den als Parlamentär
nach Josephstadt abgeschickten Obristlieutcnant von ZiemicM eröffnet worden
war, daß die preußischen Commandirenden aus Befehl Sr. Majestät des Königs
angewiesen seien, in Erwartung der Gegenseitigkeit alle durch den genfer Ver¬
trag vorgeschriebenen Humanitätsrückstchtcn anch gegen die östreichischen Sani-


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[0291] Die internationale Convention zu Gens. Die auf dem genfer Congresse vom 22. August geschlossene und am 22. Juni 1863 ratisicirte Convention der meisten Staaten Europas und der nord¬ amerikanischen Union gehört ihrer Idee nach zu den größten Fortschritten der Humanität im jetzigen Jahrhundert. Sie gewährt „zur Milderung des Looses der Verwundeten" die Neutralität der verwundeten Gefangenen und der Feld¬ sanitätsanstalten mit ihrem gesammten Verpflegungspers^'mal, und bietet hierdurch eine breite Basis für die Wirksamkeit der Hilfsvereine zur Pflege der im Felde ver¬ wundeten und erkrankten Krieger. Ohne diese Convention würde die Privat¬ beihilfe im Kriege ein Stückwerk bleiben, und könnten weder die amtliche Hilfe¬ leistung noch die private Mitwirkung bei derselben dem erhabenen Zwecke ent¬ sprechen, den sie sich vorgesetzt haben. Der vorjährige Krieg würde die Segnungen dieser Convention schon haben wahrnehmen lassen, wenn Oestreich derselben früher beigetreten wäre. Erst nach Be¬ endigung der Feindseligkeiten, am 21. Juli, schloß die östreichische Regierung, von der Nothwendigkeit überzeugt und von der öffentlichen Meinung gedrängt, sich dem Borgange der übrigen Staaten an. Die gefangenen Verwundeten, 411 Offiziere und 13,935 Mann, hatten indessen unter dieser Säumniß kaum zu leiden; sie wurden mit aller Rücksichtnahme in den preußischen Lazarethen als Hilfsbedürftige mit derselben Sorgfalt gepflegt, welche den preußischen Ver¬ wundeten gewidmet wurde. Die gefangenen östreichischen Aerzte wurden nach dem Erlaß vom 11. Juli nicht als Kriegsgefangene betrachtet, weil den östrei¬ chischen Befehlshabern schon unter dem 26. Juni durch den als Parlamentär nach Josephstadt abgeschickten Obristlieutcnant von ZiemicM eröffnet worden war, daß die preußischen Commandirenden aus Befehl Sr. Majestät des Königs angewiesen seien, in Erwartung der Gegenseitigkeit alle durch den genfer Ver¬ trag vorgeschriebenen Humanitätsrückstchtcn anch gegen die östreichischen Sani- Vrenzbotcn III. 1867, 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/291>, abgerufen am 15.01.2025.