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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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"Und wo künftig wir dem Schönen
Huldigen im Liedeston
Laß auch jeder deutsche Sohn
Deutschland hoch im Lied ertönen. *



Polnischer Monatsbericht.

X

Wenn wir es nicht schon seit lange gewußt hätten, -- die letzten Wochen
würden uns darüber belehrt haben, deß es in Preußen keine wahrhaft con-
servative Partei, keine Vertreterin der historisch-conservativen Schule giebt.
Jahr aus und Jahr ein hat die Kreuzzeitung über den Mangel historischen
Sinns bei den Liberalen, über die Nivellirungs-, Centraliflrungs- und Unifor-
mirungsgelüste demokratischer Kreisrichter geklagt, ihre feudale Anhängerschaft für
die einzige Vertreterin geschichtlicher Provinzial- und Lokaleigenthümlichkeiten,
begründeter Sonderrechte und organischer Entwickelungen ausgegeben, und das
Glück gerühmt, Männer dieser Richtung an der Spitze der Regierung zu seh?n.
Nichtsdestoweniger ist im letzten Monate eine Reihe Octroyirungen auf Un¬
kosten "historisch gewordener Eigenthümlichkeiten" und "wohlerworbener Rechte"
vollzogen worden, ohne daß die konservative Partei auch nur einen Finger
geregt hätte, um die aus ihrem Schooße hervorgegangene Regierung vor Maß'
regeln zu warnen, die der nationalen Sache am Vorabend neuer Wahlen un¬
säglichen Schaden gethan' und den Einfluß der particularistischen Opposition
entschieden gekräftigt haben. Nickt die Träger der historischen Schule und des
lokalen Selfgovernment, die Organe des "nivellirenden" Liberalismus sind
es gewesen, welche in Sachen der Ueberweisung des ehemals kurhessischen Landes"
Vermögens an die Generalstaatskasse zu Berlin für "wohlerworbene" Rechte ein¬
traten, bezüglich der Octroyirung der preußischen Gerichts- und Proceßordnung
por unnützer Uniformitätssucht warnten und auf die Nothwendigkeit hinwiesen,
die althessischem Stände als Vertreter der specialen und lokalen Interessen dieses
Landes beizubehalten. Fragen dieser Art ausschließlich nach ihrer juristischen


„Und wo künftig wir dem Schönen
Huldigen im Liedeston
Laß auch jeder deutsche Sohn
Deutschland hoch im Lied ertönen. *



Polnischer Monatsbericht.

X

Wenn wir es nicht schon seit lange gewußt hätten, — die letzten Wochen
würden uns darüber belehrt haben, deß es in Preußen keine wahrhaft con-
servative Partei, keine Vertreterin der historisch-conservativen Schule giebt.
Jahr aus und Jahr ein hat die Kreuzzeitung über den Mangel historischen
Sinns bei den Liberalen, über die Nivellirungs-, Centraliflrungs- und Unifor-
mirungsgelüste demokratischer Kreisrichter geklagt, ihre feudale Anhängerschaft für
die einzige Vertreterin geschichtlicher Provinzial- und Lokaleigenthümlichkeiten,
begründeter Sonderrechte und organischer Entwickelungen ausgegeben, und das
Glück gerühmt, Männer dieser Richtung an der Spitze der Regierung zu seh?n.
Nichtsdestoweniger ist im letzten Monate eine Reihe Octroyirungen auf Un¬
kosten „historisch gewordener Eigenthümlichkeiten" und „wohlerworbener Rechte"
vollzogen worden, ohne daß die konservative Partei auch nur einen Finger
geregt hätte, um die aus ihrem Schooße hervorgegangene Regierung vor Maß'
regeln zu warnen, die der nationalen Sache am Vorabend neuer Wahlen un¬
säglichen Schaden gethan' und den Einfluß der particularistischen Opposition
entschieden gekräftigt haben. Nickt die Träger der historischen Schule und des
lokalen Selfgovernment, die Organe des „nivellirenden" Liberalismus sind
es gewesen, welche in Sachen der Ueberweisung des ehemals kurhessischen Landes«
Vermögens an die Generalstaatskasse zu Berlin für „wohlerworbene" Rechte ein¬
traten, bezüglich der Octroyirung der preußischen Gerichts- und Proceßordnung
por unnützer Uniformitätssucht warnten und auf die Nothwendigkeit hinwiesen,
die althessischem Stände als Vertreter der specialen und lokalen Interessen dieses
Landes beizubehalten. Fragen dieser Art ausschließlich nach ihrer juristischen


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[0201] „Und wo künftig wir dem Schönen Huldigen im Liedeston Laß auch jeder deutsche Sohn Deutschland hoch im Lied ertönen. * Polnischer Monatsbericht. X Wenn wir es nicht schon seit lange gewußt hätten, — die letzten Wochen würden uns darüber belehrt haben, deß es in Preußen keine wahrhaft con- servative Partei, keine Vertreterin der historisch-conservativen Schule giebt. Jahr aus und Jahr ein hat die Kreuzzeitung über den Mangel historischen Sinns bei den Liberalen, über die Nivellirungs-, Centraliflrungs- und Unifor- mirungsgelüste demokratischer Kreisrichter geklagt, ihre feudale Anhängerschaft für die einzige Vertreterin geschichtlicher Provinzial- und Lokaleigenthümlichkeiten, begründeter Sonderrechte und organischer Entwickelungen ausgegeben, und das Glück gerühmt, Männer dieser Richtung an der Spitze der Regierung zu seh?n. Nichtsdestoweniger ist im letzten Monate eine Reihe Octroyirungen auf Un¬ kosten „historisch gewordener Eigenthümlichkeiten" und „wohlerworbener Rechte" vollzogen worden, ohne daß die konservative Partei auch nur einen Finger geregt hätte, um die aus ihrem Schooße hervorgegangene Regierung vor Maß' regeln zu warnen, die der nationalen Sache am Vorabend neuer Wahlen un¬ säglichen Schaden gethan' und den Einfluß der particularistischen Opposition entschieden gekräftigt haben. Nickt die Träger der historischen Schule und des lokalen Selfgovernment, die Organe des „nivellirenden" Liberalismus sind es gewesen, welche in Sachen der Ueberweisung des ehemals kurhessischen Landes« Vermögens an die Generalstaatskasse zu Berlin für „wohlerworbene" Rechte ein¬ traten, bezüglich der Octroyirung der preußischen Gerichts- und Proceßordnung por unnützer Uniformitätssucht warnten und auf die Nothwendigkeit hinwiesen, die althessischem Stände als Vertreter der specialen und lokalen Interessen dieses Landes beizubehalten. Fragen dieser Art ausschließlich nach ihrer juristischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/201>, abgerufen am 15.01.2025.