Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die es werden wollen, empfohlen werden; dasselbe ist vorzugsweise geeignet, die
in der Jetztzeit so nothwendige Erkenntniß der Mittel und Wege zu fordern,
dnrch welche, um ein Wort Dahlmanns zu gebrauchen. Negierungsmacht und
IIr. Volksfreiheit in eine Ehe ohne Scheidung treten können.




Die Physiognomie des letzten böhmischen Landtags.

Eben wollte ich mir gestatten, Ihre Leser in den böhmischen Landtagssaal
einzuladen, um einer Berathung der Vertreter der Se. Wenzelskrone beizuwohnen,
-- da fällt der Vorhang gewaltsam und die Herrlichkeit ist verschwunden. In¬
deß, kann ich auch meinen Katalog nicht mehr mit zeigenden Finger begleiten,
da unsere Landboten, wenn auch diesmal nicht geschmückt mit grünen Reisern
wieder heimgekehrt zu ihren Häusern, so stehen doch Dank der Plötzlichkeit des
Schlnßcffcctes die Gestalten noch so lebhaft vor dem Auge, daß ich trotz Habeas-
Corpusacte versuchen will, sie festzuhalten. Kommen sie zurück, so hilft diese
kleine Rückschau die Einzelnen erkennen, -- kommen sie nicht wieder, nun so
ist es ein Erinnerungsblatt, was ich spende, und ich gestehe, daß ich, was die
Mehrzahl der Herren betrifft, mit diesem bescheidenen Verdienst sehr gern für¬
lieb nehme.

Harmlose militärische Gleichzeitigkeiten, wie man sie bei. uns im glücklichen
Oestreich liebt -- Consignirung der Truppen, Bespannung der Geschütze u. a.--
reizten auch beim Unbefangenen den Argwohn, daß die Sitzung des 27. Februar
die letzte sein könnte. Die Stadtgerüchte thaten das Uebrige; mit unverkenn¬
barer Befangenheit wandelten die Deputaten zur Sitzung.

Auf der Kleinseite, in dem aristokratischen und bureaukratischen Viertel
Prags, dort wo sich die historischen Paläste des böhmischen Adels und die im¬
posanten Amtsgebäude der höchsten Landesbehörden erheben, befindet sich das
stattliche Landhaus. Der ehemalige Versammlungsort der böhmischen Stände
wurde in moderner Weise umgebaut, und so erhielt die historische Kontinuität
der ehemals ständischen und der gegenwärtigen Landtage auch durch den Be¬
rathungssaal ihren Ausdruck. Doch welch gewaltiger Unterschied zwischen Ehe¬
dem und Jetzt schon in der äußeren Stciffage! Vor dem Jahre 1848 fuhren
die Herren Stände mit den unvermeidlichen rothen Fracks in glänzenden Equ>-


die es werden wollen, empfohlen werden; dasselbe ist vorzugsweise geeignet, die
in der Jetztzeit so nothwendige Erkenntniß der Mittel und Wege zu fordern,
dnrch welche, um ein Wort Dahlmanns zu gebrauchen. Negierungsmacht und
IIr. Volksfreiheit in eine Ehe ohne Scheidung treten können.




Die Physiognomie des letzten böhmischen Landtags.

Eben wollte ich mir gestatten, Ihre Leser in den böhmischen Landtagssaal
einzuladen, um einer Berathung der Vertreter der Se. Wenzelskrone beizuwohnen,
— da fällt der Vorhang gewaltsam und die Herrlichkeit ist verschwunden. In¬
deß, kann ich auch meinen Katalog nicht mehr mit zeigenden Finger begleiten,
da unsere Landboten, wenn auch diesmal nicht geschmückt mit grünen Reisern
wieder heimgekehrt zu ihren Häusern, so stehen doch Dank der Plötzlichkeit des
Schlnßcffcctes die Gestalten noch so lebhaft vor dem Auge, daß ich trotz Habeas-
Corpusacte versuchen will, sie festzuhalten. Kommen sie zurück, so hilft diese
kleine Rückschau die Einzelnen erkennen, — kommen sie nicht wieder, nun so
ist es ein Erinnerungsblatt, was ich spende, und ich gestehe, daß ich, was die
Mehrzahl der Herren betrifft, mit diesem bescheidenen Verdienst sehr gern für¬
lieb nehme.

Harmlose militärische Gleichzeitigkeiten, wie man sie bei. uns im glücklichen
Oestreich liebt — Consignirung der Truppen, Bespannung der Geschütze u. a.—
reizten auch beim Unbefangenen den Argwohn, daß die Sitzung des 27. Februar
die letzte sein könnte. Die Stadtgerüchte thaten das Uebrige; mit unverkenn¬
barer Befangenheit wandelten die Deputaten zur Sitzung.

Auf der Kleinseite, in dem aristokratischen und bureaukratischen Viertel
Prags, dort wo sich die historischen Paläste des böhmischen Adels und die im¬
posanten Amtsgebäude der höchsten Landesbehörden erheben, befindet sich das
stattliche Landhaus. Der ehemalige Versammlungsort der böhmischen Stände
wurde in moderner Weise umgebaut, und so erhielt die historische Kontinuität
der ehemals ständischen und der gegenwärtigen Landtage auch durch den Be¬
rathungssaal ihren Ausdruck. Doch welch gewaltiger Unterschied zwischen Ehe¬
dem und Jetzt schon in der äußeren Stciffage! Vor dem Jahre 1848 fuhren
die Herren Stände mit den unvermeidlichen rothen Fracks in glänzenden Equ>-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0436" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190595"/>
          <p xml:id="ID_1439" prev="#ID_1438"> die es werden wollen, empfohlen werden; dasselbe ist vorzugsweise geeignet, die<lb/>
in der Jetztzeit so nothwendige Erkenntniß der Mittel und Wege zu fordern,<lb/>
dnrch welche, um ein Wort Dahlmanns zu gebrauchen. Negierungsmacht und<lb/><note type="byline"> IIr.</note> Volksfreiheit in eine Ehe ohne Scheidung treten können. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Physiognomie des letzten böhmischen Landtags.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1440"> Eben wollte ich mir gestatten, Ihre Leser in den böhmischen Landtagssaal<lb/>
einzuladen, um einer Berathung der Vertreter der Se. Wenzelskrone beizuwohnen,<lb/>
&#x2014; da fällt der Vorhang gewaltsam und die Herrlichkeit ist verschwunden. In¬<lb/>
deß, kann ich auch meinen Katalog nicht mehr mit zeigenden Finger begleiten,<lb/>
da unsere Landboten, wenn auch diesmal nicht geschmückt mit grünen Reisern<lb/>
wieder heimgekehrt zu ihren Häusern, so stehen doch Dank der Plötzlichkeit des<lb/>
Schlnßcffcctes die Gestalten noch so lebhaft vor dem Auge, daß ich trotz Habeas-<lb/>
Corpusacte versuchen will, sie festzuhalten. Kommen sie zurück, so hilft diese<lb/>
kleine Rückschau die Einzelnen erkennen, &#x2014; kommen sie nicht wieder, nun so<lb/>
ist es ein Erinnerungsblatt, was ich spende, und ich gestehe, daß ich, was die<lb/>
Mehrzahl der Herren betrifft, mit diesem bescheidenen Verdienst sehr gern für¬<lb/>
lieb nehme.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1441"> Harmlose militärische Gleichzeitigkeiten, wie man sie bei. uns im glücklichen<lb/>
Oestreich liebt &#x2014; Consignirung der Truppen, Bespannung der Geschütze u. a.&#x2014;<lb/>
reizten auch beim Unbefangenen den Argwohn, daß die Sitzung des 27. Februar<lb/>
die letzte sein könnte. Die Stadtgerüchte thaten das Uebrige; mit unverkenn¬<lb/>
barer Befangenheit wandelten die Deputaten zur Sitzung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1442" next="#ID_1443"> Auf der Kleinseite, in dem aristokratischen und bureaukratischen Viertel<lb/>
Prags, dort wo sich die historischen Paläste des böhmischen Adels und die im¬<lb/>
posanten Amtsgebäude der höchsten Landesbehörden erheben, befindet sich das<lb/>
stattliche Landhaus. Der ehemalige Versammlungsort der böhmischen Stände<lb/>
wurde in moderner Weise umgebaut, und so erhielt die historische Kontinuität<lb/>
der ehemals ständischen und der gegenwärtigen Landtage auch durch den Be¬<lb/>
rathungssaal ihren Ausdruck. Doch welch gewaltiger Unterschied zwischen Ehe¬<lb/>
dem und Jetzt schon in der äußeren Stciffage! Vor dem Jahre 1848 fuhren<lb/>
die Herren Stände mit den unvermeidlichen rothen Fracks in glänzenden Equ&gt;-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0436] die es werden wollen, empfohlen werden; dasselbe ist vorzugsweise geeignet, die in der Jetztzeit so nothwendige Erkenntniß der Mittel und Wege zu fordern, dnrch welche, um ein Wort Dahlmanns zu gebrauchen. Negierungsmacht und IIr. Volksfreiheit in eine Ehe ohne Scheidung treten können. Die Physiognomie des letzten böhmischen Landtags. Eben wollte ich mir gestatten, Ihre Leser in den böhmischen Landtagssaal einzuladen, um einer Berathung der Vertreter der Se. Wenzelskrone beizuwohnen, — da fällt der Vorhang gewaltsam und die Herrlichkeit ist verschwunden. In¬ deß, kann ich auch meinen Katalog nicht mehr mit zeigenden Finger begleiten, da unsere Landboten, wenn auch diesmal nicht geschmückt mit grünen Reisern wieder heimgekehrt zu ihren Häusern, so stehen doch Dank der Plötzlichkeit des Schlnßcffcctes die Gestalten noch so lebhaft vor dem Auge, daß ich trotz Habeas- Corpusacte versuchen will, sie festzuhalten. Kommen sie zurück, so hilft diese kleine Rückschau die Einzelnen erkennen, — kommen sie nicht wieder, nun so ist es ein Erinnerungsblatt, was ich spende, und ich gestehe, daß ich, was die Mehrzahl der Herren betrifft, mit diesem bescheidenen Verdienst sehr gern für¬ lieb nehme. Harmlose militärische Gleichzeitigkeiten, wie man sie bei. uns im glücklichen Oestreich liebt — Consignirung der Truppen, Bespannung der Geschütze u. a.— reizten auch beim Unbefangenen den Argwohn, daß die Sitzung des 27. Februar die letzte sein könnte. Die Stadtgerüchte thaten das Uebrige; mit unverkenn¬ barer Befangenheit wandelten die Deputaten zur Sitzung. Auf der Kleinseite, in dem aristokratischen und bureaukratischen Viertel Prags, dort wo sich die historischen Paläste des böhmischen Adels und die im¬ posanten Amtsgebäude der höchsten Landesbehörden erheben, befindet sich das stattliche Landhaus. Der ehemalige Versammlungsort der böhmischen Stände wurde in moderner Weise umgebaut, und so erhielt die historische Kontinuität der ehemals ständischen und der gegenwärtigen Landtage auch durch den Be¬ rathungssaal ihren Ausdruck. Doch welch gewaltiger Unterschied zwischen Ehe¬ dem und Jetzt schon in der äußeren Stciffage! Vor dem Jahre 1848 fuhren die Herren Stände mit den unvermeidlichen rothen Fracks in glänzenden Equ>-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/436
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/436>, abgerufen am 28.09.2024.