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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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riß zu seinen frühern Kollegen. Wenn man weiß, wie zähe bis jetzt die Fach¬
minister in Preußen ihre Selbständigkeit innerhalb ihres Ressorts verfochten,
wie auch höchster Wille diese geschäftliche Trennung begünstigte, so wird unbe-
greiflich, daß z. B. Herr v. der Heydt und Graf Jtzcuplitz sich fortan in Steuer-
sachen, Postsachen, Eisenbahnsachen als Beamte des Bundes ^betrachten sollen,
welche von Commissionen desselben Anweisungen erhalten und die letzte Dis¬
position in den wichtigsten Angelegenheiten ihrer Ministerien diesen übergeben
müssen.

Und es ist nicht nur der persönliche Stolz preußischer Beamten, der dagegen
reagiren muß. und nicht nur ihre Sorge, daß aus dem Bundesrath allmälig
Reichsministerien herauswachsen können, sondern es ist in der That eine radicale
Umwandlung der preußischen Staatsmaschine, welche durch jede solche Bundes¬
verfassung eingeleitet wird. Und es ist wohl möglich, daß der Entwurf in
Preußen selbst größere Schwierigkeiten zu bekämpfen haben wird als bei den
Regierungen der Bundesstaaten und im Reichstage.

Uns Deutschen aber ist jetzt das höchste Interesse, daß der Reichstag nicht
resultatlos verläuft, und daß die Bundesverfassung, wie sie immer sei, so schnell
als möglich als Dach auf das neue Haus gesetzt wird. Denn dadurch erst wer¬
den die neuen Verhältnisse, welche der Krieg des vorigen Jahres geschaffen, ge¬
festigt. Was uns jetzt in einem Raume vereinigen soll. ist wie ein Notstand,
schnell zusammengefügt und nicht auf Dauer berechnet. Auch was wir jetzt schaffen
können durch unsere Mitwirkung in der Presse und am Reichstage, das wird,
dessen bleiben wir uns bewußt, nur ein Jnterimisticum und wahrscheinlich
eines von kurzer Dauer. Und doch hängt das Heil unserer Zukunft davon ab.
daß wir mit Hingabe und Selbstverläugnung arbeiten, dasselbe zu Stande zu
bringen.




Literatur.

C. F. Pohl, Mozart und Haydn in London. Wien. C. Gerolds Sohn,
18K7. Erste Abtheilung- Mozart in London.

Die im letzten Jahrzehnt sehr bemerkbar gewordene Vorliebe für die literarische
Cultivirung der Musikgeschichte, namentlich für biographische Darstellungen, hat neben
einer Reihe flüchtiger Producte ohne inneren Wardi, auch eine Anzahl von Büchern
hervorgerufen, die von ernster Forschung und gründlichem Quellenstudium Zeugniß
über Zeugniß ablegen. Zu diesen erfreulichen Erscheinungen gehört die Schrift von
Pohl, eine saubere Arbeit gewissenhafter Dctcnlfvrschung aus den Quellen, zuver¬
lässig und belehrend.

Der Verfasser, der als Musiklehrer einige Jahre in London lebte, faßte den
Gedanken, aus den reichen Hilfsmitteln der Bibliothek des britischen Museums und
ähnlicher Sammlungen alles zusammenzustellen, was sich auf den Aufenthalt Mo-


riß zu seinen frühern Kollegen. Wenn man weiß, wie zähe bis jetzt die Fach¬
minister in Preußen ihre Selbständigkeit innerhalb ihres Ressorts verfochten,
wie auch höchster Wille diese geschäftliche Trennung begünstigte, so wird unbe-
greiflich, daß z. B. Herr v. der Heydt und Graf Jtzcuplitz sich fortan in Steuer-
sachen, Postsachen, Eisenbahnsachen als Beamte des Bundes ^betrachten sollen,
welche von Commissionen desselben Anweisungen erhalten und die letzte Dis¬
position in den wichtigsten Angelegenheiten ihrer Ministerien diesen übergeben
müssen.

Und es ist nicht nur der persönliche Stolz preußischer Beamten, der dagegen
reagiren muß. und nicht nur ihre Sorge, daß aus dem Bundesrath allmälig
Reichsministerien herauswachsen können, sondern es ist in der That eine radicale
Umwandlung der preußischen Staatsmaschine, welche durch jede solche Bundes¬
verfassung eingeleitet wird. Und es ist wohl möglich, daß der Entwurf in
Preußen selbst größere Schwierigkeiten zu bekämpfen haben wird als bei den
Regierungen der Bundesstaaten und im Reichstage.

Uns Deutschen aber ist jetzt das höchste Interesse, daß der Reichstag nicht
resultatlos verläuft, und daß die Bundesverfassung, wie sie immer sei, so schnell
als möglich als Dach auf das neue Haus gesetzt wird. Denn dadurch erst wer¬
den die neuen Verhältnisse, welche der Krieg des vorigen Jahres geschaffen, ge¬
festigt. Was uns jetzt in einem Raume vereinigen soll. ist wie ein Notstand,
schnell zusammengefügt und nicht auf Dauer berechnet. Auch was wir jetzt schaffen
können durch unsere Mitwirkung in der Presse und am Reichstage, das wird,
dessen bleiben wir uns bewußt, nur ein Jnterimisticum und wahrscheinlich
eines von kurzer Dauer. Und doch hängt das Heil unserer Zukunft davon ab.
daß wir mit Hingabe und Selbstverläugnung arbeiten, dasselbe zu Stande zu
bringen.




Literatur.

C. F. Pohl, Mozart und Haydn in London. Wien. C. Gerolds Sohn,
18K7. Erste Abtheilung- Mozart in London.

Die im letzten Jahrzehnt sehr bemerkbar gewordene Vorliebe für die literarische
Cultivirung der Musikgeschichte, namentlich für biographische Darstellungen, hat neben
einer Reihe flüchtiger Producte ohne inneren Wardi, auch eine Anzahl von Büchern
hervorgerufen, die von ernster Forschung und gründlichem Quellenstudium Zeugniß
über Zeugniß ablegen. Zu diesen erfreulichen Erscheinungen gehört die Schrift von
Pohl, eine saubere Arbeit gewissenhafter Dctcnlfvrschung aus den Quellen, zuver¬
lässig und belehrend.

Der Verfasser, der als Musiklehrer einige Jahre in London lebte, faßte den
Gedanken, aus den reichen Hilfsmitteln der Bibliothek des britischen Museums und
ähnlicher Sammlungen alles zusammenzustellen, was sich auf den Aufenthalt Mo-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/169>, abgerufen am 27.06.2024.