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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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läßt sich gegen ein solches Vorgehen nicht ankämpfen. Die Journale der deut¬
schen Partei bringen energische Artikel dagegen, die deutschen Bürger machen
geeignete Vorstellungen -- doch das alles hilft nichts, es walten höhere na¬
tionale Mächte.

Gegenüber dem stets weiter um sich greifenden Czcchimus muß von deut¬
scher Seite auch energisch gehandelt werden. Das sieht man denn nun doch
bei uns ein und die deutsche Partei beginnt, sich sorgsamer zu organisiren.
Die Zustimmungsadressen, welche aus allen deutschen Kreisen des Landes an
die deutschen Abgeordneten einlaufen, zeigen in erfreulicher Weise von richtigem
Verständnisse der Zeitverhältnisse und daß es selbst für deutsche Geduld eine
f-j-'j- Grenze giebt.




Vor den Neichstagswahlen.

Die Wahlbewegung hat begonnen. Comites Gleichgesinnter treten zusam¬
men, Candidaten werden aufgestellt und durch Vorversammlungen wohlwollend be¬
gutachtet, in den Tageblättern beginnen hier und da die Angriffe und Anpreisungen
der Parteien. Noch ist es eine sehr mäßige Bewegung, aber schon jetzt ist zu er¬
kennen, daß das allgemeine Wahlrecht in dieser Ausdehnung ein Danaer¬
geschenk ist. welches dem deutschen Volke zu aller Unsicherheit seiner politischen
Zustände eine neue Gefahr bereitet. Denn es legt die Wahl überall in die
Hände derjenigen Schichten unserer Bevölkerung, welche entweder noch kein
sicheres Interesse an Politik haben, oder durch jeden kräftigen Schreier be¬
einflußt werden. Nicht unmöglich, daß wir schon in diesem Reichstag ein halbes
Dutzend Agitatoren aus der Schule Lassalles erleben, welche leider durch das
gegenwärtige preußische Ministerium großgezogen wurden. Ja, es ist fast zu
wünschen, daß der trotzige Unsinn dieser Gesellen in dem neuen Reichstage
hörbar werde, er wird eher als jeder Vernunftgrund sowohl das Ministerium
als unsere Idealisten bestimmen, das Wahlrecht in einer dem Standpunkt unsrer
politischen Volksbildung entsprechenden Weise zu normiren. Denn, wie jeder¬
mann weiß und jedermann offen aussprechen sollte, es giebt keine absolut
gute und richtige Wahlmcthode, welche für alle Zeit und jede Entwicklungs¬
phase eines Volkes paßt, es ist vielmehr Ausgabe der Gesetzgebung, immer wie-
der die Wahlberechtigung mit den Fortschritten der Bildung und der Umwandlung


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läßt sich gegen ein solches Vorgehen nicht ankämpfen. Die Journale der deut¬
schen Partei bringen energische Artikel dagegen, die deutschen Bürger machen
geeignete Vorstellungen — doch das alles hilft nichts, es walten höhere na¬
tionale Mächte.

Gegenüber dem stets weiter um sich greifenden Czcchimus muß von deut¬
scher Seite auch energisch gehandelt werden. Das sieht man denn nun doch
bei uns ein und die deutsche Partei beginnt, sich sorgsamer zu organisiren.
Die Zustimmungsadressen, welche aus allen deutschen Kreisen des Landes an
die deutschen Abgeordneten einlaufen, zeigen in erfreulicher Weise von richtigem
Verständnisse der Zeitverhältnisse und daß es selbst für deutsche Geduld eine
f-j-'j- Grenze giebt.




Vor den Neichstagswahlen.

Die Wahlbewegung hat begonnen. Comites Gleichgesinnter treten zusam¬
men, Candidaten werden aufgestellt und durch Vorversammlungen wohlwollend be¬
gutachtet, in den Tageblättern beginnen hier und da die Angriffe und Anpreisungen
der Parteien. Noch ist es eine sehr mäßige Bewegung, aber schon jetzt ist zu er¬
kennen, daß das allgemeine Wahlrecht in dieser Ausdehnung ein Danaer¬
geschenk ist. welches dem deutschen Volke zu aller Unsicherheit seiner politischen
Zustände eine neue Gefahr bereitet. Denn es legt die Wahl überall in die
Hände derjenigen Schichten unserer Bevölkerung, welche entweder noch kein
sicheres Interesse an Politik haben, oder durch jeden kräftigen Schreier be¬
einflußt werden. Nicht unmöglich, daß wir schon in diesem Reichstag ein halbes
Dutzend Agitatoren aus der Schule Lassalles erleben, welche leider durch das
gegenwärtige preußische Ministerium großgezogen wurden. Ja, es ist fast zu
wünschen, daß der trotzige Unsinn dieser Gesellen in dem neuen Reichstage
hörbar werde, er wird eher als jeder Vernunftgrund sowohl das Ministerium
als unsere Idealisten bestimmen, das Wahlrecht in einer dem Standpunkt unsrer
politischen Volksbildung entsprechenden Weise zu normiren. Denn, wie jeder¬
mann weiß und jedermann offen aussprechen sollte, es giebt keine absolut
gute und richtige Wahlmcthode, welche für alle Zeit und jede Entwicklungs¬
phase eines Volkes paßt, es ist vielmehr Ausgabe der Gesetzgebung, immer wie-
der die Wahlberechtigung mit den Fortschritten der Bildung und der Umwandlung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/165>, abgerufen am 27.06.2024.