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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Die Stimmung in Oestreich.
(Von einem O e se r e i es e r.)

Ein Kaiserreich für ein Programm, d. h. für planvolles Handeln, könnte mah
den östreichischen Staatsmännern zurufen, aber dazu fehlt ihnen vor allem der gute
Wille. Man hatte sich daran gewöhnt diesen Willen bei Herrn v. Schmerling vor-,
auszusetzen, doch die Logik der Thatsachen belehrte jedermann eines Bessern. Der
Reichsrath hatte schon in seinem Entstehen eine blos finanzielle Bedeutung, dem
gesunkenen Staatscredit sollte er aufhelfen und selbst in diesem Punkte war
seine Wirksamkeit illusorisch, man häufte Schulden hinter seinem Rücken. Im
Innern blieb es bei der alten Beamtenwirthschaft, die Reactionäre behielten
ihre einflußreichen Stellen, auf der Presse lastete der Druck von Gesetzen aus
der Reactionszeit, die Abänderung des Concordats sollte dessen Verfasser, Weih"
bischof Fehler, in Rom vermitteln, aber seine Berichte blieben Geheimniß des
Staatsministcrs, der mit dem jesuitischen Cardinal Rauscher unter der Decke
spielte.

In äußeren Angelegenheiten war dem Reichsrath nur ausnahmsweise und
aus besonderem Freimuth ein Wort gegönnt, man bewies ihm aber in der
Schleswig-holsteinschen Frage die Nutzlosigkeit jedes Versuches einer Einsprache.
Es herrschte im Ministerium eine unüberwindliche Furcht vor den demokratischen
Deutschen, von denen man sich energisch lossagte. Was Wunder, wenn dem
Ministerium Schmerling am Ende auch seine treuesten Anhänger Opposition
machten! Die Stunde der alten Feudalen war gekommen. Ungarn, das Land
der Magnaten, durfte, wie sie meinten, nicht länger gehemmt bleiben in der
Ausübung seiner verfassungsmäßigen Rechte. Hinter dem Rücken des Minister-
Präsidenten Erzherzog Rainer und des Staatsministcrs wurde auf Andringen
des Grafen Festetics und Genossen Herr v. Majlath zum ungarischen Hofkanzler
ernannt, Graf Zichy vermittelte j^en beiden die von ihm gemachte Entdeckung,


Grenzboten IV 1"KK. 51
Die Stimmung in Oestreich.
(Von einem O e se r e i es e r.)

Ein Kaiserreich für ein Programm, d. h. für planvolles Handeln, könnte mah
den östreichischen Staatsmännern zurufen, aber dazu fehlt ihnen vor allem der gute
Wille. Man hatte sich daran gewöhnt diesen Willen bei Herrn v. Schmerling vor-,
auszusetzen, doch die Logik der Thatsachen belehrte jedermann eines Bessern. Der
Reichsrath hatte schon in seinem Entstehen eine blos finanzielle Bedeutung, dem
gesunkenen Staatscredit sollte er aufhelfen und selbst in diesem Punkte war
seine Wirksamkeit illusorisch, man häufte Schulden hinter seinem Rücken. Im
Innern blieb es bei der alten Beamtenwirthschaft, die Reactionäre behielten
ihre einflußreichen Stellen, auf der Presse lastete der Druck von Gesetzen aus
der Reactionszeit, die Abänderung des Concordats sollte dessen Verfasser, Weih«
bischof Fehler, in Rom vermitteln, aber seine Berichte blieben Geheimniß des
Staatsministcrs, der mit dem jesuitischen Cardinal Rauscher unter der Decke
spielte.

In äußeren Angelegenheiten war dem Reichsrath nur ausnahmsweise und
aus besonderem Freimuth ein Wort gegönnt, man bewies ihm aber in der
Schleswig-holsteinschen Frage die Nutzlosigkeit jedes Versuches einer Einsprache.
Es herrschte im Ministerium eine unüberwindliche Furcht vor den demokratischen
Deutschen, von denen man sich energisch lossagte. Was Wunder, wenn dem
Ministerium Schmerling am Ende auch seine treuesten Anhänger Opposition
machten! Die Stunde der alten Feudalen war gekommen. Ungarn, das Land
der Magnaten, durfte, wie sie meinten, nicht länger gehemmt bleiben in der
Ausübung seiner verfassungsmäßigen Rechte. Hinter dem Rücken des Minister-
Präsidenten Erzherzog Rainer und des Staatsministcrs wurde auf Andringen
des Grafen Festetics und Genossen Herr v. Majlath zum ungarischen Hofkanzler
ernannt, Graf Zichy vermittelte j^en beiden die von ihm gemachte Entdeckung,


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[0431] Die Stimmung in Oestreich. (Von einem O e se r e i es e r.) Ein Kaiserreich für ein Programm, d. h. für planvolles Handeln, könnte mah den östreichischen Staatsmännern zurufen, aber dazu fehlt ihnen vor allem der gute Wille. Man hatte sich daran gewöhnt diesen Willen bei Herrn v. Schmerling vor-, auszusetzen, doch die Logik der Thatsachen belehrte jedermann eines Bessern. Der Reichsrath hatte schon in seinem Entstehen eine blos finanzielle Bedeutung, dem gesunkenen Staatscredit sollte er aufhelfen und selbst in diesem Punkte war seine Wirksamkeit illusorisch, man häufte Schulden hinter seinem Rücken. Im Innern blieb es bei der alten Beamtenwirthschaft, die Reactionäre behielten ihre einflußreichen Stellen, auf der Presse lastete der Druck von Gesetzen aus der Reactionszeit, die Abänderung des Concordats sollte dessen Verfasser, Weih« bischof Fehler, in Rom vermitteln, aber seine Berichte blieben Geheimniß des Staatsministcrs, der mit dem jesuitischen Cardinal Rauscher unter der Decke spielte. In äußeren Angelegenheiten war dem Reichsrath nur ausnahmsweise und aus besonderem Freimuth ein Wort gegönnt, man bewies ihm aber in der Schleswig-holsteinschen Frage die Nutzlosigkeit jedes Versuches einer Einsprache. Es herrschte im Ministerium eine unüberwindliche Furcht vor den demokratischen Deutschen, von denen man sich energisch lossagte. Was Wunder, wenn dem Ministerium Schmerling am Ende auch seine treuesten Anhänger Opposition machten! Die Stunde der alten Feudalen war gekommen. Ungarn, das Land der Magnaten, durfte, wie sie meinten, nicht länger gehemmt bleiben in der Ausübung seiner verfassungsmäßigen Rechte. Hinter dem Rücken des Minister- Präsidenten Erzherzog Rainer und des Staatsministcrs wurde auf Andringen des Grafen Festetics und Genossen Herr v. Majlath zum ungarischen Hofkanzler ernannt, Graf Zichy vermittelte j^en beiden die von ihm gemachte Entdeckung, Grenzboten IV 1«KK. 51

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/431>, abgerufen am 28.06.2024.