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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Ein sächsisches Soldatenlied.

Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Sachsen steht bevor. Man
sieht ihr hier mit denselben Stoßseufzern entgegen wie in betr neu annectirten
preußischen Provinzen. Und dennoch wird sie wie für das ganze Land, so für
den Soldatenstand insbesondere sich als die größte Wohlthat erweisen. Man
hat uns berichtet, wie in kleinen Städten Sachsens, nachdem die preußische
Occupation derselben aufgehört, die Rückkehr der braven Landeskinder mit dem
lautesten Jubel begrüßt worden ist; wie man beschlossen, sie doppelt so gut zu
halten, als man die Preußen halten mußte, wie man jedoch in kürzester Zeit
bei allem treuen Wohlwollen für die Seinen doch den Unterschied empfunden,
hier fast nur Leute aus den unteren Classen des Volkes vor sich zu haben,
während das preußische Heer einen so bedeutenden Kern der mittleren und
höheren Stände in sich schloß, dessen überlegene Bildung in der Rückwirkung
auf das ganze Corps wie in dem Verkehr nach außen sich unverkennbar ab¬
zeichnete.

So weit die Eindrücke des Bürgers. Wie aber der sächsische Soldat selbst
fühlt, das soll uns eines seiner Lieder sagen. Das Volk spricht in seinem Ge¬
sänge immer mit Aufrichtigkeit; nun denn, rührender und poetischer ist wohl
das Gefühl eines exclusiver Soldatenstandes von allen den ihm aufgedrungenen
Leiden, das ganz allein nur in dem muthigen Entschlüsse eines wackeren Herzens
seine Linderung findet, nie ausgesprochen worden, als in den folgenden Zeilen:

Frisch auf, Kameraden, wann kriegen wir das Geld?
Wir müssen marschiren ins weit und breite Feld
Wir müssen marschiren dem Feinde entgegen,
Wir müssen marschiren, wir müssen ja fort.
Keine Betstunde wird nicht mehr angestellt,
Es betet ein jeder wies ihm gefällt.
Drum (ein)pfehle deine Seele dem lieben, lieben Gott,
Wir müssen marschiren, wir müssen ja fort.
Wo bleib'n denn unsre Ober- und Unteroffizier,
Die uns so fröhlich beisammen commandir'n?
Es commandirt ein jeder nach seiner, seiner Art;
Wir müssen marschiren, wir müssen nun fort.
Und als die Bataille vorüber -- über war,
Die Erde mit Blut übcrspritzet war,
So mancher Küraßreiter muß runter von sei'in Pferd,
So mancher brave Jnfantrist muß küssen die Erd.

Ein sächsisches Soldatenlied.

Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Sachsen steht bevor. Man
sieht ihr hier mit denselben Stoßseufzern entgegen wie in betr neu annectirten
preußischen Provinzen. Und dennoch wird sie wie für das ganze Land, so für
den Soldatenstand insbesondere sich als die größte Wohlthat erweisen. Man
hat uns berichtet, wie in kleinen Städten Sachsens, nachdem die preußische
Occupation derselben aufgehört, die Rückkehr der braven Landeskinder mit dem
lautesten Jubel begrüßt worden ist; wie man beschlossen, sie doppelt so gut zu
halten, als man die Preußen halten mußte, wie man jedoch in kürzester Zeit
bei allem treuen Wohlwollen für die Seinen doch den Unterschied empfunden,
hier fast nur Leute aus den unteren Classen des Volkes vor sich zu haben,
während das preußische Heer einen so bedeutenden Kern der mittleren und
höheren Stände in sich schloß, dessen überlegene Bildung in der Rückwirkung
auf das ganze Corps wie in dem Verkehr nach außen sich unverkennbar ab¬
zeichnete.

So weit die Eindrücke des Bürgers. Wie aber der sächsische Soldat selbst
fühlt, das soll uns eines seiner Lieder sagen. Das Volk spricht in seinem Ge¬
sänge immer mit Aufrichtigkeit; nun denn, rührender und poetischer ist wohl
das Gefühl eines exclusiver Soldatenstandes von allen den ihm aufgedrungenen
Leiden, das ganz allein nur in dem muthigen Entschlüsse eines wackeren Herzens
seine Linderung findet, nie ausgesprochen worden, als in den folgenden Zeilen:

Frisch auf, Kameraden, wann kriegen wir das Geld?
Wir müssen marschiren ins weit und breite Feld
Wir müssen marschiren dem Feinde entgegen,
Wir müssen marschiren, wir müssen ja fort.
Keine Betstunde wird nicht mehr angestellt,
Es betet ein jeder wies ihm gefällt.
Drum (ein)pfehle deine Seele dem lieben, lieben Gott,
Wir müssen marschiren, wir müssen ja fort.
Wo bleib'n denn unsre Ober- und Unteroffizier,
Die uns so fröhlich beisammen commandir'n?
Es commandirt ein jeder nach seiner, seiner Art;
Wir müssen marschiren, wir müssen nun fort.
Und als die Bataille vorüber — über war,
Die Erde mit Blut übcrspritzet war,
So mancher Küraßreiter muß runter von sei'in Pferd,
So mancher brave Jnfantrist muß küssen die Erd.

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[0424] Ein sächsisches Soldatenlied. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Sachsen steht bevor. Man sieht ihr hier mit denselben Stoßseufzern entgegen wie in betr neu annectirten preußischen Provinzen. Und dennoch wird sie wie für das ganze Land, so für den Soldatenstand insbesondere sich als die größte Wohlthat erweisen. Man hat uns berichtet, wie in kleinen Städten Sachsens, nachdem die preußische Occupation derselben aufgehört, die Rückkehr der braven Landeskinder mit dem lautesten Jubel begrüßt worden ist; wie man beschlossen, sie doppelt so gut zu halten, als man die Preußen halten mußte, wie man jedoch in kürzester Zeit bei allem treuen Wohlwollen für die Seinen doch den Unterschied empfunden, hier fast nur Leute aus den unteren Classen des Volkes vor sich zu haben, während das preußische Heer einen so bedeutenden Kern der mittleren und höheren Stände in sich schloß, dessen überlegene Bildung in der Rückwirkung auf das ganze Corps wie in dem Verkehr nach außen sich unverkennbar ab¬ zeichnete. So weit die Eindrücke des Bürgers. Wie aber der sächsische Soldat selbst fühlt, das soll uns eines seiner Lieder sagen. Das Volk spricht in seinem Ge¬ sänge immer mit Aufrichtigkeit; nun denn, rührender und poetischer ist wohl das Gefühl eines exclusiver Soldatenstandes von allen den ihm aufgedrungenen Leiden, das ganz allein nur in dem muthigen Entschlüsse eines wackeren Herzens seine Linderung findet, nie ausgesprochen worden, als in den folgenden Zeilen: Frisch auf, Kameraden, wann kriegen wir das Geld? Wir müssen marschiren ins weit und breite Feld Wir müssen marschiren dem Feinde entgegen, Wir müssen marschiren, wir müssen ja fort. Keine Betstunde wird nicht mehr angestellt, Es betet ein jeder wies ihm gefällt. Drum (ein)pfehle deine Seele dem lieben, lieben Gott, Wir müssen marschiren, wir müssen ja fort. Wo bleib'n denn unsre Ober- und Unteroffizier, Die uns so fröhlich beisammen commandir'n? Es commandirt ein jeder nach seiner, seiner Art; Wir müssen marschiren, wir müssen nun fort. Und als die Bataille vorüber — über war, Die Erde mit Blut übcrspritzet war, So mancher Küraßreiter muß runter von sei'in Pferd, So mancher brave Jnfantrist muß küssen die Erd.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/424>, abgerufen am 28.06.2024.