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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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"Ueber' einige Folgen der Einverleibung A." -- neigt sich halbwegs dieser
Forderung zu, wohl weil er die Wirkung so langsamer Processe, als die Um-
stimmung großer geschlossener Kreise von Menschen durch unerwartete That¬
sachen ist, zu früh vorwegnimmt und überschätzt. Bening dagegen -- dessen
treffliche Schrift kürzlich von uns skizzirt wurde -- sieht vollkommen ein, daß
dies die Pferde hinter den Wagen spannen hieße. Wie kann die preußische
Regierung Körperschaften, in denen die wahrlich nicht geringe, noch unthätige
Zahl der unbedingten vorbehaltlosen Anhänger Preußens so gut wie gar nicht
vertreten ist, wohl aber jede Abstufung von leidenschaftlichen und beschränkten
Gegnern der Einverleibung, das moralische Gewicht überliefern, das öffentlich
berufenen Vertrauensmännern zukommt? Den besten Nath werden ihr grade
solche Männer ertheilen, wie sie die früheren ständischen Korporationen entweder
gar nicht oder ganz vereinzelt unter sich zählten: Männer, die Hannover als
ihre Heimath lieben und ihren Landsleuten vor anderen Sterblichen alles Gute
gönnen, die aber zugleich Preußens nationale Politik als die Schlußbürg-
schaft aller öffentlichen Güter mit rücksichtsloser Hingebung zu unterstützen ent¬
schlossen sind.




Bei dem Interesse, welches Ihre grünen Blätter dem Universitätsleben
schenken und bei dem trefflichen Korrespondenten, der Ihnen Ihre Berichte aus
dem Schwabenlande zu senden pflegt, ist es wohl keine unrichtige Boraussetzung,
daß Sie auch der Angelegenheit des Professor der Geschichte Pauli in Tübingen
und dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren Aufmerksamkeit zuwenden. Ich er¬
laube mir dafür einige Notizen zu geben.

Pauli'S Artikel in den preußischen Jahrbüchern (Augustheft) enthielt un¬
zweifelhaft eine Beurtheilung der würtembergischen Minister, weiche dem Ver¬
fasser vor dem Gesetz Blößen gab, und wenn die Minister nach Ermittelung
des Autors gegen denselben crinünaliter vorgehen wollten, so konnte man da¬
gegen nicht viel einwenden. Indessen dann handelte es sich um ein Geschwornen¬
gericht, und das war mißlich. Bei der liebenswürdigen Stimmung und Ein-
sicht der zeitweiligen Staatslenker Würtembergs und bei dem scharfverletzten


„Ueber' einige Folgen der Einverleibung A." — neigt sich halbwegs dieser
Forderung zu, wohl weil er die Wirkung so langsamer Processe, als die Um-
stimmung großer geschlossener Kreise von Menschen durch unerwartete That¬
sachen ist, zu früh vorwegnimmt und überschätzt. Bening dagegen — dessen
treffliche Schrift kürzlich von uns skizzirt wurde — sieht vollkommen ein, daß
dies die Pferde hinter den Wagen spannen hieße. Wie kann die preußische
Regierung Körperschaften, in denen die wahrlich nicht geringe, noch unthätige
Zahl der unbedingten vorbehaltlosen Anhänger Preußens so gut wie gar nicht
vertreten ist, wohl aber jede Abstufung von leidenschaftlichen und beschränkten
Gegnern der Einverleibung, das moralische Gewicht überliefern, das öffentlich
berufenen Vertrauensmännern zukommt? Den besten Nath werden ihr grade
solche Männer ertheilen, wie sie die früheren ständischen Korporationen entweder
gar nicht oder ganz vereinzelt unter sich zählten: Männer, die Hannover als
ihre Heimath lieben und ihren Landsleuten vor anderen Sterblichen alles Gute
gönnen, die aber zugleich Preußens nationale Politik als die Schlußbürg-
schaft aller öffentlichen Güter mit rücksichtsloser Hingebung zu unterstützen ent¬
schlossen sind.




Bei dem Interesse, welches Ihre grünen Blätter dem Universitätsleben
schenken und bei dem trefflichen Korrespondenten, der Ihnen Ihre Berichte aus
dem Schwabenlande zu senden pflegt, ist es wohl keine unrichtige Boraussetzung,
daß Sie auch der Angelegenheit des Professor der Geschichte Pauli in Tübingen
und dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren Aufmerksamkeit zuwenden. Ich er¬
laube mir dafür einige Notizen zu geben.

Pauli'S Artikel in den preußischen Jahrbüchern (Augustheft) enthielt un¬
zweifelhaft eine Beurtheilung der würtembergischen Minister, weiche dem Ver¬
fasser vor dem Gesetz Blößen gab, und wenn die Minister nach Ermittelung
des Autors gegen denselben crinünaliter vorgehen wollten, so konnte man da¬
gegen nicht viel einwenden. Indessen dann handelte es sich um ein Geschwornen¬
gericht, und das war mißlich. Bei der liebenswürdigen Stimmung und Ein-
sicht der zeitweiligen Staatslenker Würtembergs und bei dem scharfverletzten


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[0377] „Ueber' einige Folgen der Einverleibung A." — neigt sich halbwegs dieser Forderung zu, wohl weil er die Wirkung so langsamer Processe, als die Um- stimmung großer geschlossener Kreise von Menschen durch unerwartete That¬ sachen ist, zu früh vorwegnimmt und überschätzt. Bening dagegen — dessen treffliche Schrift kürzlich von uns skizzirt wurde — sieht vollkommen ein, daß dies die Pferde hinter den Wagen spannen hieße. Wie kann die preußische Regierung Körperschaften, in denen die wahrlich nicht geringe, noch unthätige Zahl der unbedingten vorbehaltlosen Anhänger Preußens so gut wie gar nicht vertreten ist, wohl aber jede Abstufung von leidenschaftlichen und beschränkten Gegnern der Einverleibung, das moralische Gewicht überliefern, das öffentlich berufenen Vertrauensmännern zukommt? Den besten Nath werden ihr grade solche Männer ertheilen, wie sie die früheren ständischen Korporationen entweder gar nicht oder ganz vereinzelt unter sich zählten: Männer, die Hannover als ihre Heimath lieben und ihren Landsleuten vor anderen Sterblichen alles Gute gönnen, die aber zugleich Preußens nationale Politik als die Schlußbürg- schaft aller öffentlichen Güter mit rücksichtsloser Hingebung zu unterstützen ent¬ schlossen sind. Bei dem Interesse, welches Ihre grünen Blätter dem Universitätsleben schenken und bei dem trefflichen Korrespondenten, der Ihnen Ihre Berichte aus dem Schwabenlande zu senden pflegt, ist es wohl keine unrichtige Boraussetzung, daß Sie auch der Angelegenheit des Professor der Geschichte Pauli in Tübingen und dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren Aufmerksamkeit zuwenden. Ich er¬ laube mir dafür einige Notizen zu geben. Pauli'S Artikel in den preußischen Jahrbüchern (Augustheft) enthielt un¬ zweifelhaft eine Beurtheilung der würtembergischen Minister, weiche dem Ver¬ fasser vor dem Gesetz Blößen gab, und wenn die Minister nach Ermittelung des Autors gegen denselben crinünaliter vorgehen wollten, so konnte man da¬ gegen nicht viel einwenden. Indessen dann handelte es sich um ein Geschwornen¬ gericht, und das war mißlich. Bei der liebenswürdigen Stimmung und Ein- sicht der zeitweiligen Staatslenker Würtembergs und bei dem scharfverletzten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/377>, abgerufen am 28.06.2024.