Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.als die alten Zustände im letzten Sommer zusammenbrachen, allerwärts viel zu Patriotische Lyrik ans Sachsen. Wer von unseren Lesern sich noch der kleinen Lesefrüchte aus Dresden er¬ So helltönende Volksfreude, wie sie dem aufrichtig geliebten sächsischen Was das späte Jahr an Blumen versagte, hat die Muse ersetzt durch den als die alten Zustände im letzten Sommer zusammenbrachen, allerwärts viel zu Patriotische Lyrik ans Sachsen. Wer von unseren Lesern sich noch der kleinen Lesefrüchte aus Dresden er¬ So helltönende Volksfreude, wie sie dem aufrichtig geliebten sächsischen Was das späte Jahr an Blumen versagte, hat die Muse ersetzt durch den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0338" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286486"/> <p xml:id="ID_975" prev="#ID_974"> als die alten Zustände im letzten Sommer zusammenbrachen, allerwärts viel zu<lb/> schelten gewußt über mangelhafte Einrichtungen, unfähige Führung u. a. in.<lb/> Aber die süddeutsche Gemüthlichkeit liebt es nun einmal nicht, aus den auf¬<lb/> gestellten schönklingenden Grundsätzen ihre Consequenzen zu ziehen. Diese sind<lb/> häufig unliebsam, stören aus alter Behaglichkeit auf und fordern manches Opfer.<lb/> Darum weicht mau aus. wenn man an .diesem Punkt angekommen ist, und<lb/> neue schöne Worte finden sich ja immer, um sich und anderen dies zu verbergen.<lb/> Da wird denn noch manches Ereigniß eintreten müssen, um uns in die Schule<lb/> zu nehmen; wir lernen nicht so leicht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Patriotische Lyrik ans Sachsen.</head><lb/> <p xml:id="ID_976"> Wer von unseren Lesern sich noch der kleinen Lesefrüchte aus Dresden er¬<lb/> innert, die wir kürzlich mittheilten, und in denen das Sachsenland und das<lb/> Sachsenvolk als Quintessenz des Erdballs und der Menschheit durch schlagendes<lb/> Rechenexempel erwiesen waren, wird sich mit uns der Wahrnehmung freuen,<lb/> daß den Sachsen auch in der schweren Noth der jüngstvergangenen Zeit der<lb/> ewige Quellborn des Lebens, die Poesie, nicht erstickt worden ist. Das Friedens¬<lb/> instrument, das zwar manchem Hyperloyalen mehr eine Nuthe als die E'süllung<lb/> seiner Wünsche schien, hat dennoch wie die Wünschelruthe die goldenen Adern<lb/> der Dichterlust springen lassen, und was bedeutsam ist, die Poesien, die sie<lb/> ausstreut, haben das charakteristische Zeichen der Kunst, heiter zu sein, während<lb/> das Leben ernst ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_977"> So helltönende Volksfreude, wie sie dem aufrichtig geliebten sächsischen<lb/> Landessürste» und seinem braven Heere bei der Rückkehr die Thore der Heimath<lb/> öffnete, ist immer lehrreich und rührend zugleich. Denn dem Volke gehts wie<lb/> dem Individuum: mehr noch in der Lust als im Leide offenbart es sein Herz;<lb/> im Jauchzen des Jubels lockern sich die geheimsten Gedanken und schwirren<lb/> keck hinaus, unbekümmert sowohl um die Kritik derer, welche das Urtheil auch<lb/> über solche Products des Augenblicks zu ihren Zunftrechten zählen, wie derer,<lb/> welche etwa mit Neid auf die Thatsachen schauen, die dadurch poetisch constatirt<lb/> werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_978" next="#ID_979"> Was das späte Jahr an Blumen versagte, hat die Muse ersetzt durch den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0338]
als die alten Zustände im letzten Sommer zusammenbrachen, allerwärts viel zu
schelten gewußt über mangelhafte Einrichtungen, unfähige Führung u. a. in.
Aber die süddeutsche Gemüthlichkeit liebt es nun einmal nicht, aus den auf¬
gestellten schönklingenden Grundsätzen ihre Consequenzen zu ziehen. Diese sind
häufig unliebsam, stören aus alter Behaglichkeit auf und fordern manches Opfer.
Darum weicht mau aus. wenn man an .diesem Punkt angekommen ist, und
neue schöne Worte finden sich ja immer, um sich und anderen dies zu verbergen.
Da wird denn noch manches Ereigniß eintreten müssen, um uns in die Schule
zu nehmen; wir lernen nicht so leicht.
Patriotische Lyrik ans Sachsen.
Wer von unseren Lesern sich noch der kleinen Lesefrüchte aus Dresden er¬
innert, die wir kürzlich mittheilten, und in denen das Sachsenland und das
Sachsenvolk als Quintessenz des Erdballs und der Menschheit durch schlagendes
Rechenexempel erwiesen waren, wird sich mit uns der Wahrnehmung freuen,
daß den Sachsen auch in der schweren Noth der jüngstvergangenen Zeit der
ewige Quellborn des Lebens, die Poesie, nicht erstickt worden ist. Das Friedens¬
instrument, das zwar manchem Hyperloyalen mehr eine Nuthe als die E'süllung
seiner Wünsche schien, hat dennoch wie die Wünschelruthe die goldenen Adern
der Dichterlust springen lassen, und was bedeutsam ist, die Poesien, die sie
ausstreut, haben das charakteristische Zeichen der Kunst, heiter zu sein, während
das Leben ernst ist.
So helltönende Volksfreude, wie sie dem aufrichtig geliebten sächsischen
Landessürste» und seinem braven Heere bei der Rückkehr die Thore der Heimath
öffnete, ist immer lehrreich und rührend zugleich. Denn dem Volke gehts wie
dem Individuum: mehr noch in der Lust als im Leide offenbart es sein Herz;
im Jauchzen des Jubels lockern sich die geheimsten Gedanken und schwirren
keck hinaus, unbekümmert sowohl um die Kritik derer, welche das Urtheil auch
über solche Products des Augenblicks zu ihren Zunftrechten zählen, wie derer,
welche etwa mit Neid auf die Thatsachen schauen, die dadurch poetisch constatirt
werden.
Was das späte Jahr an Blumen versagte, hat die Muse ersetzt durch den
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