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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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mit Thüringen beabsichtigte. Es ist also durch die sächsische Regierung selbst
das Präcedens geschaffen, und Preußen führt nur aus, was Sachsen einst ge¬
wollt. Möge dieser Gedanke den Patrioten trösten und versöhnen.




Ein hannov. Jurist über die Auseinandersetzung mit Preußen.

Bening, Geh. Regierungsrath: Hannover bei seiner Vereinigung mit Preußen.
Hannover, Nümpler. 1866.

Der Verfasser der Schrift gehört zu den leider nicht zahlreichen Männern
hervorragender Lebensstellung, denen bewußt geworden ist, daß seit dem Sommer
1866 gut hannoverisch sein ein höherer Stolz ist als vordem, daß Anerkennung
des neuen Zustandes der Dinge kein Unrecht, und daß es kein Verrath, sondern
patriotische Pflicht ist, sich mit den neuen Lenkern des hannoverischen Staates
in Ruhe und sachlicher Gründlichkeit über die politischen Kontroversen, die der
Regierungswechsel nach sich zieht, zu verständigen. In solcher Gesinnung unter¬
wirft er als praktischer Jurist die politischen Activa und Passiva des weiland
Königreichs einer gründlichen Inventur. Die Absicht ist, an seinem Theile bei¬
zutragen, daß mit dem dehnsamem Worte "Schonung berechtigter Eigenthüm¬
lichkeiten", welche bei der Neugestaltung der nunmehrigen Provinz zugesagt ist,
von Seiten seiner Landsleute statt vager Velleitäten bestimmte Begriffe ver¬
bunden werden, und daß andererseits den Reorganisatoren, entscheidenden und
berathenden, das Soll und Haben übersichtlich vor Augen trete, um dessen Aus¬
gleichung es sich handelt.

Das Recht der Eroberung betrachtet der einsichtige Jurist mit Nichten als
Recht des Unrechtes, sondern erkennt es an als die allerdings besondere Gattung,
in welcher sich Macht und Recht unmittelbar begegnen. Hannover selbst hat --
Wie Herr Bening zur Beruhigung beifügt -- dieses geschmähte Recht einmal
für sich in Anspruch genommen, als es die beim Friedensschluß mit Frankreich
vergessene Herrlichkeit Lage dem Besitzer ausdrücklich kraft der oecuMio dvllieg.
Vorenthielt, "bis er es etwa wieder erobere"; heute ein lehrreiches Curiosum.

Mit der landesherrlichen Gewalt fällt auch die Befugniß der Landes¬
vertretung zur Theilnahme an Ausübung derselben. Ob das ein Unglück


Grenjboten IV. 18VK. 35

mit Thüringen beabsichtigte. Es ist also durch die sächsische Regierung selbst
das Präcedens geschaffen, und Preußen führt nur aus, was Sachsen einst ge¬
wollt. Möge dieser Gedanke den Patrioten trösten und versöhnen.




Ein hannov. Jurist über die Auseinandersetzung mit Preußen.

Bening, Geh. Regierungsrath: Hannover bei seiner Vereinigung mit Preußen.
Hannover, Nümpler. 1866.

Der Verfasser der Schrift gehört zu den leider nicht zahlreichen Männern
hervorragender Lebensstellung, denen bewußt geworden ist, daß seit dem Sommer
1866 gut hannoverisch sein ein höherer Stolz ist als vordem, daß Anerkennung
des neuen Zustandes der Dinge kein Unrecht, und daß es kein Verrath, sondern
patriotische Pflicht ist, sich mit den neuen Lenkern des hannoverischen Staates
in Ruhe und sachlicher Gründlichkeit über die politischen Kontroversen, die der
Regierungswechsel nach sich zieht, zu verständigen. In solcher Gesinnung unter¬
wirft er als praktischer Jurist die politischen Activa und Passiva des weiland
Königreichs einer gründlichen Inventur. Die Absicht ist, an seinem Theile bei¬
zutragen, daß mit dem dehnsamem Worte „Schonung berechtigter Eigenthüm¬
lichkeiten", welche bei der Neugestaltung der nunmehrigen Provinz zugesagt ist,
von Seiten seiner Landsleute statt vager Velleitäten bestimmte Begriffe ver¬
bunden werden, und daß andererseits den Reorganisatoren, entscheidenden und
berathenden, das Soll und Haben übersichtlich vor Augen trete, um dessen Aus¬
gleichung es sich handelt.

Das Recht der Eroberung betrachtet der einsichtige Jurist mit Nichten als
Recht des Unrechtes, sondern erkennt es an als die allerdings besondere Gattung,
in welcher sich Macht und Recht unmittelbar begegnen. Hannover selbst hat —
Wie Herr Bening zur Beruhigung beifügt — dieses geschmähte Recht einmal
für sich in Anspruch genommen, als es die beim Friedensschluß mit Frankreich
vergessene Herrlichkeit Lage dem Besitzer ausdrücklich kraft der oecuMio dvllieg.
Vorenthielt, „bis er es etwa wieder erobere"; heute ein lehrreiches Curiosum.

Mit der landesherrlichen Gewalt fällt auch die Befugniß der Landes¬
vertretung zur Theilnahme an Ausübung derselben. Ob das ein Unglück


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[0295] mit Thüringen beabsichtigte. Es ist also durch die sächsische Regierung selbst das Präcedens geschaffen, und Preußen führt nur aus, was Sachsen einst ge¬ wollt. Möge dieser Gedanke den Patrioten trösten und versöhnen. Ein hannov. Jurist über die Auseinandersetzung mit Preußen. Bening, Geh. Regierungsrath: Hannover bei seiner Vereinigung mit Preußen. Hannover, Nümpler. 1866. Der Verfasser der Schrift gehört zu den leider nicht zahlreichen Männern hervorragender Lebensstellung, denen bewußt geworden ist, daß seit dem Sommer 1866 gut hannoverisch sein ein höherer Stolz ist als vordem, daß Anerkennung des neuen Zustandes der Dinge kein Unrecht, und daß es kein Verrath, sondern patriotische Pflicht ist, sich mit den neuen Lenkern des hannoverischen Staates in Ruhe und sachlicher Gründlichkeit über die politischen Kontroversen, die der Regierungswechsel nach sich zieht, zu verständigen. In solcher Gesinnung unter¬ wirft er als praktischer Jurist die politischen Activa und Passiva des weiland Königreichs einer gründlichen Inventur. Die Absicht ist, an seinem Theile bei¬ zutragen, daß mit dem dehnsamem Worte „Schonung berechtigter Eigenthüm¬ lichkeiten", welche bei der Neugestaltung der nunmehrigen Provinz zugesagt ist, von Seiten seiner Landsleute statt vager Velleitäten bestimmte Begriffe ver¬ bunden werden, und daß andererseits den Reorganisatoren, entscheidenden und berathenden, das Soll und Haben übersichtlich vor Augen trete, um dessen Aus¬ gleichung es sich handelt. Das Recht der Eroberung betrachtet der einsichtige Jurist mit Nichten als Recht des Unrechtes, sondern erkennt es an als die allerdings besondere Gattung, in welcher sich Macht und Recht unmittelbar begegnen. Hannover selbst hat — Wie Herr Bening zur Beruhigung beifügt — dieses geschmähte Recht einmal für sich in Anspruch genommen, als es die beim Friedensschluß mit Frankreich vergessene Herrlichkeit Lage dem Besitzer ausdrücklich kraft der oecuMio dvllieg. Vorenthielt, „bis er es etwa wieder erobere"; heute ein lehrreiches Curiosum. Mit der landesherrlichen Gewalt fällt auch die Befugniß der Landes¬ vertretung zur Theilnahme an Ausübung derselben. Ob das ein Unglück Grenjboten IV. 18VK. 35

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/295>, abgerufen am 28.06.2024.