Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.Shakespeare und seine Zeitgenossen. In diesem Blatte ist bereits eine Reihe von Aufsätzen besprochen, die zuerst Man hat das Buch des Herrn Rümelin als ein patriotisches Unternehmen Wir übergehen viele gewagte Behauptungen des Verfassers, wie z. B. daß Grenzboten IV. 18öK. - 22 ,
Shakespeare und seine Zeitgenossen. In diesem Blatte ist bereits eine Reihe von Aufsätzen besprochen, die zuerst Man hat das Buch des Herrn Rümelin als ein patriotisches Unternehmen Wir übergehen viele gewagte Behauptungen des Verfassers, wie z. B. daß Grenzboten IV. 18öK. - 22 ,
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0187" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286335"/> </div> <div n="1"> <head> Shakespeare und seine Zeitgenossen.</head><lb/> <p xml:id="ID_492"> In diesem Blatte ist bereits eine Reihe von Aufsätzen besprochen, die zuerst<lb/> unter dem Titel „Shakespearestudien eines Realisten" im Morgenblatt erschienen,<lb/> Aufsehen selbst in literarischen Kreisen erregten und später als selbständiges Buch<lb/> herausgegeben wurden, vor welchem sich Gustav Rümelin als Verfasser ge¬<lb/> nannt hat. Wenn hier nach Monaten, in denen die leidenschaftliche Theilnahme<lb/> der Deutschen ausschließlich einem anderen Gebiete hoher Interessen zugewandt<lb/> war, diese Arbeit eines Dilettanten noch einmal besprochen wird, so geschieht<lb/> dies zunächst, um darar^ zu erinnern, daß ein ästhetisches Urtheil sehr entschieden<lb/> auftreten kann, ohne irgend competent zu sein, dann aber, um an das Buch<lb/> einige Bemerkungen über die Stellung des großen Dichters in seinem Volke<lb/> zu fügen, welche auch den Lesern „der Grenzboten" von Interesse sein dürften.</p><lb/> <p xml:id="ID_493"> Man hat das Buch des Herrn Rümelin als ein patriotisches Unternehmen<lb/> dargestellt, weil der Verfasser zu Gunsten der deutschen Dichter die Bewunde¬<lb/> rung des Briten wieder in festgcsteckte Schranken zurückgeführt habe. Offen¬<lb/> bar würden wir uns mit diesem wunderlichen Patriotismus den größten Schaden<lb/> zufügen; denn in Wahrheit hat unsere Bühne erst durch Einführung Shake¬<lb/> speares sichere künstlerische Grundlage gewonnen, auf diesem Grunde haben<lb/> unsere deutschen Meister ihre Werke errichtet, in den Werken Shakespeares findet<lb/> doch immer die Schauspielkunst ihre höchsten Aufgaben, die Dichter unerreichte<lb/> Vorbilder.</p><lb/> <p xml:id="ID_494" next="#ID_495"> Wir übergehen viele gewagte Behauptungen des Verfassers, wie z. B. daß<lb/> Shakespeare ursprünglich eine „lyrische Begabung" gehabt, welche „das Theater¬<lb/> wesen" in ihm erstickte, daß der Druck seiner verachteten Stellung ihn sorglich,<lb/> ja zur Melancholie, zum Pessimismus geneigt gemacht habe, daß seine Bühnen¬<lb/> wirkungen „viel weniger auf der kunstvollen Planmäßigkeit und Zusammen¬<lb/> stimmung des Ganzen als auf dem spannenden Reiz der einzelnen Theile" be¬<lb/> ruhen u. s. w. Um Verständniß und Kenntnisse des Verfassers zu charakterisiren,<lb/> wird es genügen, hier sein Urtheil über einige Stücke anzuführen. Der Ver¬<lb/> fasser sagt S. 36: „In den englischen Historienstücken geht die Selbständigkeit<lb/> der Theile bis zum Uebermaß, mit Ausnahme von Richard dem Dritten haben<lb/> sie kaum eine weitere Einheit als die in den Titeln der Stücke enthaltene; es<lb/> sind aneinandergereihte lebende Bilder, für sich wirksam und bedeutend, aber<lb/> von losem Zusammenhang. So wird^der erste Act von Richard dem Zweiten,<lb/> dessen Beziehungen zum Folgenden so wenig klar hervortreten, verständlicher,<lb/> wenn man sich vergegenwärtigt, welches Interesse schon an und für sich ein in</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 18öK. - 22 ,</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0187]
Shakespeare und seine Zeitgenossen.
In diesem Blatte ist bereits eine Reihe von Aufsätzen besprochen, die zuerst
unter dem Titel „Shakespearestudien eines Realisten" im Morgenblatt erschienen,
Aufsehen selbst in literarischen Kreisen erregten und später als selbständiges Buch
herausgegeben wurden, vor welchem sich Gustav Rümelin als Verfasser ge¬
nannt hat. Wenn hier nach Monaten, in denen die leidenschaftliche Theilnahme
der Deutschen ausschließlich einem anderen Gebiete hoher Interessen zugewandt
war, diese Arbeit eines Dilettanten noch einmal besprochen wird, so geschieht
dies zunächst, um darar^ zu erinnern, daß ein ästhetisches Urtheil sehr entschieden
auftreten kann, ohne irgend competent zu sein, dann aber, um an das Buch
einige Bemerkungen über die Stellung des großen Dichters in seinem Volke
zu fügen, welche auch den Lesern „der Grenzboten" von Interesse sein dürften.
Man hat das Buch des Herrn Rümelin als ein patriotisches Unternehmen
dargestellt, weil der Verfasser zu Gunsten der deutschen Dichter die Bewunde¬
rung des Briten wieder in festgcsteckte Schranken zurückgeführt habe. Offen¬
bar würden wir uns mit diesem wunderlichen Patriotismus den größten Schaden
zufügen; denn in Wahrheit hat unsere Bühne erst durch Einführung Shake¬
speares sichere künstlerische Grundlage gewonnen, auf diesem Grunde haben
unsere deutschen Meister ihre Werke errichtet, in den Werken Shakespeares findet
doch immer die Schauspielkunst ihre höchsten Aufgaben, die Dichter unerreichte
Vorbilder.
Wir übergehen viele gewagte Behauptungen des Verfassers, wie z. B. daß
Shakespeare ursprünglich eine „lyrische Begabung" gehabt, welche „das Theater¬
wesen" in ihm erstickte, daß der Druck seiner verachteten Stellung ihn sorglich,
ja zur Melancholie, zum Pessimismus geneigt gemacht habe, daß seine Bühnen¬
wirkungen „viel weniger auf der kunstvollen Planmäßigkeit und Zusammen¬
stimmung des Ganzen als auf dem spannenden Reiz der einzelnen Theile" be¬
ruhen u. s. w. Um Verständniß und Kenntnisse des Verfassers zu charakterisiren,
wird es genügen, hier sein Urtheil über einige Stücke anzuführen. Der Ver¬
fasser sagt S. 36: „In den englischen Historienstücken geht die Selbständigkeit
der Theile bis zum Uebermaß, mit Ausnahme von Richard dem Dritten haben
sie kaum eine weitere Einheit als die in den Titeln der Stücke enthaltene; es
sind aneinandergereihte lebende Bilder, für sich wirksam und bedeutend, aber
von losem Zusammenhang. So wird^der erste Act von Richard dem Zweiten,
dessen Beziehungen zum Folgenden so wenig klar hervortreten, verständlicher,
wenn man sich vergegenwärtigt, welches Interesse schon an und für sich ein in
Grenzboten IV. 18öK. - 22 ,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |