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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Friedliche Herbstbetrachtungen im Bundesstaat.

Der Kriegssturm, welcher in diesem Sommer über unsere Länder fuhr und
die Gipfel stolzer Bäume brach, l>at geendet in einem warmen Wehen, welches
die Blüthen von tausend Festgewinden bewegt. Die lebenden Krieger sind fast
alle zur Heimath gekehrt, auch die große Woche der Einzuge ist vorüber. In
den meisten Landschaften des neuen Bundes und in den acht alten Provinzen
des preußischen Staates war seit vierzehn Tagen die letzte große Geschäftigkeit
des Krieges eine freudige Arbeit nach schwerer Sorgenzeit. Unzählbar sind die
Kränze und Sträuße, welche geflochten worden, sehr schön die Anreden, welche
die lieben Väter der Stadt an die bekränzten Hclmträger richteten, nicht klein
waren die runden Tonnen und essenswürdigen Schüsseln, welche in geschmückten
Festsälcn aufgestellt wurden. Und wenn es ein physikalisches Kunstnüttel gäbe,
die hallenden Hochrufe der Millionen zu einem einzigen Ton zu concentriren,
es wäre ein Donnerklang geworden, der von der Newa bis zu den Pyrenäen
die Luft erschüttert hätte. Unterdeß mußten die Zeitungen solchen Klang er¬
setzen. Sehr verschieden waren freilich die Aeußerungen derselben Freude. Im
stille" Kirchdorf thats eine Guirlande, die über die Straße gespannt war, ein
Choral. zu welchem die einzige Posaune des Dorfes den Grundton zu finden
strebte, auch die Jungfrauen hatten sich weißer Gewänder enthalten, aber die
Grüße, Umarmungen und die Freudenthränen der Eltern waren grade so warm,
wie wo anders. stattlicher vorbereitet erwiesen sich die Triumphe in der an-
sehnlichen Mittelstadt, hier war die Begrüßung am meisten einem schönen Volks-
fest ähnlich. Denn die ganze Bevölkerung der Umgegend war zu Wagen. Roß
und Fuß in der Stadt zusammengeströmt, in kleinen Bundesländern fast das
ganze Volk in seiner Residenzstadt versammelt, den bescheidenen Häusern war ^
der letzte Blumenschmuck des Jahres. Dahlien und Astern, die beste Zier, nnter
den einziehenden Truppen war die Ordnung gar nicht zu erhalten, denn die


Grenzboten IV. 18KK. . 1
Friedliche Herbstbetrachtungen im Bundesstaat.

Der Kriegssturm, welcher in diesem Sommer über unsere Länder fuhr und
die Gipfel stolzer Bäume brach, l>at geendet in einem warmen Wehen, welches
die Blüthen von tausend Festgewinden bewegt. Die lebenden Krieger sind fast
alle zur Heimath gekehrt, auch die große Woche der Einzuge ist vorüber. In
den meisten Landschaften des neuen Bundes und in den acht alten Provinzen
des preußischen Staates war seit vierzehn Tagen die letzte große Geschäftigkeit
des Krieges eine freudige Arbeit nach schwerer Sorgenzeit. Unzählbar sind die
Kränze und Sträuße, welche geflochten worden, sehr schön die Anreden, welche
die lieben Väter der Stadt an die bekränzten Hclmträger richteten, nicht klein
waren die runden Tonnen und essenswürdigen Schüsseln, welche in geschmückten
Festsälcn aufgestellt wurden. Und wenn es ein physikalisches Kunstnüttel gäbe,
die hallenden Hochrufe der Millionen zu einem einzigen Ton zu concentriren,
es wäre ein Donnerklang geworden, der von der Newa bis zu den Pyrenäen
die Luft erschüttert hätte. Unterdeß mußten die Zeitungen solchen Klang er¬
setzen. Sehr verschieden waren freilich die Aeußerungen derselben Freude. Im
stille» Kirchdorf thats eine Guirlande, die über die Straße gespannt war, ein
Choral. zu welchem die einzige Posaune des Dorfes den Grundton zu finden
strebte, auch die Jungfrauen hatten sich weißer Gewänder enthalten, aber die
Grüße, Umarmungen und die Freudenthränen der Eltern waren grade so warm,
wie wo anders. stattlicher vorbereitet erwiesen sich die Triumphe in der an-
sehnlichen Mittelstadt, hier war die Begrüßung am meisten einem schönen Volks-
fest ähnlich. Denn die ganze Bevölkerung der Umgegend war zu Wagen. Roß
und Fuß in der Stadt zusammengeströmt, in kleinen Bundesländern fast das
ganze Volk in seiner Residenzstadt versammelt, den bescheidenen Häusern war ^
der letzte Blumenschmuck des Jahres. Dahlien und Astern, die beste Zier, nnter
den einziehenden Truppen war die Ordnung gar nicht zu erhalten, denn die


Grenzboten IV. 18KK. . 1
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[0011] Friedliche Herbstbetrachtungen im Bundesstaat. Der Kriegssturm, welcher in diesem Sommer über unsere Länder fuhr und die Gipfel stolzer Bäume brach, l>at geendet in einem warmen Wehen, welches die Blüthen von tausend Festgewinden bewegt. Die lebenden Krieger sind fast alle zur Heimath gekehrt, auch die große Woche der Einzuge ist vorüber. In den meisten Landschaften des neuen Bundes und in den acht alten Provinzen des preußischen Staates war seit vierzehn Tagen die letzte große Geschäftigkeit des Krieges eine freudige Arbeit nach schwerer Sorgenzeit. Unzählbar sind die Kränze und Sträuße, welche geflochten worden, sehr schön die Anreden, welche die lieben Väter der Stadt an die bekränzten Hclmträger richteten, nicht klein waren die runden Tonnen und essenswürdigen Schüsseln, welche in geschmückten Festsälcn aufgestellt wurden. Und wenn es ein physikalisches Kunstnüttel gäbe, die hallenden Hochrufe der Millionen zu einem einzigen Ton zu concentriren, es wäre ein Donnerklang geworden, der von der Newa bis zu den Pyrenäen die Luft erschüttert hätte. Unterdeß mußten die Zeitungen solchen Klang er¬ setzen. Sehr verschieden waren freilich die Aeußerungen derselben Freude. Im stille» Kirchdorf thats eine Guirlande, die über die Straße gespannt war, ein Choral. zu welchem die einzige Posaune des Dorfes den Grundton zu finden strebte, auch die Jungfrauen hatten sich weißer Gewänder enthalten, aber die Grüße, Umarmungen und die Freudenthränen der Eltern waren grade so warm, wie wo anders. stattlicher vorbereitet erwiesen sich die Triumphe in der an- sehnlichen Mittelstadt, hier war die Begrüßung am meisten einem schönen Volks- fest ähnlich. Denn die ganze Bevölkerung der Umgegend war zu Wagen. Roß und Fuß in der Stadt zusammengeströmt, in kleinen Bundesländern fast das ganze Volk in seiner Residenzstadt versammelt, den bescheidenen Häusern war ^ der letzte Blumenschmuck des Jahres. Dahlien und Astern, die beste Zier, nnter den einziehenden Truppen war die Ordnung gar nicht zu erhalten, denn die Grenzboten IV. 18KK. . 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/11>, abgerufen am 28.06.2024.