Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Geld u. s. w. Aber, schließt er, bis zu einer bestimmten Höhe müsse man die
Zinsen unter jeder Bedingung dem Verkehre zugestehen. "Denn oft wird ge¬
stattet, was durch ein Staatsgesetz nicht gebessert oder erzwungen werden
kann."

Die Reformatoren brachen die Autontcitssesseln der römischen Kirche, ihrer
Gesetze und so auch mittelbar ihres Wucherverbotes. Im Einzelnen aber sehen
wir, wie sie eine Zeit lang in der Wucherfrage trotz ihres radicalen Eifers
gegen die Geltung des kanonischen Rechtes .dessen Zinsvorschriften erneuern.
Bald aber sagen sie sich von denselben los und erkennen die Forderungen des
Verkehrs an, trotz ihrer unzweifelhaft christlichen Gesinnung und trotz ihrer vor¬
wiegenden Theilnahme für die Unbemittelten, "kleineren Leute", deren Schutz
unser Herrenhaus wesentlich als seine Aufgabe bei der Wucherrcform ansieht.
Damals that die Zinsgesetzgcbung den Ersten Schritt vorwärts, indem sie bis
zu 5--6 Procent Zinsen erlaubte. Man kann'streng quellenmäßig erweisen --
und auch obiges lehrt dies -- > daß dieser gesetzliche Zinsfuß nur der Ausdruck
der im Verkehre frei herausgebildeter Zinshöhe sein sollte, keine willkürlich ge¬
setzte Schranke. Die Reichsgesetze über den Rentenfuß, über die Judenzinsen
und Verzugszinsen und mittelbar über die Conventionalzinsen sprechen dies aus¬
drücklich aus. Wer damals die Zinsen bis zur gesetzlichen Höhe befürwortete,
erkannte damit dem Verkehre die schließliche Regelung des Zinsfußes zu; daher
passen grade die Haupt- und Schlußsätze aus den Wucherdebatten der Reforma¬
toren unmittelbar auf die heutige Wucherfrage. Heute thut die Zinsgesetzgebung
ihren zweiten Schritt, den Verkehr von aller gesetzlichen Fessel des Zinsfußes
zu entbinden, es ist eine nothwendige Folge aus den obigen Grundsätzen.

Nach obiger Darlegung dürfen wir sagen, die Reformatoren würden heute
für Aufhebung der Wuchergesetze stimmen -- trotz ihrer christlichen Gesinnung.




Mit Ztr. beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im September 1866.
Die Verlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur- Gustav Freytag.
Verlag von F. L. Serbig. -- Druck von Hüthel Legler (früher C, E. Elbert) in Leipzig.

Geld u. s. w. Aber, schließt er, bis zu einer bestimmten Höhe müsse man die
Zinsen unter jeder Bedingung dem Verkehre zugestehen. „Denn oft wird ge¬
stattet, was durch ein Staatsgesetz nicht gebessert oder erzwungen werden
kann."

Die Reformatoren brachen die Autontcitssesseln der römischen Kirche, ihrer
Gesetze und so auch mittelbar ihres Wucherverbotes. Im Einzelnen aber sehen
wir, wie sie eine Zeit lang in der Wucherfrage trotz ihres radicalen Eifers
gegen die Geltung des kanonischen Rechtes .dessen Zinsvorschriften erneuern.
Bald aber sagen sie sich von denselben los und erkennen die Forderungen des
Verkehrs an, trotz ihrer unzweifelhaft christlichen Gesinnung und trotz ihrer vor¬
wiegenden Theilnahme für die Unbemittelten, „kleineren Leute", deren Schutz
unser Herrenhaus wesentlich als seine Aufgabe bei der Wucherrcform ansieht.
Damals that die Zinsgesetzgcbung den Ersten Schritt vorwärts, indem sie bis
zu 5—6 Procent Zinsen erlaubte. Man kann'streng quellenmäßig erweisen —
und auch obiges lehrt dies — > daß dieser gesetzliche Zinsfuß nur der Ausdruck
der im Verkehre frei herausgebildeter Zinshöhe sein sollte, keine willkürlich ge¬
setzte Schranke. Die Reichsgesetze über den Rentenfuß, über die Judenzinsen
und Verzugszinsen und mittelbar über die Conventionalzinsen sprechen dies aus¬
drücklich aus. Wer damals die Zinsen bis zur gesetzlichen Höhe befürwortete,
erkannte damit dem Verkehre die schließliche Regelung des Zinsfußes zu; daher
passen grade die Haupt- und Schlußsätze aus den Wucherdebatten der Reforma¬
toren unmittelbar auf die heutige Wucherfrage. Heute thut die Zinsgesetzgebung
ihren zweiten Schritt, den Verkehr von aller gesetzlichen Fessel des Zinsfußes
zu entbinden, es ist eine nothwendige Folge aus den obigen Grundsätzen.

Nach obiger Darlegung dürfen wir sagen, die Reformatoren würden heute
für Aufhebung der Wuchergesetze stimmen — trotz ihrer christlichen Gesinnung.




Mit Ztr. beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im September 1866.
Die Verlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur- Gustav Freytag.
Verlag von F. L. Serbig. — Druck von Hüthel Legler (früher C, E. Elbert) in Leipzig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0554" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286142"/>
          <p xml:id="ID_1964" prev="#ID_1963"> Geld u. s. w. Aber, schließt er, bis zu einer bestimmten Höhe müsse man die<lb/>
Zinsen unter jeder Bedingung dem Verkehre zugestehen. &#x201E;Denn oft wird ge¬<lb/>
stattet, was durch ein Staatsgesetz nicht gebessert oder erzwungen werden<lb/>
kann."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1965"> Die Reformatoren brachen die Autontcitssesseln der römischen Kirche, ihrer<lb/>
Gesetze und so auch mittelbar ihres Wucherverbotes. Im Einzelnen aber sehen<lb/>
wir, wie sie eine Zeit lang in der Wucherfrage trotz ihres radicalen Eifers<lb/>
gegen die Geltung des kanonischen Rechtes .dessen Zinsvorschriften erneuern.<lb/>
Bald aber sagen sie sich von denselben los und erkennen die Forderungen des<lb/>
Verkehrs an, trotz ihrer unzweifelhaft christlichen Gesinnung und trotz ihrer vor¬<lb/>
wiegenden Theilnahme für die Unbemittelten, &#x201E;kleineren Leute", deren Schutz<lb/>
unser Herrenhaus wesentlich als seine Aufgabe bei der Wucherrcform ansieht.<lb/>
Damals that die Zinsgesetzgcbung den Ersten Schritt vorwärts, indem sie bis<lb/>
zu 5&#x2014;6 Procent Zinsen erlaubte. Man kann'streng quellenmäßig erweisen &#x2014;<lb/>
und auch obiges lehrt dies &#x2014; &gt; daß dieser gesetzliche Zinsfuß nur der Ausdruck<lb/>
der im Verkehre frei herausgebildeter Zinshöhe sein sollte, keine willkürlich ge¬<lb/>
setzte Schranke. Die Reichsgesetze über den Rentenfuß, über die Judenzinsen<lb/>
und Verzugszinsen und mittelbar über die Conventionalzinsen sprechen dies aus¬<lb/>
drücklich aus. Wer damals die Zinsen bis zur gesetzlichen Höhe befürwortete,<lb/>
erkannte damit dem Verkehre die schließliche Regelung des Zinsfußes zu; daher<lb/>
passen grade die Haupt- und Schlußsätze aus den Wucherdebatten der Reforma¬<lb/>
toren unmittelbar auf die heutige Wucherfrage. Heute thut die Zinsgesetzgebung<lb/>
ihren zweiten Schritt, den Verkehr von aller gesetzlichen Fessel des Zinsfußes<lb/>
zu entbinden, es ist eine nothwendige Folge aus den obigen Grundsätzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1966"> Nach obiger Darlegung dürfen wir sagen, die Reformatoren würden heute<lb/>
für Aufhebung der Wuchergesetze stimmen &#x2014; trotz ihrer christlichen Gesinnung.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div>
          <floatingText>
            <body>
              <div type="advertisement">
                <p> Mit Ztr. beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,<lb/>
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬<lb/>
ziehen ist.<lb/>
Leipzig, im September 1866.<lb/>
Die Verlagshandlung.</p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <note type="byline"> Verantwortlicher Redacteur- Gustav Freytag.<lb/>
Verlag von F. L. Serbig. &#x2014; Druck von Hüthel  Legler (früher C, E. Elbert) in Leipzig.</note><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0554] Geld u. s. w. Aber, schließt er, bis zu einer bestimmten Höhe müsse man die Zinsen unter jeder Bedingung dem Verkehre zugestehen. „Denn oft wird ge¬ stattet, was durch ein Staatsgesetz nicht gebessert oder erzwungen werden kann." Die Reformatoren brachen die Autontcitssesseln der römischen Kirche, ihrer Gesetze und so auch mittelbar ihres Wucherverbotes. Im Einzelnen aber sehen wir, wie sie eine Zeit lang in der Wucherfrage trotz ihres radicalen Eifers gegen die Geltung des kanonischen Rechtes .dessen Zinsvorschriften erneuern. Bald aber sagen sie sich von denselben los und erkennen die Forderungen des Verkehrs an, trotz ihrer unzweifelhaft christlichen Gesinnung und trotz ihrer vor¬ wiegenden Theilnahme für die Unbemittelten, „kleineren Leute", deren Schutz unser Herrenhaus wesentlich als seine Aufgabe bei der Wucherrcform ansieht. Damals that die Zinsgesetzgcbung den Ersten Schritt vorwärts, indem sie bis zu 5—6 Procent Zinsen erlaubte. Man kann'streng quellenmäßig erweisen — und auch obiges lehrt dies — > daß dieser gesetzliche Zinsfuß nur der Ausdruck der im Verkehre frei herausgebildeter Zinshöhe sein sollte, keine willkürlich ge¬ setzte Schranke. Die Reichsgesetze über den Rentenfuß, über die Judenzinsen und Verzugszinsen und mittelbar über die Conventionalzinsen sprechen dies aus¬ drücklich aus. Wer damals die Zinsen bis zur gesetzlichen Höhe befürwortete, erkannte damit dem Verkehre die schließliche Regelung des Zinsfußes zu; daher passen grade die Haupt- und Schlußsätze aus den Wucherdebatten der Reforma¬ toren unmittelbar auf die heutige Wucherfrage. Heute thut die Zinsgesetzgebung ihren zweiten Schritt, den Verkehr von aller gesetzlichen Fessel des Zinsfußes zu entbinden, es ist eine nothwendige Folge aus den obigen Grundsätzen. Nach obiger Darlegung dürfen wir sagen, die Reformatoren würden heute für Aufhebung der Wuchergesetze stimmen — trotz ihrer christlichen Gesinnung. Mit Ztr. beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬ ziehen ist. Leipzig, im September 1866. Die Verlagshandlung. Verantwortlicher Redacteur- Gustav Freytag. Verlag von F. L. Serbig. — Druck von Hüthel Legler (früher C, E. Elbert) in Leipzig.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/554
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/554>, abgerufen am 22.07.2024.