Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Annexion und die Universitäten.

Die milde Antwort, welche König Wilhelm der ritterschaftlichen Deputation
aus Hannover ertheilte, war nicht nur für die Bevölkerung der einverleibten
Landschaften gesprochen, sie war auch vor der öffentlichen Meinung Europas,
der großen Jury, eine feierliche Darlegung der Gesinnung, in welcher die Preu¬
ßische Regierung neues Gebiet an altpreußisches schließt. Den Junkertrotz der
Niedersachsen vermochte die königliche Rede nicht zu beugen. Für diese Herren
haben die Preußen noch eine andere Antwort bereit, und es wird gut sein,
wenn sie dieselbe recht oft hören. Sie waren sämmtlich längst Preußen, ohne
es zu wissen; sie waren längst untreue Hintersassen in dem großen deutschen
Staat, wenn sie ihre Söhne in die östreichische Armee schickten, und sie waren
längst gemeinschädliche Sonderbündler, wenn sie als Beamte und Hofdiener dem
Hochmuth ihrer kleinen Fürsten schmeichelten und den Separatismus ihrer Welfen-
und Kattenhäuptlinge beförderten. So weit die Junker von Hannover Theil
haben an Unserer Bildung, an deutscher Eigenart und den Wohlthaten moderner
Civilisiation, sind sie dafür in erster Linie Preußen zum Danke verpflichtet.
Denn seit 181S hat nur die Existenz dieses Staats sie davor bewahrt, Fran¬
zosen oder Kosaken zu werden. Möglich, daß manchem von ihnen diese Ver¬
änderung kein übergroßes Herzeleid gewesen wäre. Wer aber unter ihnen in
Wahrheit einen hannoverischen Stolz hat, der soll jetzt daran denken, daß dies
patriotische Gefühl ihm längst abhanden gekommen wäre, wenn der militärische
Schutz deutscher Sprache, deutscher Literatur und deutscher Bolksart von der
Armee eines Kurfürsten von Mainz und Köln und von der Hausmacht der ge¬
bietenden Herren vom weißen Roß und doppelschwänzigen Löwen abgehangen


Vrmzbotm III. 186K. S6
Die Annexion und die Universitäten.

Die milde Antwort, welche König Wilhelm der ritterschaftlichen Deputation
aus Hannover ertheilte, war nicht nur für die Bevölkerung der einverleibten
Landschaften gesprochen, sie war auch vor der öffentlichen Meinung Europas,
der großen Jury, eine feierliche Darlegung der Gesinnung, in welcher die Preu¬
ßische Regierung neues Gebiet an altpreußisches schließt. Den Junkertrotz der
Niedersachsen vermochte die königliche Rede nicht zu beugen. Für diese Herren
haben die Preußen noch eine andere Antwort bereit, und es wird gut sein,
wenn sie dieselbe recht oft hören. Sie waren sämmtlich längst Preußen, ohne
es zu wissen; sie waren längst untreue Hintersassen in dem großen deutschen
Staat, wenn sie ihre Söhne in die östreichische Armee schickten, und sie waren
längst gemeinschädliche Sonderbündler, wenn sie als Beamte und Hofdiener dem
Hochmuth ihrer kleinen Fürsten schmeichelten und den Separatismus ihrer Welfen-
und Kattenhäuptlinge beförderten. So weit die Junker von Hannover Theil
haben an Unserer Bildung, an deutscher Eigenart und den Wohlthaten moderner
Civilisiation, sind sie dafür in erster Linie Preußen zum Danke verpflichtet.
Denn seit 181S hat nur die Existenz dieses Staats sie davor bewahrt, Fran¬
zosen oder Kosaken zu werden. Möglich, daß manchem von ihnen diese Ver¬
änderung kein übergroßes Herzeleid gewesen wäre. Wer aber unter ihnen in
Wahrheit einen hannoverischen Stolz hat, der soll jetzt daran denken, daß dies
patriotische Gefühl ihm längst abhanden gekommen wäre, wenn der militärische
Schutz deutscher Sprache, deutscher Literatur und deutscher Bolksart von der
Armee eines Kurfürsten von Mainz und Köln und von der Hausmacht der ge¬
bietenden Herren vom weißen Roß und doppelschwänzigen Löwen abgehangen


Vrmzbotm III. 186K. S6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0473" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286061"/>
        <div n="1">
          <head> Die Annexion und die Universitäten.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1662" next="#ID_1663"> Die milde Antwort, welche König Wilhelm der ritterschaftlichen Deputation<lb/>
aus Hannover ertheilte, war nicht nur für die Bevölkerung der einverleibten<lb/>
Landschaften gesprochen, sie war auch vor der öffentlichen Meinung Europas,<lb/>
der großen Jury, eine feierliche Darlegung der Gesinnung, in welcher die Preu¬<lb/>
ßische Regierung neues Gebiet an altpreußisches schließt. Den Junkertrotz der<lb/>
Niedersachsen vermochte die königliche Rede nicht zu beugen. Für diese Herren<lb/>
haben die Preußen noch eine andere Antwort bereit, und es wird gut sein,<lb/>
wenn sie dieselbe recht oft hören. Sie waren sämmtlich längst Preußen, ohne<lb/>
es zu wissen; sie waren längst untreue Hintersassen in dem großen deutschen<lb/>
Staat, wenn sie ihre Söhne in die östreichische Armee schickten, und sie waren<lb/>
längst gemeinschädliche Sonderbündler, wenn sie als Beamte und Hofdiener dem<lb/>
Hochmuth ihrer kleinen Fürsten schmeichelten und den Separatismus ihrer Welfen-<lb/>
und Kattenhäuptlinge beförderten. So weit die Junker von Hannover Theil<lb/>
haben an Unserer Bildung, an deutscher Eigenart und den Wohlthaten moderner<lb/>
Civilisiation, sind sie dafür in erster Linie Preußen zum Danke verpflichtet.<lb/>
Denn seit 181S hat nur die Existenz dieses Staats sie davor bewahrt, Fran¬<lb/>
zosen oder Kosaken zu werden. Möglich, daß manchem von ihnen diese Ver¬<lb/>
änderung kein übergroßes Herzeleid gewesen wäre. Wer aber unter ihnen in<lb/>
Wahrheit einen hannoverischen Stolz hat, der soll jetzt daran denken, daß dies<lb/>
patriotische Gefühl ihm längst abhanden gekommen wäre, wenn der militärische<lb/>
Schutz deutscher Sprache, deutscher Literatur und deutscher Bolksart von der<lb/>
Armee eines Kurfürsten von Mainz und Köln und von der Hausmacht der ge¬<lb/>
bietenden Herren vom weißen Roß und doppelschwänzigen Löwen abgehangen</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"> Vrmzbotm III. 186K. S6</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0473] Die Annexion und die Universitäten. Die milde Antwort, welche König Wilhelm der ritterschaftlichen Deputation aus Hannover ertheilte, war nicht nur für die Bevölkerung der einverleibten Landschaften gesprochen, sie war auch vor der öffentlichen Meinung Europas, der großen Jury, eine feierliche Darlegung der Gesinnung, in welcher die Preu¬ ßische Regierung neues Gebiet an altpreußisches schließt. Den Junkertrotz der Niedersachsen vermochte die königliche Rede nicht zu beugen. Für diese Herren haben die Preußen noch eine andere Antwort bereit, und es wird gut sein, wenn sie dieselbe recht oft hören. Sie waren sämmtlich längst Preußen, ohne es zu wissen; sie waren längst untreue Hintersassen in dem großen deutschen Staat, wenn sie ihre Söhne in die östreichische Armee schickten, und sie waren längst gemeinschädliche Sonderbündler, wenn sie als Beamte und Hofdiener dem Hochmuth ihrer kleinen Fürsten schmeichelten und den Separatismus ihrer Welfen- und Kattenhäuptlinge beförderten. So weit die Junker von Hannover Theil haben an Unserer Bildung, an deutscher Eigenart und den Wohlthaten moderner Civilisiation, sind sie dafür in erster Linie Preußen zum Danke verpflichtet. Denn seit 181S hat nur die Existenz dieses Staats sie davor bewahrt, Fran¬ zosen oder Kosaken zu werden. Möglich, daß manchem von ihnen diese Ver¬ änderung kein übergroßes Herzeleid gewesen wäre. Wer aber unter ihnen in Wahrheit einen hannoverischen Stolz hat, der soll jetzt daran denken, daß dies patriotische Gefühl ihm längst abhanden gekommen wäre, wenn der militärische Schutz deutscher Sprache, deutscher Literatur und deutscher Bolksart von der Armee eines Kurfürsten von Mainz und Köln und von der Hausmacht der ge¬ bietenden Herren vom weißen Roß und doppelschwänzigen Löwen abgehangen Vrmzbotm III. 186K. S6

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/473
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/473>, abgerufen am 22.07.2024.