Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nen Willen aufzuzwinoen. Darin würde auch die strengste Verfassung, wenn
sie nicht die Bundesgewalt dahin legte, wo die Macht ist, nichts ändern.

Wie weit neben dieser Einheit in den europäischen Beziehungen Deutsch¬
lands die Souveränetät der einzelnen Staaten fortzudauern berechtigt ist, das ist
eine Frage, über die Wünsche und Rechtsanschauungen nicht entscheiden. Im All¬
gemeinen läßt sich behaupten, daß ein die Bürgschaft der Dauer bietender Bund
ein vorhergehendes bundesfreundliches Verhältniß der Paciscirenden voraussetzt.
Vor acht Wochen halten es die deutschen Mittelstaaten in der Gewalt, an der
Gründung eines Bundesstaates mitzuwirken, der ihnen ihre politische Selb¬
ständigkeit in sehr weitem Umfange verbürgte. Ob dies jetzt nach den großen
Ereignissen der letzten Wochen der Fall ist, ist eine Frage, die sich nicht gelegent¬
lich abhandeln läßt, und die wir für eine besondere Untersuchung versparen
müssen. So viel ist jedenfalls unbestreitbar, daß die Gegenstcllung der Mittel¬
staaten gegen Preußen die Zukunft des B un d essta ales, wie ihn Gervinus
sich denkt, schwer compromittirt hat, womit denn auch thatsächlich das Urtheil
über Gervinus Parteistellung in der neuesten Phase der deutschen Angelegen¬
Z. heiten gesprochen ist.




Ein Abenteuer in Bayern.

Wenn der selige Shakespeare noch lebte und sich daran machte, den Her¬
gang unsrer deutschen Jüngstvergangenheit in einer dramatischen Historie zu
erzählen, er würde bei der Betrachtung der bayrischen Episoden in eine zwie¬
spältige Stimmung gerathen.

Was die bajuvarische Armada geleistet hat, böte ihm freilich willkommenen
Stoff zu den Humoresken, mit denen er seine Heidenbilder schalkhaft zu um"
rahmen liebt; aber er würde seine Phantasie durch die Fülle zunftgerecht durch¬
gebildeter Wirklichkeiten doch beengt fühlen, und wir dürfen es preisen, daß
er sich längst in den Olymp zurückgezogen hat; denn lebte er in unsern Tage",
welche die Eifersucht auf geistiges Eigenthum codificirten. wer stünde dafür, daß
er nicht gegen mehr als ein hohes Haupt der Reichsarmee den Proceß wegen
Plagiats an seinem Falstaff anstrengte?


nen Willen aufzuzwinoen. Darin würde auch die strengste Verfassung, wenn
sie nicht die Bundesgewalt dahin legte, wo die Macht ist, nichts ändern.

Wie weit neben dieser Einheit in den europäischen Beziehungen Deutsch¬
lands die Souveränetät der einzelnen Staaten fortzudauern berechtigt ist, das ist
eine Frage, über die Wünsche und Rechtsanschauungen nicht entscheiden. Im All¬
gemeinen läßt sich behaupten, daß ein die Bürgschaft der Dauer bietender Bund
ein vorhergehendes bundesfreundliches Verhältniß der Paciscirenden voraussetzt.
Vor acht Wochen halten es die deutschen Mittelstaaten in der Gewalt, an der
Gründung eines Bundesstaates mitzuwirken, der ihnen ihre politische Selb¬
ständigkeit in sehr weitem Umfange verbürgte. Ob dies jetzt nach den großen
Ereignissen der letzten Wochen der Fall ist, ist eine Frage, die sich nicht gelegent¬
lich abhandeln läßt, und die wir für eine besondere Untersuchung versparen
müssen. So viel ist jedenfalls unbestreitbar, daß die Gegenstcllung der Mittel¬
staaten gegen Preußen die Zukunft des B un d essta ales, wie ihn Gervinus
sich denkt, schwer compromittirt hat, womit denn auch thatsächlich das Urtheil
über Gervinus Parteistellung in der neuesten Phase der deutschen Angelegen¬
Z. heiten gesprochen ist.




Ein Abenteuer in Bayern.

Wenn der selige Shakespeare noch lebte und sich daran machte, den Her¬
gang unsrer deutschen Jüngstvergangenheit in einer dramatischen Historie zu
erzählen, er würde bei der Betrachtung der bayrischen Episoden in eine zwie¬
spältige Stimmung gerathen.

Was die bajuvarische Armada geleistet hat, böte ihm freilich willkommenen
Stoff zu den Humoresken, mit denen er seine Heidenbilder schalkhaft zu um«
rahmen liebt; aber er würde seine Phantasie durch die Fülle zunftgerecht durch¬
gebildeter Wirklichkeiten doch beengt fühlen, und wir dürfen es preisen, daß
er sich längst in den Olymp zurückgezogen hat; denn lebte er in unsern Tage»,
welche die Eifersucht auf geistiges Eigenthum codificirten. wer stünde dafür, daß
er nicht gegen mehr als ein hohes Haupt der Reichsarmee den Proceß wegen
Plagiats an seinem Falstaff anstrengte?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285904"/>
          <p xml:id="ID_951" prev="#ID_950"> nen Willen aufzuzwinoen. Darin würde auch die strengste Verfassung, wenn<lb/>
sie nicht die Bundesgewalt dahin legte, wo die Macht ist, nichts ändern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_952"> Wie weit neben dieser Einheit in den europäischen Beziehungen Deutsch¬<lb/>
lands die Souveränetät der einzelnen Staaten fortzudauern berechtigt ist, das ist<lb/>
eine Frage, über die Wünsche und Rechtsanschauungen nicht entscheiden. Im All¬<lb/>
gemeinen läßt sich behaupten, daß ein die Bürgschaft der Dauer bietender Bund<lb/>
ein vorhergehendes bundesfreundliches Verhältniß der Paciscirenden voraussetzt.<lb/>
Vor acht Wochen halten es die deutschen Mittelstaaten in der Gewalt, an der<lb/>
Gründung eines Bundesstaates mitzuwirken, der ihnen ihre politische Selb¬<lb/>
ständigkeit in sehr weitem Umfange verbürgte. Ob dies jetzt nach den großen<lb/>
Ereignissen der letzten Wochen der Fall ist, ist eine Frage, die sich nicht gelegent¬<lb/>
lich abhandeln läßt, und die wir für eine besondere Untersuchung versparen<lb/>
müssen. So viel ist jedenfalls unbestreitbar, daß die Gegenstcllung der Mittel¬<lb/>
staaten gegen Preußen die Zukunft des B un d essta ales, wie ihn Gervinus<lb/>
sich denkt, schwer compromittirt hat, womit denn auch thatsächlich das Urtheil<lb/>
über Gervinus Parteistellung in der neuesten Phase der deutschen Angelegen¬<lb/><note type="byline"> Z.</note> heiten gesprochen ist. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ein Abenteuer in Bayern.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_953"> Wenn der selige Shakespeare noch lebte und sich daran machte, den Her¬<lb/>
gang unsrer deutschen Jüngstvergangenheit in einer dramatischen Historie zu<lb/>
erzählen, er würde bei der Betrachtung der bayrischen Episoden in eine zwie¬<lb/>
spältige Stimmung gerathen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_954"> Was die bajuvarische Armada geleistet hat, böte ihm freilich willkommenen<lb/>
Stoff zu den Humoresken, mit denen er seine Heidenbilder schalkhaft zu um«<lb/>
rahmen liebt; aber er würde seine Phantasie durch die Fülle zunftgerecht durch¬<lb/>
gebildeter Wirklichkeiten doch beengt fühlen, und wir dürfen es preisen, daß<lb/>
er sich längst in den Olymp zurückgezogen hat; denn lebte er in unsern Tage»,<lb/>
welche die Eifersucht auf geistiges Eigenthum codificirten. wer stünde dafür, daß<lb/>
er nicht gegen mehr als ein hohes Haupt der Reichsarmee den Proceß wegen<lb/>
Plagiats an seinem Falstaff anstrengte?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0316] nen Willen aufzuzwinoen. Darin würde auch die strengste Verfassung, wenn sie nicht die Bundesgewalt dahin legte, wo die Macht ist, nichts ändern. Wie weit neben dieser Einheit in den europäischen Beziehungen Deutsch¬ lands die Souveränetät der einzelnen Staaten fortzudauern berechtigt ist, das ist eine Frage, über die Wünsche und Rechtsanschauungen nicht entscheiden. Im All¬ gemeinen läßt sich behaupten, daß ein die Bürgschaft der Dauer bietender Bund ein vorhergehendes bundesfreundliches Verhältniß der Paciscirenden voraussetzt. Vor acht Wochen halten es die deutschen Mittelstaaten in der Gewalt, an der Gründung eines Bundesstaates mitzuwirken, der ihnen ihre politische Selb¬ ständigkeit in sehr weitem Umfange verbürgte. Ob dies jetzt nach den großen Ereignissen der letzten Wochen der Fall ist, ist eine Frage, die sich nicht gelegent¬ lich abhandeln läßt, und die wir für eine besondere Untersuchung versparen müssen. So viel ist jedenfalls unbestreitbar, daß die Gegenstcllung der Mittel¬ staaten gegen Preußen die Zukunft des B un d essta ales, wie ihn Gervinus sich denkt, schwer compromittirt hat, womit denn auch thatsächlich das Urtheil über Gervinus Parteistellung in der neuesten Phase der deutschen Angelegen¬ Z. heiten gesprochen ist. Ein Abenteuer in Bayern. Wenn der selige Shakespeare noch lebte und sich daran machte, den Her¬ gang unsrer deutschen Jüngstvergangenheit in einer dramatischen Historie zu erzählen, er würde bei der Betrachtung der bayrischen Episoden in eine zwie¬ spältige Stimmung gerathen. Was die bajuvarische Armada geleistet hat, böte ihm freilich willkommenen Stoff zu den Humoresken, mit denen er seine Heidenbilder schalkhaft zu um« rahmen liebt; aber er würde seine Phantasie durch die Fülle zunftgerecht durch¬ gebildeter Wirklichkeiten doch beengt fühlen, und wir dürfen es preisen, daß er sich längst in den Olymp zurückgezogen hat; denn lebte er in unsern Tage», welche die Eifersucht auf geistiges Eigenthum codificirten. wer stünde dafür, daß er nicht gegen mehr als ein hohes Haupt der Reichsarmee den Proceß wegen Plagiats an seinem Falstaff anstrengte?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/316
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/316>, abgerufen am 22.07.2024.