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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Korrespondenz aus Schleswig-Holstein.

Der Krieg, der kommen sollte, ist ausgebrochen und hat bis jetzt
einen Verlauf genommen, daß man vor dem Neide der Götter bange wer¬
den möchte. Eine merkwürdige Verkettung von Ursachen hat es bewirkt, daß
unser Ländchen bei den Streitigkeiten, welche den Ausbruch schon jetzt ver-
anlaßten, eine solche Rolle gespielt hat. daß noch heute Tausende glauben, der
Krieg drehe sich um die Schleswig-holsteinische Frage. Theils aus diesem
Grunde, theils wegen der Wichtigkeit der Ereignisse, welche vor nicht langer
Zeit aller Augen auf Schleswig-Holstein zogen, mag es gestattet sein, die Leser
dieser Blätter einen Augenblick von dem Stillleben zu unterhalten, das wir
inmitten des allgemeinen Umsturzes führen.

Seit dem Abschluß des gasteiner Vertrages hatte die preußische Regierung
ernstliche Bemühungen gemacht, wenigstens in Schleswig eine bessere Stimmung
hervorzurufen. Die Wahl des Generals von Manteuffel zum Gouverneur war
-- lassen Sie sich das im Gegensatz zu dem im übrigen Deutschland gewöhn¬
lichen Urtheil gesagt sein -- keine unzweckmäßige. Das ganze Auftreten die¬
ses Mannes, der nichts von bureaukratischer Steifheit hat, sich unmittelbar an
die Leute selbst wandte und sorgsam isle unschädlichen Liebhabereien und Vor¬
urtheile schonte, hat die Stimmung nicht unwesentlich gebessert. Die Reden des
Generals, welche sich gelesen seltsam ausnehmen, sollen in ihrer unmittelbaren
Wirkung nicht fruchtlos gewesen sein. Aber diese günstige Einwirkung konnte
doch verhältnißmäßig nur geringes helfen gegenüber der Masse widerstreben¬
der Einflüsse. Was des Herrn v. Zedlitz Bestrebungen in Jahren verdorben
hatten, war nicht in Monaten wieder gut zu machen. Anfangs hoffte man,
daß Manteuffel aus die Entfernung dieses Herrn dringen würde; man wußte,
daß derselbe durch die, wenigstens theilweise, Vereitelung seiner Absicht, die
servilsten Werkzeuge der dänischen Regierung in die wichtigsten Verwaltungs¬
ämter zu bringen, schwer gekränkt und daß sein Verhältniß zum General kein
gutes war; leider konnte man sich aber in Berlin nicht dazu entschließen, den
Regierungspräsidenten abzurufen, und noch immer regiert derselbe in Schleswig.
Einzelne Mißgriffe der Regierung, zu denen wir übrigens die f. g. Zucht¬
hausverordnungen nicht rechnen, kamen hinzu, und dann hatte man in der
durch die verschiedenartige Agitation noch bestärkte, größtenteils auf dem
Provinzialstolz und der unendlichen vis mertias beruhenden Antipathie der
Massen ein Hinderniß, das auch durch die besten Regierungsmaßregeln in


Korrespondenz aus Schleswig-Holstein.

Der Krieg, der kommen sollte, ist ausgebrochen und hat bis jetzt
einen Verlauf genommen, daß man vor dem Neide der Götter bange wer¬
den möchte. Eine merkwürdige Verkettung von Ursachen hat es bewirkt, daß
unser Ländchen bei den Streitigkeiten, welche den Ausbruch schon jetzt ver-
anlaßten, eine solche Rolle gespielt hat. daß noch heute Tausende glauben, der
Krieg drehe sich um die Schleswig-holsteinische Frage. Theils aus diesem
Grunde, theils wegen der Wichtigkeit der Ereignisse, welche vor nicht langer
Zeit aller Augen auf Schleswig-Holstein zogen, mag es gestattet sein, die Leser
dieser Blätter einen Augenblick von dem Stillleben zu unterhalten, das wir
inmitten des allgemeinen Umsturzes führen.

Seit dem Abschluß des gasteiner Vertrages hatte die preußische Regierung
ernstliche Bemühungen gemacht, wenigstens in Schleswig eine bessere Stimmung
hervorzurufen. Die Wahl des Generals von Manteuffel zum Gouverneur war
— lassen Sie sich das im Gegensatz zu dem im übrigen Deutschland gewöhn¬
lichen Urtheil gesagt sein — keine unzweckmäßige. Das ganze Auftreten die¬
ses Mannes, der nichts von bureaukratischer Steifheit hat, sich unmittelbar an
die Leute selbst wandte und sorgsam isle unschädlichen Liebhabereien und Vor¬
urtheile schonte, hat die Stimmung nicht unwesentlich gebessert. Die Reden des
Generals, welche sich gelesen seltsam ausnehmen, sollen in ihrer unmittelbaren
Wirkung nicht fruchtlos gewesen sein. Aber diese günstige Einwirkung konnte
doch verhältnißmäßig nur geringes helfen gegenüber der Masse widerstreben¬
der Einflüsse. Was des Herrn v. Zedlitz Bestrebungen in Jahren verdorben
hatten, war nicht in Monaten wieder gut zu machen. Anfangs hoffte man,
daß Manteuffel aus die Entfernung dieses Herrn dringen würde; man wußte,
daß derselbe durch die, wenigstens theilweise, Vereitelung seiner Absicht, die
servilsten Werkzeuge der dänischen Regierung in die wichtigsten Verwaltungs¬
ämter zu bringen, schwer gekränkt und daß sein Verhältniß zum General kein
gutes war; leider konnte man sich aber in Berlin nicht dazu entschließen, den
Regierungspräsidenten abzurufen, und noch immer regiert derselbe in Schleswig.
Einzelne Mißgriffe der Regierung, zu denen wir übrigens die f. g. Zucht¬
hausverordnungen nicht rechnen, kamen hinzu, und dann hatte man in der
durch die verschiedenartige Agitation noch bestärkte, größtenteils auf dem
Provinzialstolz und der unendlichen vis mertias beruhenden Antipathie der
Massen ein Hinderniß, das auch durch die besten Regierungsmaßregeln in


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[0206] Korrespondenz aus Schleswig-Holstein. Der Krieg, der kommen sollte, ist ausgebrochen und hat bis jetzt einen Verlauf genommen, daß man vor dem Neide der Götter bange wer¬ den möchte. Eine merkwürdige Verkettung von Ursachen hat es bewirkt, daß unser Ländchen bei den Streitigkeiten, welche den Ausbruch schon jetzt ver- anlaßten, eine solche Rolle gespielt hat. daß noch heute Tausende glauben, der Krieg drehe sich um die Schleswig-holsteinische Frage. Theils aus diesem Grunde, theils wegen der Wichtigkeit der Ereignisse, welche vor nicht langer Zeit aller Augen auf Schleswig-Holstein zogen, mag es gestattet sein, die Leser dieser Blätter einen Augenblick von dem Stillleben zu unterhalten, das wir inmitten des allgemeinen Umsturzes führen. Seit dem Abschluß des gasteiner Vertrages hatte die preußische Regierung ernstliche Bemühungen gemacht, wenigstens in Schleswig eine bessere Stimmung hervorzurufen. Die Wahl des Generals von Manteuffel zum Gouverneur war — lassen Sie sich das im Gegensatz zu dem im übrigen Deutschland gewöhn¬ lichen Urtheil gesagt sein — keine unzweckmäßige. Das ganze Auftreten die¬ ses Mannes, der nichts von bureaukratischer Steifheit hat, sich unmittelbar an die Leute selbst wandte und sorgsam isle unschädlichen Liebhabereien und Vor¬ urtheile schonte, hat die Stimmung nicht unwesentlich gebessert. Die Reden des Generals, welche sich gelesen seltsam ausnehmen, sollen in ihrer unmittelbaren Wirkung nicht fruchtlos gewesen sein. Aber diese günstige Einwirkung konnte doch verhältnißmäßig nur geringes helfen gegenüber der Masse widerstreben¬ der Einflüsse. Was des Herrn v. Zedlitz Bestrebungen in Jahren verdorben hatten, war nicht in Monaten wieder gut zu machen. Anfangs hoffte man, daß Manteuffel aus die Entfernung dieses Herrn dringen würde; man wußte, daß derselbe durch die, wenigstens theilweise, Vereitelung seiner Absicht, die servilsten Werkzeuge der dänischen Regierung in die wichtigsten Verwaltungs¬ ämter zu bringen, schwer gekränkt und daß sein Verhältniß zum General kein gutes war; leider konnte man sich aber in Berlin nicht dazu entschließen, den Regierungspräsidenten abzurufen, und noch immer regiert derselbe in Schleswig. Einzelne Mißgriffe der Regierung, zu denen wir übrigens die f. g. Zucht¬ hausverordnungen nicht rechnen, kamen hinzu, und dann hatte man in der durch die verschiedenartige Agitation noch bestärkte, größtenteils auf dem Provinzialstolz und der unendlichen vis mertias beruhenden Antipathie der Massen ein Hinderniß, das auch durch die besten Regierungsmaßregeln in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/206>, abgerufen am 03.07.2024.