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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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und daß die trüben Elemente, welche zu einer Trennung Süddeutschlands vom
Norden mehr oder minder freudig die hilfreiche Hand bieten würden, noch immer
i n bedauerlicher Stärke vorhanden sind.




Eine Mahnung von der bayrischen Grenze.

Dem wunderbaren Feldzug, der in wenig Tagen die Macht Oestreichs in
ihren Grundvesten erschüttert hat. schauten wir athemlos zu. und die Situation
wechselte so rapid, daß jede Betrachtung weit hinter den Ereignissen zurück¬
bleiben mußte. Der letzte Habsburgische Schachzug aber hat ebenso gewaltig,
als die Erfolge der Heere, die deutschen Staaten erschüttert, ihre Stellung zur
deutschen Frage verändert.

Oestreich hatte Venetien an Frankreich abgetreten, um den Rest seiner
Kraft im Norden verwenden zu können, das preußisch-italienische Bündniß zu
sprengen und Frankreich wo möglich in eine ihm günstige Action zu ziehen.
Der Elfolg wird nach unsrer Meinung den Wünschen wenig entsprechen, doch
richtet sich angesichts dieser Ereignisse unser Interesse vorerst auf einen andern
Punkt.

Darauf nämlich, ob Verstand und Scham bei ehrlichen Liberalen
Bayerns so völlig im Haß gegen Preußen untergegangen sind, daß über
das widerwärtige Spiel der Hofburg nur einzelne Worte des Zorns laut werden.
Daß die Beusts und Dalwigks zu dein venetianischen Geschäft vergnügte Ge.
siebter machen, ist selbstverständlich; aber wer. der sich freier Gesinnung rühmt,
konnte anders als mit Widerwillen diesem Gebahren zuschauen. Wir schweigen
von der nationalen Seite der Sache: wir wenigstens haben uns von Oestreichs
"deutschem Beruf" stets dessen versehen und sind nicht überrascht, wenn es aufs
neue sucht, daS Ausland in unsere Kämpfe hineinzuzerren; die erregten Ge¬
müther in Süddeutschland aber sind unkritisch genug, daß sie meinen werden,
Bismarck habe durch Abschluß der italienischen Allianz gleichen Fehis sich schuldig
gemacht, oder sie äußern wohl gar, Oestreich habe nur gethan, waS Bismarck
gethan hätte. Mit dergleichen Begriffsverwirrungen zu rechten liegt uns
fern; wir wollen nicht bekehren, nicht fruchtlos zu überzeugen versuchen, -- von
all diesen Streitpunkten absehend richten wir an freigesinnte Männer die eine


und daß die trüben Elemente, welche zu einer Trennung Süddeutschlands vom
Norden mehr oder minder freudig die hilfreiche Hand bieten würden, noch immer
i n bedauerlicher Stärke vorhanden sind.




Eine Mahnung von der bayrischen Grenze.

Dem wunderbaren Feldzug, der in wenig Tagen die Macht Oestreichs in
ihren Grundvesten erschüttert hat. schauten wir athemlos zu. und die Situation
wechselte so rapid, daß jede Betrachtung weit hinter den Ereignissen zurück¬
bleiben mußte. Der letzte Habsburgische Schachzug aber hat ebenso gewaltig,
als die Erfolge der Heere, die deutschen Staaten erschüttert, ihre Stellung zur
deutschen Frage verändert.

Oestreich hatte Venetien an Frankreich abgetreten, um den Rest seiner
Kraft im Norden verwenden zu können, das preußisch-italienische Bündniß zu
sprengen und Frankreich wo möglich in eine ihm günstige Action zu ziehen.
Der Elfolg wird nach unsrer Meinung den Wünschen wenig entsprechen, doch
richtet sich angesichts dieser Ereignisse unser Interesse vorerst auf einen andern
Punkt.

Darauf nämlich, ob Verstand und Scham bei ehrlichen Liberalen
Bayerns so völlig im Haß gegen Preußen untergegangen sind, daß über
das widerwärtige Spiel der Hofburg nur einzelne Worte des Zorns laut werden.
Daß die Beusts und Dalwigks zu dein venetianischen Geschäft vergnügte Ge.
siebter machen, ist selbstverständlich; aber wer. der sich freier Gesinnung rühmt,
konnte anders als mit Widerwillen diesem Gebahren zuschauen. Wir schweigen
von der nationalen Seite der Sache: wir wenigstens haben uns von Oestreichs
„deutschem Beruf" stets dessen versehen und sind nicht überrascht, wenn es aufs
neue sucht, daS Ausland in unsere Kämpfe hineinzuzerren; die erregten Ge¬
müther in Süddeutschland aber sind unkritisch genug, daß sie meinen werden,
Bismarck habe durch Abschluß der italienischen Allianz gleichen Fehis sich schuldig
gemacht, oder sie äußern wohl gar, Oestreich habe nur gethan, waS Bismarck
gethan hätte. Mit dergleichen Begriffsverwirrungen zu rechten liegt uns
fern; wir wollen nicht bekehren, nicht fruchtlos zu überzeugen versuchen, — von
all diesen Streitpunkten absehend richten wir an freigesinnte Männer die eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/173>, abgerufen am 22.07.2024.