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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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gehen, so würde die Mehrzahl der Abyssinier sich aller Wahrscheinlichkeit nach
für Mechecha erklären. Er ist ein sanfter und verständiger Prinz, ob er aber
die feste Hand besitzt, die nothwendig ist, um das turbulente Blut der Amhara
in den Schranken zu halten, ist eine andere Frage. Sein Vater weiß, wie
schwer es ist, ein solches Volk mit Milde zu regieren. Noch in den letzten fünf
Jahren hatte er mit allerlei Comploten, Verschwörungen und Aufständen, wenn
auch mit keinem auch nur annähernd so großen und gefährlichen wie früher, zu
kämpfen, und zu Anfang 1863, wo solche Bewegungen besonders häufig vor¬
kamen, sagte er zu seiner Umgebung:

"Gott, der mich aus dem Staub erhoben, um die unrechtmäßigen Fürsten
dieses Landes zu stürzen, hat diese Wunder nicht ohne einen Grund zu haben
bewirkt. Ich habe eine Sendung. Aber welcher Art ist sie? Anfangs meinte
ich, daß ich dieses Volk durch sanftes Regiment, durch Frieden und Förderung
sicheren Handels zu heben bestimmt sei. Aber trotz aller meiner Güte ist es so
schlimm geblieben, als ob es unter der grausamsten Tyrannei seufzte. Jetzt
kenne ich meine Aufgabe besser: die Geißel, der Zorn Gottes soll ich diesem
Lande sein."

Und in der That ließ er sich in dieser Zeit ein Siegel machen, auf dem
er sich "Theodoros, die Geißel der Rebellen" nannte.




Hannover und Kurhessen.

Drei Tage nach dem schicksalwendenden Bundesbeschluß, am 17. Zuni.
fand eine Versammlung bremischer, hannoverscher und oldenburgischer Vater¬
landsfreunde in Bremen statt. Man hatte auf die Anwesenheit der Führer der
liberalen Partei Hannovers gerechnet; aber die Flucht des Königs und der
Truppen nach Göttingen, die am Tage vorher, der Einmarsch der Preußen, der
am nämlichen Tage erfolgte, hielt die Hannoveraner aus den mittleren und
südlichen Landestheilen zurück. Es konnte daher nur angeregt, nicht förmlich
um Beschluß erhoben werden, daß es rathsam erscheine, zur Wahrung der
Rechte und Interessen der Bevölkerung in den kommenden Zeiten einen nicht
mit rechtlicher, aber mit moralischer Competenz ausgestatteten Landesausschuß
zu bilden. Die Anregung wurde an R. v. Bennigsen, als anerkannten Führer


gehen, so würde die Mehrzahl der Abyssinier sich aller Wahrscheinlichkeit nach
für Mechecha erklären. Er ist ein sanfter und verständiger Prinz, ob er aber
die feste Hand besitzt, die nothwendig ist, um das turbulente Blut der Amhara
in den Schranken zu halten, ist eine andere Frage. Sein Vater weiß, wie
schwer es ist, ein solches Volk mit Milde zu regieren. Noch in den letzten fünf
Jahren hatte er mit allerlei Comploten, Verschwörungen und Aufständen, wenn
auch mit keinem auch nur annähernd so großen und gefährlichen wie früher, zu
kämpfen, und zu Anfang 1863, wo solche Bewegungen besonders häufig vor¬
kamen, sagte er zu seiner Umgebung:

„Gott, der mich aus dem Staub erhoben, um die unrechtmäßigen Fürsten
dieses Landes zu stürzen, hat diese Wunder nicht ohne einen Grund zu haben
bewirkt. Ich habe eine Sendung. Aber welcher Art ist sie? Anfangs meinte
ich, daß ich dieses Volk durch sanftes Regiment, durch Frieden und Förderung
sicheren Handels zu heben bestimmt sei. Aber trotz aller meiner Güte ist es so
schlimm geblieben, als ob es unter der grausamsten Tyrannei seufzte. Jetzt
kenne ich meine Aufgabe besser: die Geißel, der Zorn Gottes soll ich diesem
Lande sein."

Und in der That ließ er sich in dieser Zeit ein Siegel machen, auf dem
er sich „Theodoros, die Geißel der Rebellen" nannte.




Hannover und Kurhessen.

Drei Tage nach dem schicksalwendenden Bundesbeschluß, am 17. Zuni.
fand eine Versammlung bremischer, hannoverscher und oldenburgischer Vater¬
landsfreunde in Bremen statt. Man hatte auf die Anwesenheit der Führer der
liberalen Partei Hannovers gerechnet; aber die Flucht des Königs und der
Truppen nach Göttingen, die am Tage vorher, der Einmarsch der Preußen, der
am nämlichen Tage erfolgte, hielt die Hannoveraner aus den mittleren und
südlichen Landestheilen zurück. Es konnte daher nur angeregt, nicht förmlich
um Beschluß erhoben werden, daß es rathsam erscheine, zur Wahrung der
Rechte und Interessen der Bevölkerung in den kommenden Zeiten einen nicht
mit rechtlicher, aber mit moralischer Competenz ausgestatteten Landesausschuß
zu bilden. Die Anregung wurde an R. v. Bennigsen, als anerkannten Führer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/160>, abgerufen am 03.07.2024.