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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Ans der Geschichte der deutschen Hochschulen.
Moritz Busch. Von
2. Die neue Zeit im Aufgang.

Die Macht, welche die deutschen Universitäten in ihrer Lehre und in vielen
Beziehungen ihres Lebens umgestaltete, war das Ergebnis! der Verbindung von
zwei Kräften. Einerseits war sie das Resultat des Wiedererwachens der
classischen Studien, welches in Italien bereits zu Petrarcas und Boccaccios
Zeit, also um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, begann, in der ersten
Hälfte des fünfzehnten sich schon über weite Kreise südlich von den Alpen er¬
streckte und in der zweiten hier alle, die aus höhere Bildung Anspruch erhoben,
die Welt mit neuen Augen ansehen und mit neuen Zungen neue Gedanken
aussprechen ließ. Andrerseits war diese Macht ein Kind des deutschen Ge¬
müths und Gewissens, welches die ihm aus den Quellen des classischen
Alterthums zuströmende Nahrung in wesentlich andrer Weise verarbeitete als
das Volksthum Italiens. War es hier mehr die Schönheit der alten Welt,
welche die Seelen begeisterte, so war es in Deutschland vorzüglich die Wahr¬
heit dieser Welt, welche anzog, und trat, wer in Italien in den Bund der
Humanisten Aufnahme suchte, damit factisch aus der christlichen Kirche aus, so
blieben die Humanisten diesseits der Alpen in der Kirche und arbeiteten nur
der Bewegung vor, die sie reformirte.

Nicht erst seit der Eroberung Konstaniinovels durch die Türken, sondern
schon drei Menschenalter vorher hatten griechische- Calabreser und Byzantiner wie
Lcontius PUatus. bei dem Boccaccio den Homer lesen lernte, wie Petrarcas
Lehrer, der Mönch Barlaam, und wie Demetrius von Thessalonich einzelne
italienische Gelehrte mit den im Abendlande damals fast ganz vergessenen
Schätzen altgriechischer Literatur einigermaßen bekannt gemacht, während schon
etwas früher auch das Studium der classischen Lateiner und die Fertigkeit, in
deren Sprache zu reden und zu schreiben, in Italien wieder ausgelebt war.
1397 wurde in Florenz von der Regierung an der dortigen Universität ein eigner


Grenjdotcn I. 61
Ans der Geschichte der deutschen Hochschulen.
Moritz Busch. Von
2. Die neue Zeit im Aufgang.

Die Macht, welche die deutschen Universitäten in ihrer Lehre und in vielen
Beziehungen ihres Lebens umgestaltete, war das Ergebnis! der Verbindung von
zwei Kräften. Einerseits war sie das Resultat des Wiedererwachens der
classischen Studien, welches in Italien bereits zu Petrarcas und Boccaccios
Zeit, also um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, begann, in der ersten
Hälfte des fünfzehnten sich schon über weite Kreise südlich von den Alpen er¬
streckte und in der zweiten hier alle, die aus höhere Bildung Anspruch erhoben,
die Welt mit neuen Augen ansehen und mit neuen Zungen neue Gedanken
aussprechen ließ. Andrerseits war diese Macht ein Kind des deutschen Ge¬
müths und Gewissens, welches die ihm aus den Quellen des classischen
Alterthums zuströmende Nahrung in wesentlich andrer Weise verarbeitete als
das Volksthum Italiens. War es hier mehr die Schönheit der alten Welt,
welche die Seelen begeisterte, so war es in Deutschland vorzüglich die Wahr¬
heit dieser Welt, welche anzog, und trat, wer in Italien in den Bund der
Humanisten Aufnahme suchte, damit factisch aus der christlichen Kirche aus, so
blieben die Humanisten diesseits der Alpen in der Kirche und arbeiteten nur
der Bewegung vor, die sie reformirte.

Nicht erst seit der Eroberung Konstaniinovels durch die Türken, sondern
schon drei Menschenalter vorher hatten griechische- Calabreser und Byzantiner wie
Lcontius PUatus. bei dem Boccaccio den Homer lesen lernte, wie Petrarcas
Lehrer, der Mönch Barlaam, und wie Demetrius von Thessalonich einzelne
italienische Gelehrte mit den im Abendlande damals fast ganz vergessenen
Schätzen altgriechischer Literatur einigermaßen bekannt gemacht, während schon
etwas früher auch das Studium der classischen Lateiner und die Fertigkeit, in
deren Sprache zu reden und zu schreiben, in Italien wieder ausgelebt war.
1397 wurde in Florenz von der Regierung an der dortigen Universität ein eigner


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[0511] Ans der Geschichte der deutschen Hochschulen. Moritz Busch. Von 2. Die neue Zeit im Aufgang. Die Macht, welche die deutschen Universitäten in ihrer Lehre und in vielen Beziehungen ihres Lebens umgestaltete, war das Ergebnis! der Verbindung von zwei Kräften. Einerseits war sie das Resultat des Wiedererwachens der classischen Studien, welches in Italien bereits zu Petrarcas und Boccaccios Zeit, also um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, begann, in der ersten Hälfte des fünfzehnten sich schon über weite Kreise südlich von den Alpen er¬ streckte und in der zweiten hier alle, die aus höhere Bildung Anspruch erhoben, die Welt mit neuen Augen ansehen und mit neuen Zungen neue Gedanken aussprechen ließ. Andrerseits war diese Macht ein Kind des deutschen Ge¬ müths und Gewissens, welches die ihm aus den Quellen des classischen Alterthums zuströmende Nahrung in wesentlich andrer Weise verarbeitete als das Volksthum Italiens. War es hier mehr die Schönheit der alten Welt, welche die Seelen begeisterte, so war es in Deutschland vorzüglich die Wahr¬ heit dieser Welt, welche anzog, und trat, wer in Italien in den Bund der Humanisten Aufnahme suchte, damit factisch aus der christlichen Kirche aus, so blieben die Humanisten diesseits der Alpen in der Kirche und arbeiteten nur der Bewegung vor, die sie reformirte. Nicht erst seit der Eroberung Konstaniinovels durch die Türken, sondern schon drei Menschenalter vorher hatten griechische- Calabreser und Byzantiner wie Lcontius PUatus. bei dem Boccaccio den Homer lesen lernte, wie Petrarcas Lehrer, der Mönch Barlaam, und wie Demetrius von Thessalonich einzelne italienische Gelehrte mit den im Abendlande damals fast ganz vergessenen Schätzen altgriechischer Literatur einigermaßen bekannt gemacht, während schon etwas früher auch das Studium der classischen Lateiner und die Fertigkeit, in deren Sprache zu reden und zu schreiben, in Italien wieder ausgelebt war. 1397 wurde in Florenz von der Regierung an der dortigen Universität ein eigner Grenjdotcn I. 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/511>, abgerufen am 21.12.2024.