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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Aus der Geschichte der deutschen Hochschulen.
Moritz Busch. Von
1. Die Universität des Mittelalters.

Im nächsten Quartal d. Bl. wird der Verfasser des Nachstehenden in einer
Reihe von Aufsätzen versuchen, den deutschen Studenten in den verschiedenen
Perioden seiner Geschichte zu charakterisiren. Das hier Folgende soll dazu als
Einleitung und Folie dienen, und wenn dabei Einiges in das Bereich der Be¬
trachtung gezogen wird, was auf den ersten Blick sich nicht auf diesen Zweck
zu beziehen scheint, so wird sich diese Berücksichtigung im weitern Verlauf recht¬
fertigen. Der eine und der andere Leser giebt aber auch vielleicht von vorn¬
herein zu, daß wir. um in Betreff von Stellung und Leben der Studirenden
in früheren Jahrhunderten klar sehen und richtig urtheilen zu können, zuvörderst
einer möglichst deutlichen Vorstellung von der Entwickelung der ältesten Hoch¬
schulen, von den Grundzügen der Verfassung derselben, von dem Wissen, welches
sie in den verschiedenen Epochen ihrer Existenz vertraten, und von der Me¬
thode bedürfen, die sie jeweilig in Disciplin und Unterricht befolgten.

Ueber alle diese Fragen sind wir jedoch nur für das letzte Jahrhundert
des Mittelalters ziemlich vollständig und nur für die noch spätere Zeit voll¬
kommen genügend unterrichtet. Was vor dem letzten Drittel des fünfzehnten
Säculums liegt, ist nur bei einigen Anstalten und auch hier nicht in allen
Punkten mit Sicherheit erkennbar. Die Anfänge der ältesten Universitäten
hüllen sich in eine Dämmerung, bei der fast nur die Umrisse der Gegenstände
ju sehen sind. Was wir bestimmt von ihnen wissen, beschränkt sich, kurz zu¬
sammengefaßt, auf Folgendes.

Die erste und geraume Zeit hindurch die alleinige Bewahrerin der Reste
von Bildung, welche aus dem allmäligen Zusammenbruch der classischen Welt
in die auf den Ruinen derselben aus neuem Samen erwachsenen Lebenskreise
hinübergerettet worden waren, war die Kirche, die mit diesem Besitz überhaupt
der Inbegriff fast aller höheren Interessen der abendländischen Menschheit, deren


GttNjbote" I. 1866. 66
Aus der Geschichte der deutschen Hochschulen.
Moritz Busch. Von
1. Die Universität des Mittelalters.

Im nächsten Quartal d. Bl. wird der Verfasser des Nachstehenden in einer
Reihe von Aufsätzen versuchen, den deutschen Studenten in den verschiedenen
Perioden seiner Geschichte zu charakterisiren. Das hier Folgende soll dazu als
Einleitung und Folie dienen, und wenn dabei Einiges in das Bereich der Be¬
trachtung gezogen wird, was auf den ersten Blick sich nicht auf diesen Zweck
zu beziehen scheint, so wird sich diese Berücksichtigung im weitern Verlauf recht¬
fertigen. Der eine und der andere Leser giebt aber auch vielleicht von vorn¬
herein zu, daß wir. um in Betreff von Stellung und Leben der Studirenden
in früheren Jahrhunderten klar sehen und richtig urtheilen zu können, zuvörderst
einer möglichst deutlichen Vorstellung von der Entwickelung der ältesten Hoch¬
schulen, von den Grundzügen der Verfassung derselben, von dem Wissen, welches
sie in den verschiedenen Epochen ihrer Existenz vertraten, und von der Me¬
thode bedürfen, die sie jeweilig in Disciplin und Unterricht befolgten.

Ueber alle diese Fragen sind wir jedoch nur für das letzte Jahrhundert
des Mittelalters ziemlich vollständig und nur für die noch spätere Zeit voll¬
kommen genügend unterrichtet. Was vor dem letzten Drittel des fünfzehnten
Säculums liegt, ist nur bei einigen Anstalten und auch hier nicht in allen
Punkten mit Sicherheit erkennbar. Die Anfänge der ältesten Universitäten
hüllen sich in eine Dämmerung, bei der fast nur die Umrisse der Gegenstände
ju sehen sind. Was wir bestimmt von ihnen wissen, beschränkt sich, kurz zu¬
sammengefaßt, auf Folgendes.

Die erste und geraume Zeit hindurch die alleinige Bewahrerin der Reste
von Bildung, welche aus dem allmäligen Zusammenbruch der classischen Welt
in die auf den Ruinen derselben aus neuem Samen erwachsenen Lebenskreise
hinübergerettet worden waren, war die Kirche, die mit diesem Besitz überhaupt
der Inbegriff fast aller höheren Interessen der abendländischen Menschheit, deren


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[0469] Aus der Geschichte der deutschen Hochschulen. Moritz Busch. Von 1. Die Universität des Mittelalters. Im nächsten Quartal d. Bl. wird der Verfasser des Nachstehenden in einer Reihe von Aufsätzen versuchen, den deutschen Studenten in den verschiedenen Perioden seiner Geschichte zu charakterisiren. Das hier Folgende soll dazu als Einleitung und Folie dienen, und wenn dabei Einiges in das Bereich der Be¬ trachtung gezogen wird, was auf den ersten Blick sich nicht auf diesen Zweck zu beziehen scheint, so wird sich diese Berücksichtigung im weitern Verlauf recht¬ fertigen. Der eine und der andere Leser giebt aber auch vielleicht von vorn¬ herein zu, daß wir. um in Betreff von Stellung und Leben der Studirenden in früheren Jahrhunderten klar sehen und richtig urtheilen zu können, zuvörderst einer möglichst deutlichen Vorstellung von der Entwickelung der ältesten Hoch¬ schulen, von den Grundzügen der Verfassung derselben, von dem Wissen, welches sie in den verschiedenen Epochen ihrer Existenz vertraten, und von der Me¬ thode bedürfen, die sie jeweilig in Disciplin und Unterricht befolgten. Ueber alle diese Fragen sind wir jedoch nur für das letzte Jahrhundert des Mittelalters ziemlich vollständig und nur für die noch spätere Zeit voll¬ kommen genügend unterrichtet. Was vor dem letzten Drittel des fünfzehnten Säculums liegt, ist nur bei einigen Anstalten und auch hier nicht in allen Punkten mit Sicherheit erkennbar. Die Anfänge der ältesten Universitäten hüllen sich in eine Dämmerung, bei der fast nur die Umrisse der Gegenstände ju sehen sind. Was wir bestimmt von ihnen wissen, beschränkt sich, kurz zu¬ sammengefaßt, auf Folgendes. Die erste und geraume Zeit hindurch die alleinige Bewahrerin der Reste von Bildung, welche aus dem allmäligen Zusammenbruch der classischen Welt in die auf den Ruinen derselben aus neuem Samen erwachsenen Lebenskreise hinübergerettet worden waren, war die Kirche, die mit diesem Besitz überhaupt der Inbegriff fast aller höheren Interessen der abendländischen Menschheit, deren GttNjbote» I. 1866. 66

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/469>, abgerufen am 30.12.2024.