Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Fürst und Künstler.

Noch immer unterhalten die Zeitungen das Publikum mit den Vorgängen,
welche in einer süddeutschen Residenz den viel besprochenen Vertreter moderner
musikalischer Richtung aus der Nähe eines jungen Königs verbannt haben.
Es ist nicht Beruf dieses Blattes, das Detail dieser Angelegenheit zu beurtheilen
und über Recht und Unrecht zu entscheiden, dazu fehlt uns nicht nur genaue
Kenntniß der Menschen, welche dabei thätig waren, sondern ebenso sehr die
Ueberzeugung, daß eine öffentliche Besprechung irgendwelchen Nutzen stiften
könne. Im Ganzen wird man auch hier das alte Leid erkennen, welches sich
an dergleichen Verhältnisse zwischen vornehmen Herrn, und ihren Vertrauten aus
der Kunstwelt zu hängen pflegt. Der Gönner giebt sich eine Zeit lang freudig
den erhebenden Eindrücken hin, welche die schöne Kunst auf die Seelen der
Menschen ausübt, er ist geneigt, das Schöne und Große, welches ihm die Kunst
gegeben, auch dem Künstler zuzutrauen und einen Theil seines eigenen Urtheils
in die Hand des Künstlers zu geben. Der Künstler aber, in neue Verhältnisse
versetzt, übermäßig erregt durch die glänzenden Farben, welche auf einmal sein
Leben erfüllen, breitet sich anspruchsvoll und herrschlustig aus. Er tritt in
Opposition gegen die Convenienzen des Hofes, gegen Sitte und Brauch seiner
neuen Umgebung, Mehrern wird er lästig, welche mit oder ohne Recht einen
Einfluß auf den Fürsten beanspruchen, Andere feindet er selbst an, endlich ver¬
einigen sich Viele zum Kampfe gegen ihn; er hat Blößen gegeben und er unter¬
liegt endlich, der Traum seiner Bedeutung zerrinnt, und beide, der Fürst und
er, haben eine Einbuße erfahren, denn mit Opfern bezahlen beide eine Ent¬
täuschung. Dergleichen ist schon lange vor Tasso stärkern Männern begegnet,
als Herr Wagner ist, und Fürsten, die eine längere Erfahrung hatten, als der
junge König von Bayern. Immer aber liegt etwas Trauriges in solchem Ver¬
fall, denn die freundliche Neigung eines mächtigen Fürsten zu einem wahren
Künstler kann für die Kunst selbst von Bedeutung werden und in dem mensch¬
lichen Verhältniß ist in der That ein Idealer Inhalt, welcher beiden, dem Fürsten
und dem Künstler, das Herz erhob.

Wir suchen die Lehre, welche durch das Unsichere einer solchen Verbindung
für beide Theile verkündet wird, es ist eine alte, längst bekannte Wahrheit.
Mißlich ist zuerst für den Fürsten, einen Künstler zu seinem Vertrauten zu wählen.
Dieser ist Souverän in einem vornehmen Gebiet des menschlichen Schaffens,
er ist gewöhnt, frei spielend in dem Kreise seiner Anschauungen zu walten, ist


Fürst und Künstler.

Noch immer unterhalten die Zeitungen das Publikum mit den Vorgängen,
welche in einer süddeutschen Residenz den viel besprochenen Vertreter moderner
musikalischer Richtung aus der Nähe eines jungen Königs verbannt haben.
Es ist nicht Beruf dieses Blattes, das Detail dieser Angelegenheit zu beurtheilen
und über Recht und Unrecht zu entscheiden, dazu fehlt uns nicht nur genaue
Kenntniß der Menschen, welche dabei thätig waren, sondern ebenso sehr die
Ueberzeugung, daß eine öffentliche Besprechung irgendwelchen Nutzen stiften
könne. Im Ganzen wird man auch hier das alte Leid erkennen, welches sich
an dergleichen Verhältnisse zwischen vornehmen Herrn, und ihren Vertrauten aus
der Kunstwelt zu hängen pflegt. Der Gönner giebt sich eine Zeit lang freudig
den erhebenden Eindrücken hin, welche die schöne Kunst auf die Seelen der
Menschen ausübt, er ist geneigt, das Schöne und Große, welches ihm die Kunst
gegeben, auch dem Künstler zuzutrauen und einen Theil seines eigenen Urtheils
in die Hand des Künstlers zu geben. Der Künstler aber, in neue Verhältnisse
versetzt, übermäßig erregt durch die glänzenden Farben, welche auf einmal sein
Leben erfüllen, breitet sich anspruchsvoll und herrschlustig aus. Er tritt in
Opposition gegen die Convenienzen des Hofes, gegen Sitte und Brauch seiner
neuen Umgebung, Mehrern wird er lästig, welche mit oder ohne Recht einen
Einfluß auf den Fürsten beanspruchen, Andere feindet er selbst an, endlich ver¬
einigen sich Viele zum Kampfe gegen ihn; er hat Blößen gegeben und er unter¬
liegt endlich, der Traum seiner Bedeutung zerrinnt, und beide, der Fürst und
er, haben eine Einbuße erfahren, denn mit Opfern bezahlen beide eine Ent¬
täuschung. Dergleichen ist schon lange vor Tasso stärkern Männern begegnet,
als Herr Wagner ist, und Fürsten, die eine längere Erfahrung hatten, als der
junge König von Bayern. Immer aber liegt etwas Trauriges in solchem Ver¬
fall, denn die freundliche Neigung eines mächtigen Fürsten zu einem wahren
Künstler kann für die Kunst selbst von Bedeutung werden und in dem mensch¬
lichen Verhältniß ist in der That ein Idealer Inhalt, welcher beiden, dem Fürsten
und dem Künstler, das Herz erhob.

Wir suchen die Lehre, welche durch das Unsichere einer solchen Verbindung
für beide Theile verkündet wird, es ist eine alte, längst bekannte Wahrheit.
Mißlich ist zuerst für den Fürsten, einen Künstler zu seinem Vertrauten zu wählen.
Dieser ist Souverän in einem vornehmen Gebiet des menschlichen Schaffens,
er ist gewöhnt, frei spielend in dem Kreise seiner Anschauungen zu walten, ist


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284510"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Fürst und Künstler.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_88"> Noch immer unterhalten die Zeitungen das Publikum mit den Vorgängen,<lb/>
welche in einer süddeutschen Residenz den viel besprochenen Vertreter moderner<lb/>
musikalischer Richtung aus der Nähe eines jungen Königs verbannt haben.<lb/>
Es ist nicht Beruf dieses Blattes, das Detail dieser Angelegenheit zu beurtheilen<lb/>
und über Recht und Unrecht zu entscheiden, dazu fehlt uns nicht nur genaue<lb/>
Kenntniß der Menschen, welche dabei thätig waren, sondern ebenso sehr die<lb/>
Ueberzeugung, daß eine öffentliche Besprechung irgendwelchen Nutzen stiften<lb/>
könne. Im Ganzen wird man auch hier das alte Leid erkennen, welches sich<lb/>
an dergleichen Verhältnisse zwischen vornehmen Herrn, und ihren Vertrauten aus<lb/>
der Kunstwelt zu hängen pflegt. Der Gönner giebt sich eine Zeit lang freudig<lb/>
den erhebenden Eindrücken hin, welche die schöne Kunst auf die Seelen der<lb/>
Menschen ausübt, er ist geneigt, das Schöne und Große, welches ihm die Kunst<lb/>
gegeben, auch dem Künstler zuzutrauen und einen Theil seines eigenen Urtheils<lb/>
in die Hand des Künstlers zu geben. Der Künstler aber, in neue Verhältnisse<lb/>
versetzt, übermäßig erregt durch die glänzenden Farben, welche auf einmal sein<lb/>
Leben erfüllen, breitet sich anspruchsvoll und herrschlustig aus. Er tritt in<lb/>
Opposition gegen die Convenienzen des Hofes, gegen Sitte und Brauch seiner<lb/>
neuen Umgebung, Mehrern wird er lästig, welche mit oder ohne Recht einen<lb/>
Einfluß auf den Fürsten beanspruchen, Andere feindet er selbst an, endlich ver¬<lb/>
einigen sich Viele zum Kampfe gegen ihn; er hat Blößen gegeben und er unter¬<lb/>
liegt endlich, der Traum seiner Bedeutung zerrinnt, und beide, der Fürst und<lb/>
er, haben eine Einbuße erfahren, denn mit Opfern bezahlen beide eine Ent¬<lb/>
täuschung. Dergleichen ist schon lange vor Tasso stärkern Männern begegnet,<lb/>
als Herr Wagner ist, und Fürsten, die eine längere Erfahrung hatten, als der<lb/>
junge König von Bayern. Immer aber liegt etwas Trauriges in solchem Ver¬<lb/>
fall, denn die freundliche Neigung eines mächtigen Fürsten zu einem wahren<lb/>
Künstler kann für die Kunst selbst von Bedeutung werden und in dem mensch¬<lb/>
lichen Verhältniß ist in der That ein Idealer Inhalt, welcher beiden, dem Fürsten<lb/>
und dem Künstler, das Herz erhob.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_89" next="#ID_90"> Wir suchen die Lehre, welche durch das Unsichere einer solchen Verbindung<lb/>
für beide Theile verkündet wird, es ist eine alte, längst bekannte Wahrheit.<lb/>
Mißlich ist zuerst für den Fürsten, einen Künstler zu seinem Vertrauten zu wählen.<lb/>
Dieser ist Souverän in einem vornehmen Gebiet des menschlichen Schaffens,<lb/>
er ist gewöhnt, frei spielend in dem Kreise seiner Anschauungen zu walten, ist</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0040] Fürst und Künstler. Noch immer unterhalten die Zeitungen das Publikum mit den Vorgängen, welche in einer süddeutschen Residenz den viel besprochenen Vertreter moderner musikalischer Richtung aus der Nähe eines jungen Königs verbannt haben. Es ist nicht Beruf dieses Blattes, das Detail dieser Angelegenheit zu beurtheilen und über Recht und Unrecht zu entscheiden, dazu fehlt uns nicht nur genaue Kenntniß der Menschen, welche dabei thätig waren, sondern ebenso sehr die Ueberzeugung, daß eine öffentliche Besprechung irgendwelchen Nutzen stiften könne. Im Ganzen wird man auch hier das alte Leid erkennen, welches sich an dergleichen Verhältnisse zwischen vornehmen Herrn, und ihren Vertrauten aus der Kunstwelt zu hängen pflegt. Der Gönner giebt sich eine Zeit lang freudig den erhebenden Eindrücken hin, welche die schöne Kunst auf die Seelen der Menschen ausübt, er ist geneigt, das Schöne und Große, welches ihm die Kunst gegeben, auch dem Künstler zuzutrauen und einen Theil seines eigenen Urtheils in die Hand des Künstlers zu geben. Der Künstler aber, in neue Verhältnisse versetzt, übermäßig erregt durch die glänzenden Farben, welche auf einmal sein Leben erfüllen, breitet sich anspruchsvoll und herrschlustig aus. Er tritt in Opposition gegen die Convenienzen des Hofes, gegen Sitte und Brauch seiner neuen Umgebung, Mehrern wird er lästig, welche mit oder ohne Recht einen Einfluß auf den Fürsten beanspruchen, Andere feindet er selbst an, endlich ver¬ einigen sich Viele zum Kampfe gegen ihn; er hat Blößen gegeben und er unter¬ liegt endlich, der Traum seiner Bedeutung zerrinnt, und beide, der Fürst und er, haben eine Einbuße erfahren, denn mit Opfern bezahlen beide eine Ent¬ täuschung. Dergleichen ist schon lange vor Tasso stärkern Männern begegnet, als Herr Wagner ist, und Fürsten, die eine längere Erfahrung hatten, als der junge König von Bayern. Immer aber liegt etwas Trauriges in solchem Ver¬ fall, denn die freundliche Neigung eines mächtigen Fürsten zu einem wahren Künstler kann für die Kunst selbst von Bedeutung werden und in dem mensch¬ lichen Verhältniß ist in der That ein Idealer Inhalt, welcher beiden, dem Fürsten und dem Künstler, das Herz erhob. Wir suchen die Lehre, welche durch das Unsichere einer solchen Verbindung für beide Theile verkündet wird, es ist eine alte, längst bekannte Wahrheit. Mißlich ist zuerst für den Fürsten, einen Künstler zu seinem Vertrauten zu wählen. Dieser ist Souverän in einem vornehmen Gebiet des menschlichen Schaffens, er ist gewöhnt, frei spielend in dem Kreise seiner Anschauungen zu walten, ist

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/40
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/40>, abgerufen am 21.12.2024.