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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Die Sendung Begezzis.

Nach der Encyclica nebst Syslabus ein eigenhändiger Brief an Victor
Emanuel, den mit dem zwiefachen Kirchenbann Belasteten, dies mußte nicht
wenig überraschen. Waren auch im Leben Pius des Neunten spontane Willens¬
äußerungen, rasche Schwenkungen nichts Unerhörtes, so schien er doch mit
jenem Manifest vom 8. December sein letztes abschließendes Wort gesagt zu
haben, achtzigfach hatte er sein nein possumus versiegelt, ja, als wäre er seiner
eigenen Schwäche sich bewußt gewesen, so schien es, er wolle durch diesen ecla-
tanten Act sich selbst die Möglichkeit abschneiden, je wieder auf den Weg der
Verirrung, auf den Weg der Transaction mit dem modernen Staat zurück-
zulenken. Wenige Monate, und von ihm selbst gerufen erscheint ein Ab¬
gesandter des Königs von Italien im Vatican, und die Ordnung der kirchlichen
Angelegenheiten im Königreich wird der Gegenstand ernster Unterhandlungen
zwischen Florenz und Rom.

Allerdings, nur von kirchlichen Dingen sollte die Rede sein; allein im Va-
tican weiß man am besten, was es mit dem Grundsatz auf sich hat, Weltliches
und Geistliches getrennt zu behandeln. Nur über die Wicderbesetzung der ver¬
waisten bischöflichen Sitze sollte unterhandelt werden; aber doch unterhandelt
mit derjenigen Regierung, welche den Anathemen des heiligen Stuhls zum Trotz
besteht und im Besitz der Marken. Andricus und der Romagna ist. Nicht
Zwischen den Regierungen, sondern zwischen deu Souveränen sollten die Ver¬
handlungen geführt werden; allein auch diese Fiction nahm dem Schritt nichts
von seiner Bedeutung. Sie war nothwendig, weil nur sie die tiefe Kluft,
welche beide Regierungen trennt, überbrücken konnte. Der Sohn Karl Alberts
hatte es, auch seitdem ihn der Bannstrahl getroffen, niemals an Beweisen
seiner katholischen Rechtgläubigkeit, wie seiner Ergebenheit gegen die Person
des heiligen Vaters fehlen lassen. Eben dadurch war immer eine schmale Thür
offen geblieben, durch welche dereinst eine Verständigung des neuen Italien mit
dem Vatican möglich war. Zu dieser Verständigung sind jetzt die ersten Schritte
gethan. Gleichviel, ob es sofort im ersten Anlauf gelang, die gegenseitigen
Ansprüche auszugleichen: indem der Papst mit Victor Emanuel eine Korrespondenz


Grenzboten III. 186S. 11
Die Sendung Begezzis.

Nach der Encyclica nebst Syslabus ein eigenhändiger Brief an Victor
Emanuel, den mit dem zwiefachen Kirchenbann Belasteten, dies mußte nicht
wenig überraschen. Waren auch im Leben Pius des Neunten spontane Willens¬
äußerungen, rasche Schwenkungen nichts Unerhörtes, so schien er doch mit
jenem Manifest vom 8. December sein letztes abschließendes Wort gesagt zu
haben, achtzigfach hatte er sein nein possumus versiegelt, ja, als wäre er seiner
eigenen Schwäche sich bewußt gewesen, so schien es, er wolle durch diesen ecla-
tanten Act sich selbst die Möglichkeit abschneiden, je wieder auf den Weg der
Verirrung, auf den Weg der Transaction mit dem modernen Staat zurück-
zulenken. Wenige Monate, und von ihm selbst gerufen erscheint ein Ab¬
gesandter des Königs von Italien im Vatican, und die Ordnung der kirchlichen
Angelegenheiten im Königreich wird der Gegenstand ernster Unterhandlungen
zwischen Florenz und Rom.

Allerdings, nur von kirchlichen Dingen sollte die Rede sein; allein im Va-
tican weiß man am besten, was es mit dem Grundsatz auf sich hat, Weltliches
und Geistliches getrennt zu behandeln. Nur über die Wicderbesetzung der ver¬
waisten bischöflichen Sitze sollte unterhandelt werden; aber doch unterhandelt
mit derjenigen Regierung, welche den Anathemen des heiligen Stuhls zum Trotz
besteht und im Besitz der Marken. Andricus und der Romagna ist. Nicht
Zwischen den Regierungen, sondern zwischen deu Souveränen sollten die Ver¬
handlungen geführt werden; allein auch diese Fiction nahm dem Schritt nichts
von seiner Bedeutung. Sie war nothwendig, weil nur sie die tiefe Kluft,
welche beide Regierungen trennt, überbrücken konnte. Der Sohn Karl Alberts
hatte es, auch seitdem ihn der Bannstrahl getroffen, niemals an Beweisen
seiner katholischen Rechtgläubigkeit, wie seiner Ergebenheit gegen die Person
des heiligen Vaters fehlen lassen. Eben dadurch war immer eine schmale Thür
offen geblieben, durch welche dereinst eine Verständigung des neuen Italien mit
dem Vatican möglich war. Zu dieser Verständigung sind jetzt die ersten Schritte
gethan. Gleichviel, ob es sofort im ersten Anlauf gelang, die gegenseitigen
Ansprüche auszugleichen: indem der Papst mit Victor Emanuel eine Korrespondenz


Grenzboten III. 186S. 11
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[0091] Die Sendung Begezzis. Nach der Encyclica nebst Syslabus ein eigenhändiger Brief an Victor Emanuel, den mit dem zwiefachen Kirchenbann Belasteten, dies mußte nicht wenig überraschen. Waren auch im Leben Pius des Neunten spontane Willens¬ äußerungen, rasche Schwenkungen nichts Unerhörtes, so schien er doch mit jenem Manifest vom 8. December sein letztes abschließendes Wort gesagt zu haben, achtzigfach hatte er sein nein possumus versiegelt, ja, als wäre er seiner eigenen Schwäche sich bewußt gewesen, so schien es, er wolle durch diesen ecla- tanten Act sich selbst die Möglichkeit abschneiden, je wieder auf den Weg der Verirrung, auf den Weg der Transaction mit dem modernen Staat zurück- zulenken. Wenige Monate, und von ihm selbst gerufen erscheint ein Ab¬ gesandter des Königs von Italien im Vatican, und die Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten im Königreich wird der Gegenstand ernster Unterhandlungen zwischen Florenz und Rom. Allerdings, nur von kirchlichen Dingen sollte die Rede sein; allein im Va- tican weiß man am besten, was es mit dem Grundsatz auf sich hat, Weltliches und Geistliches getrennt zu behandeln. Nur über die Wicderbesetzung der ver¬ waisten bischöflichen Sitze sollte unterhandelt werden; aber doch unterhandelt mit derjenigen Regierung, welche den Anathemen des heiligen Stuhls zum Trotz besteht und im Besitz der Marken. Andricus und der Romagna ist. Nicht Zwischen den Regierungen, sondern zwischen deu Souveränen sollten die Ver¬ handlungen geführt werden; allein auch diese Fiction nahm dem Schritt nichts von seiner Bedeutung. Sie war nothwendig, weil nur sie die tiefe Kluft, welche beide Regierungen trennt, überbrücken konnte. Der Sohn Karl Alberts hatte es, auch seitdem ihn der Bannstrahl getroffen, niemals an Beweisen seiner katholischen Rechtgläubigkeit, wie seiner Ergebenheit gegen die Person des heiligen Vaters fehlen lassen. Eben dadurch war immer eine schmale Thür offen geblieben, durch welche dereinst eine Verständigung des neuen Italien mit dem Vatican möglich war. Zu dieser Verständigung sind jetzt die ersten Schritte gethan. Gleichviel, ob es sofort im ersten Anlauf gelang, die gegenseitigen Ansprüche auszugleichen: indem der Papst mit Victor Emanuel eine Korrespondenz Grenzboten III. 186S. 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/91>, abgerufen am 15.01.2025.